Refugee Origami Camp Detmold

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Wie sieht die Gesellschaft von morgen aus? Und wie können wir gemeinschaftlich zum Gelingen der großen Aufgabe ‘Integration’ beitragen?
Geben wir diesen großen Fragen mal anders Gewicht und ihnen in Form eines Camps aus überdimensionierten, recyblebaren, gefalteten Papierhäusern, an dem jeder mitarbeiten kann, ein entsprechendes Gesicht.

RefugeeOrigamiCampDetmold (ROCD) wird ab Montag, dem 9. Mai gemeinschaftlich im Zentrum von Detmold von seinen Bewohnern selbst und anderen Freiwilligen errichtet – Im weiteren Verlauf finden diverse Workshops und Labore zur Herstellung von Lebensmitteln im Bierbrauen, Brotbacken und im Backen von Schwarzwälderkirschtorte etc wie zur Eigenproduktion von Kleidung und Möbelbau statt.
Die hergestellten Produkte werden am Camp “direktverkauft”, die Einnahmen werden zum weiteren Aufbau eines Programms der Refugee – Selbstversorgung und Eigenproduktion in Detmold verwendet.

Wir suchen Hobbybrauer zum Brauen von Refugeebeer und Feinbrötchenbäcker zum Backen von Brot aus echtem Flüchtlingsschrot und -korn, Nählaien und Lakaien zur Produktion von Allwetterhosen und Starkregenjacken, die jedem Wetter trotzen.
Spenden von Mehl, Salz, Wasser und anderen Grundnahrungsmitteln sind genauso erwünscht, wie bürgerschaftliches Engagement zum Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung, die jeden mit Freiheit zur Selbstentfaltung und Hilfsbereitschaft versorgt.
Freiwilliges Engagement, zur Verfügung stellen von Know-how, wie Spenden von Lebensmitteln und Stühlen, Tischen und Matratzen werden gerne genommen.

RefugeeOrigamiCampDetmold ist der Modellversuch einer selbstvermächtigten und ethnienübergreifenden Selbstversorger- wie Solidargemeinschaft und erprobt das fragile wie notwendige Gesellschaftsbild der natürlichen wie selbstverständlichen integration einer Gesellschaft im Wandel.

 

 

Chronik RefugeeOrigamiCampDETMOLD 

Montag, 09.05.2016

11.30 Uhr Vorbereiten der 8 x 8 Meter großen Papierfläche im „Café Welcome“ des Flüchtlingsheims in der Adenauerstraße. Sofort kommen Mischa und Farouk und viele andere Kinder. Sie fragen: „Was Du machen?“ Ich erkläre mit „Händen und Füßen“, dass ich gerne mit Ihnen ein lebensgroßes Origami-Haus falten möchte. Das wird nicht verstanden, daher zeige ich Ihnen eine Faltanleitung eines Origami-Modells. Auch das ist anscheinend zu abstrakt für die kleinen Kinder. Ich versuche Ihnen mit einer auf der Theke des Cafés herumliegenden Serviette zu erläutern, wie man ein Haus faltet. „Ich helfen“, „ich helfen“, „ich helfen“, „nein, ich helfen“, ruft es vor lauter Begeisterung aus vielen Mündern.

13.22 Uhr Die große Papierfläche ist geklebt. Um etwas zu verschnaufen, setze ich mich auf den einzigen noch freien Stuhl im Hof des „Café Welcome“. Ich stelle mich meinen Sitznachbarn vor. Hassan erzählt, dass er in Aserbaidschan als Architekt und Designer gearbeitet hat. Ich frage ihn, ob er sich vorstellen könnte, beim gemeinschaftlichen Hausfalten mitzuarbeiten. Er fordert Holz und Schrauben. Der Baumarkt sei nicht weit. Ich fahre sofort los, um das angeforderte Material zu besorgen.

Als ich nach 20 Minuten zurückkomme, haben die vielen Kinder – die allermeisten aus arabischen Ländern, bereits etliche Falten und Knicke in das Papier gemacht. Auf meine Frage: „Was ist das?“, antworten sie einstimmig und voller Lebensfreude: „Da Haus“. Den Impuls der Kinder aufnehmend wird mit allen Kindern und dem großen Papierknäuel einfach weiter gefaltet. Es ist kaum vorstellbar, dass aus diesem Papierhaufen noch ein Haus werden soll. Aber was sollen wir tun? „Falten Haus!“ ruft Mischa. Das Haus wird wohl krumm und schief werden, wenn es überhaupt nach einem Haus aussieht. Ich muss mir klar machen, das es weniger um das Objekt „Haus“ geht, als um das Gründen einer Gemeinschaft, die das Unmögliche möglich macht: Ohne sich mündlich verständlich machen zu können, können wir jedoch zumindest versuchen, die gemeinsame Sprache „Origami“ zu sprechen. Hassan macht sich sofort an den Gerüstbau. Die Kinder fragen nach Stiften zum Bemalen der Hauswände. Ich fahre sofort los, um das angeforderte Werkzeug zu besorgen.

17.10 Uhr Als das Haus tatsächlich fertig vor uns steht, kann ich kaum glauben, was wir da gemeinsam geschafft haben. Das Gerüst, das der unermüdliche Hassan schnell und stabil aus Dachlatten gebaut hat, passt auch noch so dermaßen exakt in das Papierhaus, das es sich fast wie ein Wunder anfühlt. Die Kinder wollen sofort Fenster und Türen hineinschneiden. Der Cutter ist allerdings verschwunden. Alle Stifte sind auch weg.

Als Mischa, Farouk und die vielen andere Kinder in das Papierhaus krabbeln, werden sie von einem uniformierten Securityguard angeherrscht und zurecht gewiesen. Ich bremse den Aufseher und behaupte, es sei doch schön, wenn die Kinder mit und in dem Haus spielen – es sei ja schließlich ihr Haus.

18.52 Uhr Man verabredet für morgen, ein weiteres Haus zu falten. Abends kann ich vor Freude über die kindliche Begeisterung kaum einschlafen.

 

Dienstag, 10.05.2016

11.30 Uhr Es wird erneut eine den gesamten Platz vor dem Café Welcome füllende Papierfläche geklebt. Die Kinder haben schon gewartet, nehmen sich sofort der Heißluftpistolen an, um die Papierbahnen aneinander zu schweißen. Ich befürchte, dass sich die Kinder dabei verletzen; ist die Luft zum Verschweißen der einzelnen Milchkartonbahnen doch sehr heiß. Allerdings gehen sie so geschickt und sicher mit dem Werkzeug um, das jeder sowieso unmögliche Versuch, den Umgang mit dem Werkzeug mündlich zu erklären, überflüssig erscheint. „Ich“, „Ich“, „Ich“, „Ich“ schallt es aus allen Mündern, um dem Wunsch, den Heißluftfön zu übernehmen, Ausdruck zu verleihen.

