Refugee Origami Camp Detmold
Wie sieht die Gesellschaft von morgen aus? Und wie können wir gemeinschaftlich zum Gelingen der großen Aufgabe ‘Integration’ beitragen?
Geben wir diesen großen Fragen mal anders Gewicht und ihnen in Form eines Camps aus überdimensionierten, recyblebaren, gefalteten Papierhäusern, an dem jeder mitarbeiten kann, ein entsprechendes Gesicht.
RefugeeOrigamiCampDetmold (ROCD) wird ab Montag, dem 9. Mai gemeinschaftlich im Zentrum von Detmold von seinen Bewohnern selbst und anderen Freiwilligen errichtet – Im weiteren Verlauf finden diverse Workshops und Labore zur Herstellung von Lebensmitteln im Bierbrauen, Brotbacken und im Backen von Schwarzwälderkirschtorte etc wie zur Eigenproduktion von Kleidung und Möbelbau statt.
Die hergestellten Produkte werden am Camp “direktverkauft”, die Einnahmen werden zum weiteren Aufbau eines Programms der Refugee – Selbstversorgung und Eigenproduktion in Detmold verwendet.
Wir suchen Hobbybrauer zum Brauen von Refugeebeer und Feinbrötchenbäcker zum Backen von Brot aus echtem Flüchtlingsschrot und -korn, Nählaien und Lakaien zur Produktion von Allwetterhosen und Starkregenjacken, die jedem Wetter trotzen.
Spenden von Mehl, Salz, Wasser und anderen Grundnahrungsmitteln sind genauso erwünscht, wie bürgerschaftliches Engagement zum Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung, die jeden mit Freiheit zur Selbstentfaltung und Hilfsbereitschaft versorgt.
Freiwilliges Engagement, zur Verfügung stellen von Know-how, wie Spenden von Lebensmitteln und Stühlen, Tischen und Matratzen werden gerne genommen.
RefugeeOrigamiCampDetmold ist der Modellversuch einer selbstvermächtigten und ethnienübergreifenden Selbstversorger- wie Solidargemeinschaft und erprobt das fragile wie notwendige Gesellschaftsbild der natürlichen wie selbstverständlichen integration einer Gesellschaft im Wandel.
Chronik RefugeeOrigamiCampDETMOLD
Montag, 09.05.2016
11.30 Uhr Vorbereiten der 8 x 8 Meter großen Papierfläche im „Café Welcome“ des Flüchtlingsheims in der Adenauerstraße. Sofort kommen Mischa und Farouk und viele andere Kinder. Sie fragen: „Was Du machen?“ Ich erkläre mit „Händen und Füßen“, dass ich gerne mit Ihnen ein lebensgroßes Origami-Haus falten möchte. Das wird nicht verstanden, daher zeige ich Ihnen eine Faltanleitung eines Origami-Modells. Auch das ist anscheinend zu abstrakt für die kleinen Kinder. Ich versuche Ihnen mit einer auf der Theke des Cafés herumliegenden Serviette zu erläutern, wie man ein Haus faltet. „Ich helfen“, „ich helfen“, „ich helfen“, „nein, ich helfen“, ruft es vor lauter Begeisterung aus vielen Mündern.
13.22 Uhr Die große Papierfläche ist geklebt. Um etwas zu verschnaufen, setze ich mich auf den einzigen noch freien Stuhl im Hof des „Café Welcome“. Ich stelle mich meinen Sitznachbarn vor. Hassan erzählt, dass er in Aserbaidschan als Architekt und Designer gearbeitet hat. Ich frage ihn, ob er sich vorstellen könnte, beim gemeinschaftlichen Hausfalten mitzuarbeiten. Er fordert Holz und Schrauben. Der Baumarkt sei nicht weit. Ich fahre sofort los, um das angeforderte Material zu besorgen.
Als ich nach 20 Minuten zurückkomme, haben die vielen Kinder – die allermeisten aus arabischen Ländern, bereits etliche Falten und Knicke in das Papier gemacht. Auf meine Frage: „Was ist das?“, antworten sie einstimmig und voller Lebensfreude: „Da Haus“. Den Impuls der Kinder aufnehmend wird mit allen Kindern und dem großen Papierknäuel einfach weiter gefaltet. Es ist kaum vorstellbar, dass aus diesem Papierhaufen noch ein Haus werden soll. Aber was sollen wir tun? „Falten Haus!“ ruft Mischa. Das Haus wird wohl krumm und schief werden, wenn es überhaupt nach einem Haus aussieht. Ich muss mir klar machen, das es weniger um das Objekt „Haus“ geht, als um das Gründen einer Gemeinschaft, die das Unmögliche möglich macht: Ohne sich mündlich verständlich machen zu können, können wir jedoch zumindest versuchen, die gemeinsame Sprache „Origami“ zu sprechen. Hassan macht sich sofort an den Gerüstbau. Die Kinder fragen nach Stiften zum Bemalen der Hauswände. Ich fahre sofort los, um das angeforderte Werkzeug zu besorgen.