12.18 Uhr Farouk hat sich am Papier geschnitten. Er blutet am Zeigefinger. Ich gehe mit ihm zum Sanitäter des Arbeiter Samariter Bundes. Der Finger wird mit einem Pflaster geschützt. Farouk lächelt wieder.

13.47 Uhr Hassan nimmt sich wie selbstverständlich des Gerüstbaus an. In Windeseile steht das Gerüst, nur die Kinder sind mit dem Hausfalten schneller. Um sie zu beschäftigen, verteile ich Stifte, sie bemalen hochkonzentriert und in stiller Versunkenheit die Papierwände. Herzen und Blumen sind die Lieblingsmotive. Ich bin gerührt von soviel Herzlichkeit und Zuversicht. Die Erwachsenen sitzen am Rand und schauen den Kindern dabei zu.

18.40 Uhr Abtransport des zweiten Hauses. Die Kinder wollen es behalten und geben es nur unter der Bedingung heraus, dass morgen ein neues Haus gefaltet wird. Hassan erwähnt, dass er sich ein Fahrrad wünsche, mit dem er die Gegend erkunden kann.

 

Mittwoch, 11.05.2016

10.27 Uhr Falten des nächsten Papierhauses. Alles wie immer. Die Kinder wieder nicht zu bremsen und versprühen pure Lebensfreude. Die Erwachsenen schauen dabei allerdings nur zu. Außer Hassan, der unermüdlich mit Gerüstbau beschäftig ist, ist nur gelegentlich jemand bereit, mal eine Dachlatte zu halten. Als ich frage, warum er soviel Leistungsbereitschaft zeigt, sagt er, dass er die Langeweile im Flüchtlingsheim kaum aushält. Auf meine Frage, warum die anderen Erwachsenen, seiner Meinung nach, nicht mithelfen, weiß er zunächst auch keine Antwort. Dann erklärt er, dass Kriegs- und Fluchterfahrungen eine Beteiligung bestimmt schwierig machen. Es trübe die Freude am Leben. Außerdem sei man hier in einer schwierigen Situation: „Alle warten darauf, dass das Leben anfängt.“

12.35 Uhr Einige Erwachsene Geflüchtete laden uns zum Essen ein. Sie bestehen darauf, das wir die lange Schlange der Wartenden vor der Essensausgabe überholen – alle wollen uns vorlassen. Wir lehnen dankend ab. Auch die Security will uns an der Schlange vorbei „schleusen“. Wir bestehen auf das Warten.

12.55 Uhr Als wir zum Essen Platz nehmen, nehmen unsere Nachbarn unseren Getränkebecher und wollen uns Orangensaft holen. Alle 2 Minuten werden Assistant Pauli und ich mit Händen, Füßen und sehr freundlichen Gesten gefragt, ob wir noch etwas zu trinken wollen. Wir lehnen dankend ab und fragen, ob wir unsererseits ihnen noch Getränke holen können. Man lehnt ebenfalls dankend ab.

13.20 Uhr Ich fahre mit Hassen sämtliche Fahrradläden in Detmold ab, um ein „second hand-Bike“ zu besorgen. Wir finden schließlich eines in der Fundgrube. Ich hoffe, Hassan eine Freude gemacht zu haben.

16.10 Uhr Es tauchen Probleme auf beim Versuch, das Gerüst unter die gefaltete Papierhülle zu klemmen. Ahmed, Sherwan, Mohammed und drei weitere Erwachsene Männer packen schließlich doch mit an.

18.56 Uhr Das Papierhaus wird gemeinschaftlich geschultert und in einer Prozession durch das Stadtzentrum von Detmold zum Theaterplatz getragen.

 

Donnerstag, 12.05.2016

10.12 Uhr Aufhängen von Plakaten im Café Welcome und im Kindergarten des Flüchtlingsheims: Einladung zum Hausfalten auf dem Theaterplatz ab 14 Uhr.

Wird jemand um 14 Uhr zum Theaterplatz kommen? In Gesprächen mit Mitarbeitern des Arbeiter Samariter Bundes, die den Geflüchteten in der Adenauerstraße betreuen, erklärt man, man freue sich über das Angebot im Rahmen des Straßentheaterfestivals, vor allem die Kinder hätten ihre Freude gehabt. Man glaube allerdings nicht daran, das es gelänge, die Bewohner des Heimes in die Stadt zu locken.

14.27 Uhr 45 Kinder des Kindergartens des Flüchtlingsheimes kommen mit ihren ErzieherInnen Ellina, Anna und Joelle zum Theaterplatz und wollen sofort anfangen, kleine Papierhäuser zu falten. Völlig überfordert von so vielen Stimmen und Sprachen fordere ich Verstärkung beim Festivalteam an. Sofort kommen Marvin und Pirko, schneiden Papier, um die Kinder damit zu versorgen.

16.08 Uhr Der Prinz Stephan zur Lippe lässt über die Mitarbeiterin des Bauamtes, Frau Reue, ausrichten, das die Kinder von der Grünfläche des Schlossparks verschwinden müssen: „Also mit dem Camp auf dem benachbarten Theaterplatz hat der Prinz ja keine Probleme. Das aber jetzt auf dem Teil des Parks, der zum Schloss gehöre, die Aktion mit den Flüchtlingskindern stattfindet, das stößt auf und kommt nicht gut an.“ Ich erkläre, ich könne leider nicht auf jeden dahergelaufenen Prinzen Rücksicht nehmen. Es gäbe hier mit der aktiven Integrationsarbeit gerade Wichtigeres zu tun.

Nach 3 Stunden gehen alle Kinder mit einem Papierhaus auf dem Kopf nach Hause. Ob morgen die Erwachsenen kommen?

17.35 Uhr Hassan kommt mit seiner Freundin Jewgenia zum Theaterplatz. Er bittet um Unterstützung beim Versuch, einen „Transfer“ in ein Flüchtlingsheim nach Bielefeld zu bekommen, da Jewgenia dort lebe. Wir verabreden uns für einen Besuch bei der Heimleitung für morgen, 9 Uhr.

 

Freitag, 13.05.2016

Ich spreche mit Ali im Büro der Heimleitung über Hasan und Möglichkeiten eines Transfers nach Bielefeld. Dort erklärt man, das Flüchtlingsheim in Bielefeld sei derzeit voll. Sobald dort ein Platz frei werde, werde man Hassan dort hin vermitteln.

Jürgen Niestrath spendet ein Fahrrad für das Flüchtlingsheim und bietet einen Trommel-workshop an. Ich verspreche, mich darum zu kümmern.

12.10 Uhr Verabredung mit Jürgen Niestrath, dass Hassan sein second-hand-Fahrrad zu ihm in die Werkstatt bringt, um es dort reparieren zu lassen.

Installation der Fotos des Origami-workshops in den Falthäusern auf dem Theaterplatz. Etliche Gespräche mit Passanten über den Sinn und Unsinn der Faltübungen mit den vielen geflüchteten Kindern im Detmolder Flüchtlingsheim. Überwiegend große Anteilnahme und Unterstützung dieser Art der Gründung von Gemeinschaften und der Verknüpfung der unterschiedlichen Lebenswelten. Wenige Flaneure fragen, wann das RefugeeOrigamiCampDetmold endlich beginne. Es wird jeweils geantwortet, dass entscheide jeder selbst mit einem Beitrag zur Bewältigung der großen Aufgabe, die da allgemein „Integration“ genannt werde. Das Projekt „RefugeeOrigamiCamp“ sei damit jeder selbst.

19.22 Uhr Einige der am Origami-workshop beteiligten Kinder kommen zum Theaterplatz. Wir betreten die seid heute geöffneten Papierhäuser. Sie freuen sich sichtlich, sich auf den Fotos wieder zu erkennen und fotografieren sich mit den Handys ihrer Eltern, die ebenfalls fröhlich und ein bisschen stolz auf ihre Kinder zu sein scheinen. Wir verabreden uns für morgen gegen 14 Uhr zum Falten eines weiteren Papierhauses.

19.47 Uhr Bakhary kommt zum Camp und fragt nach, ob er morgen für das Camp kochen könne? Ich behaupte hocherfreut, man habe nur auf ihn gewartet.

19.53 Uhr Anruf von Jana Erlenkamp. Sie habe von dem Projekt gehört und würde gerne „RefugeeMet“ brauen. Ich behaupte, man habe nur auf sie gewartet.

20.09 Uhr Dietmar kommt zum Camp. Er erklärt, er sei unter dem Namen LamaSan ambitionierter Hobbybrauer und habe gerade Maische angesetzt. Es sei doch eine gute Idee, morgen hier einen Biersud anzusetzen. Ich behaupte, man habe nur auf ihn gewartet.

 

Samstag, 14.05.2016

Es befindet sich ein neues Sofa im RefugeeOrigamiCamp. Frank Kirschlager hat ein Sofa gespendet. Uwe Windmeier bringt drei Klappfahrräder für das Flüchtlingsheim.

9.40 Uhr Aufbau des Gasgrills für Bakhary.

10.46 Uhr Aufstellen des Zeltes wegen der schlechten Wetterprognose.

10.52 Uhr Sarah aus Syrien bringt ein Rezept für Fladenbrot zum Camp.

11.00 Uhr Mike Biere bringt den Backofen wie verabredet, erklärt kurz dessen Bedienung und erzählt, dass er einem Geflüchteten aus der Adenauerstraße vor einigen Monaten einen Praktikumsplatz in seiner Bäckerei verschafft hat, der nun aufgrund der guten Erfahrungen und der guten Zusammenarbeit tatsächlich bei ihm eine Ausbildung zum Bäcker beginne. Es entwickelt sich ein sensibles Gespräch die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik und die Flüchtlingspolitik ihrer Regierung betreffend. Gemeinsam vermissen wir ein vollständiges Übertragen der Verantwortung von der politischen Elite auf die Bevölkerung. Von der politischen Klasse werde an der Verantwortung festgehalten, anstatt offen der Gesellschaft und Einzelpersonen die Verantwortung komplett zu übertragen. So entstünden Ohnmacht und Verantwortungslosigkeit bei Personen, die sich sonst aktiver zeigen würden. Die Regierung ermächtige sich damit ausschließlich selbst und niemanden sonst.

12.18 Uhr Erda aus Bielefeld kommt zum Camp. Sie habe im Internet von diesem Projekt erfahren und wolle sich engagieren. Sie könne sich vorstellen, Brot zu backen. Wir holen die gestern gespendeten Zutaten: Mehl, Salz, Gewürze etc.

12.24 Uhr Weitere Zutaten werden zum Camp gebracht. Man versorgt uns mit weiteren 2,5 Kg Mehl und etlichen Hefewürfel.

13.05 Uhr Bakhary kommt zum Camp, er freue sich über die rege Beteiligung und erzählt, er könne heute leider nicht bleiben, da die Mutter seiner beiden Kinder erkrankt sei. Er würde morgen kommen und afrikanisch kochen.

13.38 Uhr Jana Erlenkamp kommt mit einem Met-Braukitt zum Camp, fragt nach einem Gasofen und nach 6 KG Honig, zum Ansetzen des Medsuds. Ich fahre schnell zum nächsten Markt, bezahle von eingegangenen Spendengeldern den Honig, als die Kassiererin viel Erfolg beim RefugeeOrigamiCamp wünscht, sie habe mich in der Zeitung gesehen und sei gerührt von dem Vorhaben. Ich bedanke mich für die guten Wünsche. Wieder im Camp angekommen hat bereits jemand einen 20 Liter Kochtopf zum Ansetzen des Metsuds gespendet.

14.12 Uhr Viele Leute kümmern sich selbständig um das Backen des Fladenbrotes, auch die Bedienung des Ofens scheint kein Problem zu sein. Ebenso viele Leute beteiligen sich am Zubereiten des Brotteigs. Ich freue mich darüber, überflüssig zu sein und bereite mit Pauli und Hassan die große Papierfläche zum Falten eines Riesenpapierschiffes vor.

14.15 Uhr Dietmar kommt zum Theaterplatz. Er habe alles zum Bierbrauen einer „Großen imperialistischen Suppe“ dabei und macht sich sogleich ans Werk. Schnell wird ein Tisch besorgt, Strom für das Erhitzen des Biersuds gelegt und los geht’s.