17.10 Uhr Als das Haus tatsächlich fertig vor uns steht, kann ich kaum glauben, was wir da gemeinsam geschafft haben. Das Gerüst, das der unermüdliche Hassan schnell und stabil aus Dachlatten gebaut hat, passt auch noch so dermaßen exakt in das Papierhaus, das es sich fast wie ein Wunder anfühlt. Die Kinder wollen sofort Fenster und Türen hineinschneiden. Der Cutter ist allerdings verschwunden. Alle Stifte sind auch weg.
Als Mischa, Farouk und die vielen andere Kinder in das Papierhaus krabbeln, werden sie von einem uniformierten Securityguard angeherrscht und zurecht gewiesen. Ich bremse den Aufseher und behaupte, es sei doch schön, wenn die Kinder mit und in dem Haus spielen – es sei ja schließlich ihr Haus.
18.52 Uhr Man verabredet für morgen, ein weiteres Haus zu falten. Abends kann ich vor Freude über die kindliche Begeisterung kaum einschlafen.
Dienstag, 10.05.2016
11.30 Uhr Es wird erneut eine den gesamten Platz vor dem Café Welcome füllende Papierfläche geklebt. Die Kinder haben schon gewartet, nehmen sich sofort der Heißluftpistolen an, um die Papierbahnen aneinander zu schweißen. Ich befürchte, dass sich die Kinder dabei verletzen; ist die Luft zum Verschweißen der einzelnen Milchkartonbahnen doch sehr heiß. Allerdings gehen sie so geschickt und sicher mit dem Werkzeug um, das jeder sowieso unmögliche Versuch, den Umgang mit dem Werkzeug mündlich zu erklären, überflüssig erscheint. „Ich“, „Ich“, „Ich“, „Ich“ schallt es aus allen Mündern, um dem Wunsch, den Heißluftfön zu übernehmen, Ausdruck zu verleihen.
12.18 Uhr Farouk hat sich am Papier geschnitten. Er blutet am Zeigefinger. Ich gehe mit ihm zum Sanitäter des Arbeiter Samariter Bundes. Der Finger wird mit einem Pflaster geschützt. Farouk lächelt wieder.
13.47 Uhr Hassan nimmt sich wie selbstverständlich des Gerüstbaus an. In Windeseile steht das Gerüst, nur die Kinder sind mit dem Hausfalten schneller. Um sie zu beschäftigen, verteile ich Stifte, sie bemalen hochkonzentriert und in stiller Versunkenheit die Papierwände. Herzen und Blumen sind die Lieblingsmotive. Ich bin gerührt von soviel Herzlichkeit und Zuversicht. Die Erwachsenen sitzen am Rand und schauen den Kindern dabei zu.
18.40 Uhr Abtransport des zweiten Hauses. Die Kinder wollen es behalten und geben es nur unter der Bedingung heraus, dass morgen ein neues Haus gefaltet wird. Hassan erwähnt, dass er sich ein Fahrrad wünsche, mit dem er die Gegend erkunden kann.
Mittwoch, 11.05.2016
10.27 Uhr Falten des nächsten Papierhauses. Alles wie immer. Die Kinder wieder nicht zu bremsen und versprühen pure Lebensfreude. Die Erwachsenen schauen dabei allerdings nur zu. Außer Hassan, der unermüdlich mit Gerüstbau beschäftig ist, ist nur gelegentlich jemand bereit, mal eine Dachlatte zu halten. Als ich frage, warum er soviel Leistungsbereitschaft zeigt, sagt er, dass er die Langeweile im Flüchtlingsheim kaum aushält. Auf meine Frage, warum die anderen Erwachsenen, seiner Meinung nach, nicht mithelfen, weiß er zunächst auch keine Antwort. Dann erklärt er, dass Kriegs- und Fluchterfahrungen eine Beteiligung bestimmt schwierig machen. Es trübe die Freude am Leben. Außerdem sei man hier in einer schwierigen Situation: „Alle warten darauf, dass das Leben anfängt.“
12.35 Uhr Einige Erwachsene Geflüchtete laden uns zum Essen ein. Sie bestehen darauf, das wir die lange Schlange der Wartenden vor der Essensausgabe überholen – alle wollen uns vorlassen. Wir lehnen dankend ab. Auch die Security will uns an der Schlange vorbei „schleusen“. Wir bestehen auf das Warten.
12.55 Uhr Als wir zum Essen Platz nehmen, nehmen unsere Nachbarn unseren Getränkebecher und wollen uns Orangensaft holen. Alle 2 Minuten werden Assistant Pauli und ich mit Händen, Füßen und sehr freundlichen Gesten gefragt, ob wir noch etwas zu trinken wollen. Wir lehnen dankend ab und fragen, ob wir unsererseits ihnen noch Getränke holen können. Man lehnt ebenfalls dankend ab.