14.28 Uhr Einige Leute fragen, wann endlich das große Papierschiff gefaltet werde. Ich vertröste sie auf später, bis der Regen aufhört. Als ich kurz in die Stadthalle gehe, höre ich das Gerücht, dass der Bürgermeister Detmolds womöglich Interesse an einer Papierschifffahrt haben könne. Wenn Prinz zu Lippe kein Interesse habe, könne man doch Bürgermeister Rainer Heller fragen, gebe ich zurück.

14.58 Uhr Falten des Riesenpapierschiffes. Mit jedem Faltschritt wird die Gruppe der Beteiligten größer. Sara kennt jeden Faltschritt und weiß immer, was als nächstes zu tun ist. Bernhard hat eine gute Idee beim Auseinanderziehen des Schiffes – ein sensibler Moment, in dem auch schon mal das Papier reißen kann. Es klappt aber problemlos. Schließlich sind viele Kinder begeistert damit beschäftigt, den Schiffsrumpf zu bemalen, während die Erwachsenen versuchen, das fragile Vehikel in Form zu bringen.

16.17 Uhr Es beginnt heftig zu regnen. Eine 20 cm tiefe Pfütze steht im Papierboot. Es scheint dicht zu sein!

17.40 Uhr Bürgermeister Rainer Heller erscheint zum verabredeten Stapellauf. Das schlechte Wetter hat die Anzahl der beteiligten Menschen etwa halbiert. Als wir das Papierschiff zum Schlossteich bringen, schließen sich doch wieder viele an. Manche kommen neu hinzu. Sie hätten von der Idee des untergehenden Bürgermeisters gehört, geben sie schmunzelnd vor.

17.48 Uhr Stapellauf. Alles läuft wie geplant. Allerdings geht Bürgermeister Rainer Heller, nicht wie verabredet mit dem Papierschiff unter. Dafür scheint es zu stabil und wasserdicht zu sein.

18.43 Uhr Das Papierschiff wird nach der Fahrt auf dem Schlossteich neben diesem platziert.

 

Sonntag, 15.05.2016

8.40 Uhr Anruf. Im Gespräch mit Prinz Stephan zur Lippe schlägt dieser vor, eine Gruppe von Flüchtlingen aus der Einrichtung an der Adenauerstraße durch sein Schloss zu führen. Ein Termin müsse noch vereinbart werden. Im Gegenzug wird ihm eine Führung durch das Flüchtlingsheim Adenauerstraße angeboten.

9.20 Uhr Eines der gestern gespendeten Klappfahrräder fehlt…

11.05 Uhr Bakhary kommt mit Freunden zum Camp. Er fragt nach einem weiteren Gaskocher. Der wird schnell von Carsten gebracht, der seine Telefonnummer hinterlassen für den Fall, dass es irgendwo brennt.

12.38 Uhr Die Afrikanische Küche ist eingerichtet. Das RefugeeOrigamiCampDetmold füllt sich zusehens. Die Gäste machen es sich mit ihrem Essen in den Papierhäusern gemütlich, damit es regnen kann.

13.05 Uhr Erda kommt zum Camp, sie möchte weiter syrisches Fladenbrot, heute allerdings in westfälischer Brötchenform backen. Hocherfreut über die interessante Mischung von Menschen unterschiedlichster Herkunft mach sie sich ans Werk.

13.57 Uhr Viele Leute fragen nach Stiften, um die wenigen noch freien Stellen auf und in den Papierhäusern mit politischen Botschaften und anderen Anliegen zu füllen, unter anderem steht auf einem der ganz kleinen Häuser: „God bless everyone, who goes in and out of this house“. Immer wieder sieht man jemanden, der ein Papierhaus auf dem Kopf durch die Stadt trägt.

14.17 Uhr Pedro kommt zum Camp. Er habe früher ein Fahrradgeschäft hier in Detmold gehabt, möglicherweise ließe sich nach dem Camp mal über eine Möglichkeit der Einrichtung einer Reparaturwerkstatt sprechen.

15.32 Uhr Wir beginnen mit dem Falten eines lebensgroßen Papierpanzers, werden immer wieder zu einer Regenpause, die mit afrikanischem Essen und Gunpowder tea gefüllt wird, gezwungen

17.28 Uhr Der Papierpanzer ist fertig. Es versammeln sich schnell Passanten und Flaneure um das Vehikel, als ein Sanitätswagen des roten Kreuzes bittet, mal eben den Papierpanzer weg zu fahren, da man damit die Feuerwehreinfahrt zum Festivalgelände blockiere. Der Panzer wird daraufhin gemeinschaftlich im Schlosspark vor dem Schloss des Prinzen zur Lippe installiert. Jemand dreht den Geschoßlauf weg vom Portal des Schlosses zur Lippe, ein anderer dreht es wieder an die ursprüngliche Stelle.

17.34 Uhr Jemand berichtet von der aktuellen Ausstellung des Künstlers Christoph Brech im Schloss, in der sich zwei Panzer Rohr an Rohr gegenüber stehen. Diese werden nun vom einem Papiertieger bedroht…

 

Montag, 16.05.2016

10.07 Uhr Mir kommt der Gedanke, Hassan mit der Leitung des RefugeeOrigamiCampDetmold zu betrauen…

12.13 Uhr Die Köche aus dem Senegal, Gambia und Kongo treffen ein. Sie bereiten in Windeseile den Gunpowder tea zu. Die Gaskocher werden angeworfen, die Zutaten geschnitten und zubereitet. Viele Altdetmolder nehmen das exotische kulinarische Angebot an und spenden Geld für die Köche. Mich beschleicht zum wiederholten Male das Gefühl, überflüssig zu sein.

12.41 Uhr Erda kommt erneut zum Camp, ernimmt sofort das Zubereiten Fladenbrotteiges. Erneut werde ich nicht gebraucht.

14.38 Uhr Ich stelle dem Kulturteam Detmold als Veranstalter des Festivals „Bildstörung“ Hassan Soleymani als neuen Leiter des RefugeeOrigamiCampDetmold vor. Man gratuliert ihm allseits erfreut, ist aber wenig überrascht, hat Hassan doch bereits durch seinen Einsatz die heimliche Leitung des Camps übernommen.

15.18 Uhr Ich verabschiede mich von Hassan. Jeder bedankt sich beim anderen für dieses so ungewöhnliche wie einfache Gründen einer Gemeinschaft, die weit über das Flüchtlingsheim Adenauerstraße hinaus Menschen mit ange- wie einbezogen hat. Bei uns beiden kullern ein paar Tränen die kuturell, religiös und zivilisatorisch so unterschiedlich geprägten Wangen hinunter …

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Marseille

It was on NineEleven in Marseille 2016 when the visitors of the festival Travellings rejected the proposals of the artists to fold lifesize paper planes to attack giant origami towers. They decided to fold heaven and hell, ships, cars and as swimming pool as symbols of a peaceful urban socity. The people brought own origami instructions and their imagination into giant shape ignoring permanent advices by the artists to accept the artist’s original intention. Only at the end of the festival a group of experts of origami followed the artist’s instructions merciful.

Es war am NineEleven in Marseille 2016 als die Festivalbesucher des Festivals Travellings die Anweisungen des Künstlers, lebensgroße Papierflieger in riesige Origamitürme fliegen zu lassen, ignorierten. Das Publikum entschied sich stattdessen, lieber Himmel und Hölle, Schiffe, Autos und ein Swimming Pool als Symbole des friedlichen urbanen Zusammenlebens zu falten. Sie brachten eigene Vorstellungen und Origami-Faltanleitungen in lebensgroße Modelle, die permanenten Handlungsanweisungen des Künstlers missachtend. Nur eine Gruppe von Origamiverständigen Besuchern faltete am Ende des Festivals einen lebensgroßen Papierpanzer.

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yoUFO

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yoUFO, Tetra Pak, 650 x 265 cm

Anlässlich der Buchpräsentation „Über die Teilhabe in der Kunst – zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ landete am 10. März 2016 um 18 Uhr im Gesellschaftsraum der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft ein Ufo.

Über die Teilhabe in der Kunst

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft (Hg.)
Bonn, 2016
136 S.
ISBN 978-3-00-052296-3
mit Beiträgen von Ruth Gilberger, Gabriele Oberreuter, Isabel Rith-Magni, Thomas Egelkamp, Guido Meinke und Volker Pohlüke, Olek Witt, Teresa Grünhage, Dorothea Eitel, Reinigungsgesellschaft, Susanne Bosch, Rolf Dennemann, Angela Ljiljanic, André Koernig, Michaela Englert, Amanda Bailey, Anneliese Ostertag, Aude Bertrand, Anne-Katrin Bicher, Gerhard Wolf und Frank Bölter

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diagram by John Szinger

Unsern täglichen Biersud gib uns heute

Eine illegale Bierbrauaktion zur Herstellung von „Dortmunder Schwarzbräu Premium – Selbstgebraut“ zur Wiedererlangung von an die Droge Alkohol abgetretener Verantwortung über die eigene Person

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Als am Samstag, den 01.03.2015 um 9.17 Uhr mit Volker, Guido und André die nötigen 30 Liter Wasser, zwei Hocker und das Braurezept auf dem kleinen Borsigplatz eintreffen, die zwei Braubottiche und der Gasbrenner aufgestellt und in präsentabler Manier zentral auf dem Platz platziert sind, fallen die ersten Sonnenstrahlen aus heiterem Himmel aus allen Wolken. Als dann auch noch Orhan auftaucht, scheint der Tag einen perfekten Verlauf zu nehmen:
Orhan: Ich bin gekommen, um mich zu beschweren.
Frank: Aha?
Orhan: Ich war letzte Woche schon mal beim Verein Machbarschaft Borsig11, da waren Sie aber nicht da. Die haben gesagt, ich soll heute wieder kommen, da könnte ich mich direkt an Sie wenden.
Frank: Ja?
Orhan: Ich habe vor einigen Tagen dieses Plakat hier gesehen und frage mich, wie kann man bloß diesen Leuten hier eine solche Aktion zumuten? Das ist doch zynisch.
Frank: Meinen Sie das Selberbrauen?
Orhan: Ja, wissen Sie denn, wo genau wir hier sind?
Frank: Ziemlich genau. Ich habe da drüben bis vor einigen Wochen gewohnt.
Orhan: Ich wohne auch da drüben die Straße rein.
Frank: Wie schön, dann waren wir ja fast Nachbarn.
Orhan: Ja, aber ich bin ja wegen der Beschwerde hier. Meine Frau war übrigens der gleichen Meinung. Sie arbeitet in der Suchthilfe.
Frank: Welcher Meinung nochmal?
Orhan: Das man so eine Aktion hier auf keinen Fall machen darf.
Frank: Aber warum denn nicht?
Orhan: Weil das völlig falsch ist.
Frank: Was genau?
Orhan: Hier auf dem kleinen Borsigplatz trinken so viele Alkoholiker den ganzen Tag lang ihr Bier. Die liegen dann hier manchmal sogar auf der Erde rum. Da fragen Sie sich, ob die noch leben. Das ist doch tragisch genug. Wissen Sie, wieviel Tragik dahinter steckt? Hinter jedem einzelnen, der hier den ganzen Tag rumsitzt und säuft, stecken Suchtkrankenakten, kaputte Familiengeschichten, gescheiterte Laufbahnen und Offenbarungseide. Und jetzt kommen Sie und wollen denen zeigen, wie man selber Bier braut.
Frank: Genau.
Orhan: Warum denn?
Frank: Ich sehe keinen Unterschied zwischen den Borsigplatz-Leuten und mir. Außer dass ich mich vielleicht mehr fürs Selbermachen interessiere. Also habe ich die Zutaten und ein paar Pötte besorgt und habe ein paar Plakate aufgehängt. Ich hätte auch eine Frage, warum machen Sie das eigentlich nicht? Hier halten Sie kurz die Gerste, ich muss eben …
Orhan: Ich bin hier Lokalpolitiker und habe genug zu tun.
Frank: Ach so!
Orhan: Ja. Und als Politiker muss ich ihnen auch sagen, also so eine Aktion. Ich bin schon jetzt seit Tagen dermaßen wütend und bin froh, dass ich das jetzt loswerden kann. Und meine Frau ist der gleichen Meinung. Ich muss schon sagen, wir haben uns wirklich sehr gewundert über so eine Aktion.
Frank: Hm. Wunder ist schon die passende Bezeichnung für das, was hier stattfindet, würde ich sagen. Aber sagen Sie mal, als Lokalpolitiker suchen Sie doch bestimmt den Kontakt zu den Leuten, damit Sie Gelegenheit bekommen, überhaupt bemerken zu können, was die Leute so umtreibt?
Orhan: Ja, das ist total wichtig. Sonst sind Sie da im falschen Beruf.
Frank: Sind Sie eigentlich nur wegen dieser Aktion heute hier auf den kleinen Borsigplatz gekommen?
Orhan: Ja, ich mache sonst immer einen großen Bogen um diesen Platz.
Frank: Sehen Sie, genau dafür mache ich diese Aktion.
Orhan: Wie meinen Sie das?
Frank: Damit Sie hier mal hinkommen. Genau Sie.
Orhan: Ich. Wieso?
Frank: Meine Aufgabe ist es, Leute zusammenzubringen, die sich sonst niemals begegnen würden. Ich versuche, Situationen wie diese, des gemeinschaftlichen Bierbrauens, zu schaffen, wo Leute zusammenkommen können, die sich sonst eher aus dem Weg gehen. Kommen Sie, ich stelle ihnen mal die Hansa-Export-Truppe da hinten vor.
Orhan: Moment mal. Wissen Sie, auf diesem Plakat, da sind ja zwei Trinker abgebildet. Das ist doch die pure Lust am Saufen, die Sie da abbilden. Da vermitteln Sie doch etwas ganz anderes. Damit erreichen Sie doch nicht die Leute, und mich schon gar nicht.
Frank: Täusche ich mich, oder sind Sie gerade hier?
Orhan: Äh… Ja, stimmt schon, aber…. Meine Frau kommt übrigens auch gerade. Hallo!
Frank: Hallo.
Frau: Hallo.
Orhan: Wir sprechen gerade darüber.
Frau: Ja.
Orhan: Dieser Mann ist der Veranstalter des Bierbrauens.
Frau: Ja. Und was haben Sie sich dabei gedacht?
Frank: Dass man ein Stück weit die an die Sucht abgegebene Verantwortung für die eigenen Person durch die beim Selberbrauen gewonnene Portion Selbstermächtigung zurück gewinnt.
Frau: Aha,… sehr konfrontationstherapeutisch gedacht.
Frank: Sie blicken dem Feind ins Auge.
Frau: Ja.
Frank: Ja.
Frau: Ja.
Frank: Ja.
Frau: Ich hole mal Zigaretten.
Orhan: Ich sehe das Plakat ja immer noch als Aufruf zum Trinken, und weiter nichts.
Frank: Aber wir trinken ja nicht. Wir brauen. Wir sind die einzige Gruppe hier auf dem Borsigplatz, die nicht trinkt.
Orhan: Ja, aber wenn Sie das Plakat betrachten, dann fühlen Sie sich doch zum Trinken ermutigt.
Frank: Ich fühle mich zunächst mal zum Schmunzeln ermutigt.
Orhan: Aber auch durch die Aktion bringen Sie den Leuten den Alkohol nahe.
Frank: Beim Brauen entsteht noch kein Alkohol, erstmal bringe ich den Leuten eine Zuckerlösung nahe. Ist natürlich auch nicht gesund.
Orhan: Aber Sie werben für das freie Trinken.
Frank: Durch das Selberbrauen? Das ist ja erst mal ziemlich unfrei, weil Sie was tun müssen.
Orhan: Ich glaube nicht, dass Ihr Vorhaben funktioniert, die Leute vom Alkohol weg zu bringen, indem Sie ihnen zeigen, wie schön das Selbermachen ist.
Frank: Warum nicht?
Orhan: Kann ich mir einfach nicht vorstellen.
Frank: Da haben Sie etwas mit dem Leiter einer Suchtberatungsstelle in Dortmund gemeinsam. Der konnte sich das auch nicht vorstellen.
Orhan: Sehen Sie!
Frank: Naja, der glaubt das auch nicht – er weiß es aber genauso wenig wie Sie und ich. Er sagt, als Mensch könne er diese Herangehensweise verstehen, durchaus sogar unterstützen. Allerdings als Politiker, der er in seiner Position als Leiter der Suchtberatung auch sein müsse, könne er das nicht unterstützen.
Orhan: Ach so.
Frank: Und genau deswegen gibt’s mich. Ich mache das dann für ihn und für Sie. Als Künstler hat man den schlechten Ruf ja schon verloren, bevor Sie den überhaupt angehängt bekommen. Da lebt es sich bekanntermaßen ganz ungeniert. Dann können Sie auch solche Aktionen machen. Ich betrachte das übrigens als praktische Politik. Ich finde nämlich heraus, ob es nicht doch geht, anstatt zu glauben, es ginge nicht.
Orhan: Ich habe ja den Verdacht, dass es Ihnen nur um die Publicity geht und nichts weiter. Sie benutzen die Schicksale der Schwachen für Ihren persönlichen Gewinn.
Frank: Persönlicher Gewinn? Wenn ich an Publicity interessiert wäre, hätte ich diese Aktion viel größer beworben. Die Presse kommt übrigens auch nicht. Es hängen ausschließlich hier auf dem Platz Plakate, wie Sie vielleicht gesehen haben. Das heißt, ich bin nur an den Leuten hier selbst interessiert und mache mir sogar die Mühe, bei den Adressaten der Aktion ins Wohnzimmer zu klettern. Genau da befinden wir uns nämlich hier. Außerdem bezahle ich diese Aktion selbst bzw. mit Mitteln des Vereins Machbarschaft Borsig11, muss hier den ganzen Tag rumstehen, und bekomme keinen Cent dafür. Dazu kommen noch allerlei interessante Gespräche wie dieses hier. Das meine ich übrigens ernst. Mir gefällt, dass Sie öffentlich aussprechen, was so mancher denkt.
Orhan: Ich muss sagen, diese Aktion ist für mich ein bisschen zu weit links.
Frank: Für welche Partei engagieren Sie sich noch gleich.
Orhan: Die Linke.
Frank: Alles Gute.
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Als das Wasser vom Gasbrenner endlich auf 55 °C Wasser erhitzt ist, betritt endlich Braumeisterin Jana Erlenkamp den kleinen Borsigplatz und kann die geschrotete Gerste in das Wasser einrühren, bevor Wolfgang auftauchen und behaupten kann, im Knast habe er siebeneinhalb Jahre lang auch immer Bier selber gebraut. Er habe zuhause noch das Rezept. Man fragt nach der Möglichkeit, nach seinem Rezept und unter seiner Anleitung gemeinschaftlich das Dortmunder „Knast-Bier-vom Borsigplatz“ zu brauen. Er zeigt sich einverstanden und verspricht, das Rezept vorbeizubringen.
Als der Biersud 70 °C erreicht hat, erscheint Klaus und behauptet, von dieser Aktion des „Dortmunder Schwarzbräu – Selber Brauens“ noch nichts gehört zu haben, allerdings wohne seine Tochter um die Ecke. „Ach?“, staunt Guido Meinke vom Verein Borsig11, um umgehend mit den einladenden Worten: „Dann kannste ja mitbrauen“, zum Mitbrauen einzuladen. Möglicherweise seine Tochter auch?, versucht Guido Meincke mit Geschicklichkeit den Kreis der Brautümler zu vergrößern. „Die mag kein Bier“, stellt Klaus heraus, um sich als Maler und Schauspieler für verschiedene Projekte und Kooperationen ins Gespräch zu bringen. Wir danken für die Information, buchen ihn direkt für die Teilnahme am Bierbrauen und reichen ihm den Braulöffel zum Umrühren des Biersuds. Er beginnt umgehend. Von der Bank gegenüber schallt in leicht bierseliger Manier die Frage: „Wie sieht deine Tochter denn aus?“ an die ungläubigen Ohren der um den heiligen Braualtar versammelten Gemeinde.
Als um 10.27 Uhr Katja und Matthes die Braubühne Borsigplatz betreten, scheint sich jemand aus einer Gruppe Hansa Export trinkender Männer daran zu erinnern, dass Katja und Matthes beim letztmaligen Bierbrauen Brötchen, Griebenschmalz und Butter mitbrachten und macht lauthals seinem Glauben an eine baldige Speisung mit den Worten: „Gleich gibt’s watt zu Essen!“ Luft.
„Erst später“, antwortet Matthes, bevor Unbekannt erwidert: „Später bin ich vielleicht schon tot“. „Das kommt davon, wenn man sein Bier nicht selber braut!“, bricht es aus dem ehemaligen und überraschend unbekümmert den Borsigplatz betretenden Grundschulkameraden des Künstlers, Jürgen Rump heraus. „Ein Wunder“, behauptet der Künstler, der vorgibt, seinen ehemaligen Schulkameraden seit jener Zeit nicht mehr gesehen zu haben. Jürgen Rump zeigt zum Beweis seiner Existenz seinen Ausweis und behauptet als Bauingenieur in der Gegend gerade eine Baustelle zu betreuen. Von der Bau- sei es ja nicht weit zur Braustelle, erklärt dieser, was dem soeben Erschienenen einen großen Lacherfolg beschert. Er wolle also sein Pausenbier hier abholen, fragt Matthes, um sogleich darauf hinzuweisen, dass hier ja nur gebraut und nicht getrunken werde.
Endlich fährt das Ordnungsamt in seinem polizeifarbenen Sprintermodell mit zwei uniformierten Beamten nicht vor, sondern im Schritttempo zweimal um den Borsigplatz herum und in die Wambeler Straße abbiegend langsam am Epizentrum der Weltverbesserungs- und Bekehrungsmaßnahmen, an dem kleinen Borsigplatz vorbei. „Da haben wir ja mal Glück gehabt!“, behauptet jemand der um den heißen Biersud Versammelten. „Warum?“, fragt Vorbrauerin Jana: „Wir brauen doch nur.“ Außerdem sei es schließlich eine Kunstaktion, da sei doch zunächst mal alles erlaubt. Zudem würde man doch brauen – und nicht trinken. „Da haben WIR ja mal Glück gehabt!“, wird von der Gruppe Hansa-Export-Gläubiger mutmaßend korrigiert. Nach diesem Moment größter Erleichterung betreten plötzlich zwei uniformierte Ordnungsbeamte den Bierbrauplatz. Der mit der größten Knasterfahrung und mit einem Ausweis gesegnete Wolfgang zückt diesen reflexartig, um von den staatlichen Autoritäten stehen gelassen und übergangen zu werden.
Ordnungsamt: Was machen Sie hier?
Klaus: Bier.
Ordnungsamt: Warum?
Klaus: Ist billiger.
Frank: Stimmt nicht. Hansa Export gibt’s da drüben im Kiosk für 32 Cent. Das schaffen wir leider nicht. Hier auf der Rechnung stehen 36, 28 €, wenn man die Lieferkosten von 5,10 € noch dazu nimmt und alles durch die 30 Liter Bier teilt, die es mal werden sollen, kommen wir auf 1,38 € pro Liter. Das sind 46 Cent für 0,3 Liter Bier gegenüber den 32 Cent des Hansa Export. Ich habe aber schon bei der Hansa Brauerei angerufen und nach deren Rezept gefragt, damit wir hier demnächst…
Ordnungsamt: Leiten Sie diese Aktion hier?
Frank: Ich habe die Plakate aufgehängt, um zu dieser Aktion hier einzuladen.
Ordnungsamt: Wie heißen Sie?
Frank: Frank.
Ordnungsamt: Nachname?
Frank: Bölter, aber Sie können mich ruhig duzen.
Ordnungsamt: Haben Sie einen Ausweis dabei?
Frank: Den habe ich in Sri Lanka im Hotel abgeben müssen, da wir auch Bier ge….
Ordnungsamt: Ist jetzt nicht so wichtig. Können Sie sich irgendwie ausweisen.
Frank: Nein. Sie?
Ordnungsamt: Wir haben hier unsere Dienstausweise.
Frank: Ich habe hier meinen Arbeitsvertrag. Ich arbeite für den Verein Machbarschaft Borsig11, der diverse Kunstaktionen hier im Viertel zum Wiedererwecken des entschlafenen Nachbarschaftsgeistes unternimmt. In diesem Rahmen ist das Bierbrauen eine Aktion. Wie finden Sie die Plakate, die ich aufgehängt habe? Eine andere Aktion machen wir nächste Wo…
Ordnungsamt: Trinken Sie denn auch Bier während dieser Aktion?
Frank: Nein. Wir brauen nur. Getrunken wird gerade dahinten auf der Bank. Die haben aber mit dieser Aktion hier nichts zu tun. Aber sagen Sie mal, auf dem Borsigplatz wird doch seit über 50 Jahren Bier getrunken. Da kommt das Ordnungsamt doch sonst auch nicht zu Besuch. Warum sind Sie denn ausgerechnet heute hier?
Ordnungsamt: Weil zum ersten Mal jemand angekündigt hat, dass er hier Bier trinken will.
Frank: ☺
Ordnungsamt: Können Sie hier bitte mal Ihre Adresse und Ihre Telefonnummer eintragen. Auf Wiedersehen, wir überprüfen das dann mal.
Volker Pohlüke vom Verein Machbarschaft Borsig11 entgleist mit der Bemerkung, dass man vor lauter interessanten Besuchern gar nicht zur eigentlichen Aufgabe der regionalen Versorgung mit illegalen Kunstaktionen komme. Guido Meinke gleich mit, indem er seine unangebrachte Hoffnung, mit einer Anzeige vom Ordnungsamt viel Publicity erzeugen zu können, in unangemessene Worte kleidet. In diesem Moment brennt der Biersud an und kann nur mühsam rührend vor weiteren Folgeschäden und Anbrennaromen bewahrt werden.
Da kommt Elena zum Borsigplatz und fragt interessiert nach unserer Tätigkeit des unorthodoxen Rumlungerns und seinen Beweggründen. Ihr wird kurzerhand die konsumkritische und gemeinsinnstiftende Bedeutung des Selberbrauens in Zeiten des Massenkonsums, der industriellen Massenproduktion und des Umweltkollapses auf zentralen Plätzen dieser unbewussten Menschenmassensteuerung erklärt.
Sie zählt kurzerhand, dass offenbar lokal nur acht Personen zu dieser weltanschaulichen Weltbewegung bereit wären, um schließlich festzustellen, dass es sich trotzdem lohnen würde, auch wenn die Aktion 200.000,- € koste, da es sich dabei schließlich um eine fundamentale Veränderung im Bewusstsein des Menschen, im Selbstverständnis, und eben nicht nur auf der Handlungsebene, handeln würde. Der Grundschulkollege Jürgen Rump macht die abschließende Abrechnung mit allem auf und behauptet: „Wenn die Veränderung des Bewusstseins von acht Menschen 200.000,- € kostet bei einer Bevölkerungszahl von knapp 55.000 Menschen in der Dortmunder Nordstadt, würde die Bewusstseinsveränderung der gesamten Dortmunder Nordstadt exakt 11 Milliarden € kosten. Das entspräche doch exakt dem Betrag der EU-Finanzspritzen, die Griechenland in den letzten Jahren erhalten habe. Da könne man doch besser die Dortmunder Nordstadt verändern als Griechenland, so der ehemalige Grundschüler Rump in seiner mehr als anschaulichen Analyse. Elena beendet diesen völlig wirklichkeitsnahen und deswegen komplett uninteressanten Dialog mit der erbosten Bemerkung: „Ich bin Griechin!“.

Rezept Dortmunder Schwarzbräu Premium – Selber Brauen:
Zutaten für 27-28 Liter
Malz
5,5 kg Malz
0,65 kg Dortmunder Malz Typ I
0,21 kg Röstmalz Typ II
Hopfen
Bitterhopfen 15%
12 gr Northern Brewer
18 gr Tettnanger 4,4 % Ako
12 gr Tettnanger MA Hopfen
Hefe
11,5 gr Hefe W3470
Wasser
25 l Hauptguss
15 l Nachguss

DortmunderSchwarzbräuPremiumPlakat

Wir sind das Brot

– Eine Achtsamkeitsübung gegenüber Lebensmitteln, unserer Umwelt, der Gemeinschaft und uns selbst –

DieGabeModellsw

Innerhalb eines workshops in der St. Paul-Kirche in München wurden von Kindern und Jugendlichen des Viertels gemeinschaftlich 2 überlebensgroße Brote aus Papier gefaltet und in einer „Prozession“ von der St. Paul-Kirche ausgehend durch die Ludwigsvorstadt über die Theresienwiese getragen, um anschließend in der St. Paul-Kirche ab- und zusammen mit einer Videodokumentation der Gemeinschaftsaktion im Rahmen der Ausstellung „Die Gabe“ ausgestellt zu werden.

WirSindDasBrot1
Wir sind das Brot, 2015, Papier, je 720 x 150 x 140 cm, St. Paul München

to the world´s end

(…) Als ich am 14.01.2015 in Sri Lanka mit meinem Papierschiff in einem Haufen Plastikmüll an den Strand gespült wurde, musste ich mir überlegen wie die Reise weitergehen sollte. An einem Strand, der inzwischen den westlichen Surfern gehört, die dort ihre Wintermonate auf einem Surfbrett verbringen, trifft man nur in den frühen Morgenstunden auf die Fischer, denen der Strand wohl ursprünglich gehörte. So saß ich jeden morgen ab 4.30 Uhr in der Fischerhütte und versuchte den Fischern mit Händen und Füßen und einem kleinen Modell eines Papierschiffes zu erklären, dass sie mir helfen müssen, ein weiteres Papierschiff zu falten, damit ich meine Rückreise nach Deutschland antreten könne. Am 4. Tag holten sie endlich einen Cousin von Babbi, einem der Fischer von Hikkaduwa, der ein bisschen english spricht. Nach weiteren 3 Tagen in der Fischerhütte erklärten sie sich bereit, mir zu helfen. So falteten wir am nächsten Sonntag gemeinsam mit Fischern und Surfern ein 9 m langes Papierschiff. Die Fischer sorgten sich gemeinsam mit den Surfern um die Stabilität des fragilen Vehikels. Damit das Schiff die 8 m hohen Wellen am Strand von Hikkaduwa übersteht, schickten sie einen von ihnen in den Dschungel, um Bambusstäbe zu schlagen, die anschließend in die Bordwände eingefaltet wurden. Jemand anderes brachte Styropor zu Stabilisierung des Bodens. Ein Dritter besorgte ein paar Latten und Sisalseile, um ein Gerüst in die Faltungen einzuschlagen. So konnte die Reise weitergehen (…)

(…) When I washed up on the beach in Sri Lanka on 14.01.2015 with my paper boat in a pile of plastic rubbish, I had to think about how to continue the journey. On a beach that now belongs to western surfers who spend their winter months there on a surfboard, you only meet the fishermen, who probably originally owned the beach, in the early morning hours. So every morning from 4.30 a.m. I sat in the fishermen’s hut and tried to explain to the fishermen with my hands and feet and a small model of a paper ship that they had to help me fold another paper ship so that I could start my journey back to Germany. On the 4th day they finally got a cousin of Babbi, one of the fishermen of Hikkaduwa, who speaks a little English. After another 3 days in the fishing hut, they agreed to help me. So the next Sunday we folded a 9 m long paper boat together with fishermen and surfers. The fishermen, together with the surfers, were concerned about the stability of the fragile vehicle. In order for the ship to survive the 8 m high waves on the beach of Hikkaduwa, they sent one of them into the jungle to beat bamboo sticks, which were then folded into the sides of the ship. Someone else brought styrofoam to stabilise the floor. A third got some slats and sisal ropes to hammer a scaffold into the folds. So the journey could continue (…)

 

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Coastal Currents 2014

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Coastal Currents 2014

 

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