13.20 Uhr Ich fahre mit Hassen sämtliche Fahrradläden in Detmold ab, um ein „second hand-Bike“ zu besorgen. Wir finden schließlich eines in der Fundgrube. Ich hoffe, Hassan eine Freude gemacht zu haben.
16.10 Uhr Es tauchen Probleme auf beim Versuch, das Gerüst unter die gefaltete Papierhülle zu klemmen. Ahmed, Sherwan, Mohammed und drei weitere Erwachsene Männer packen schließlich doch mit an.
18.56 Uhr Das Papierhaus wird gemeinschaftlich geschultert und in einer Prozession durch das Stadtzentrum von Detmold zum Theaterplatz getragen.
Donnerstag, 12.05.2016
10.12 Uhr Aufhängen von Plakaten im Café Welcome und im Kindergarten des Flüchtlingsheims: Einladung zum Hausfalten auf dem Theaterplatz ab 14 Uhr.
Wird jemand um 14 Uhr zum Theaterplatz kommen? In Gesprächen mit Mitarbeitern des Arbeiter Samariter Bundes, die den Geflüchteten in der Adenauerstraße betreuen, erklärt man, man freue sich über das Angebot im Rahmen des Straßentheaterfestivals, vor allem die Kinder hätten ihre Freude gehabt. Man glaube allerdings nicht daran, das es gelänge, die Bewohner des Heimes in die Stadt zu locken.
14.27 Uhr 45 Kinder des Kindergartens des Flüchtlingsheimes kommen mit ihren ErzieherInnen Ellina, Anna und Joelle zum Theaterplatz und wollen sofort anfangen, kleine Papierhäuser zu falten. Völlig überfordert von so vielen Stimmen und Sprachen fordere ich Verstärkung beim Festivalteam an. Sofort kommen Marvin und Pirko, schneiden Papier, um die Kinder damit zu versorgen.
16.08 Uhr Der Prinz Stephan zur Lippe lässt über die Mitarbeiterin des Bauamtes, Frau Reue, ausrichten, das die Kinder von der Grünfläche des Schlossparks verschwinden müssen: „Also mit dem Camp auf dem benachbarten Theaterplatz hat der Prinz ja keine Probleme. Das aber jetzt auf dem Teil des Parks, der zum Schloss gehöre, die Aktion mit den Flüchtlingskindern stattfindet, das stößt auf und kommt nicht gut an.“ Ich erkläre, ich könne leider nicht auf jeden dahergelaufenen Prinzen Rücksicht nehmen. Es gäbe hier mit der aktiven Integrationsarbeit gerade Wichtigeres zu tun.
Nach 3 Stunden gehen alle Kinder mit einem Papierhaus auf dem Kopf nach Hause. Ob morgen die Erwachsenen kommen?
17.35 Uhr Hassan kommt mit seiner Freundin Jewgenia zum Theaterplatz. Er bittet um Unterstützung beim Versuch, einen „Transfer“ in ein Flüchtlingsheim nach Bielefeld zu bekommen, da Jewgenia dort lebe. Wir verabreden uns für einen Besuch bei der Heimleitung für morgen, 9 Uhr.
Freitag, 13.05.2016
Ich spreche mit Ali im Büro der Heimleitung über Hasan und Möglichkeiten eines Transfers nach Bielefeld. Dort erklärt man, das Flüchtlingsheim in Bielefeld sei derzeit voll. Sobald dort ein Platz frei werde, werde man Hassan dort hin vermitteln.
Jürgen Niestrath spendet ein Fahrrad für das Flüchtlingsheim und bietet einen Trommel-workshop an. Ich verspreche, mich darum zu kümmern.
12.10 Uhr Verabredung mit Jürgen Niestrath, dass Hassan sein second-hand-Fahrrad zu ihm in die Werkstatt bringt, um es dort reparieren zu lassen.
Installation der Fotos des Origami-workshops in den Falthäusern auf dem Theaterplatz. Etliche Gespräche mit Passanten über den Sinn und Unsinn der Faltübungen mit den vielen geflüchteten Kindern im Detmolder Flüchtlingsheim. Überwiegend große Anteilnahme und Unterstützung dieser Art der Gründung von Gemeinschaften und der Verknüpfung der unterschiedlichen Lebenswelten. Wenige Flaneure fragen, wann das RefugeeOrigamiCampDetmold endlich beginne. Es wird jeweils geantwortet, dass entscheide jeder selbst mit einem Beitrag zur Bewältigung der großen Aufgabe, die da allgemein „Integration“ genannt werde. Das Projekt „RefugeeOrigamiCamp“ sei damit jeder selbst.
19.22 Uhr Einige der am Origami-workshop beteiligten Kinder kommen zum Theaterplatz. Wir betreten die seid heute geöffneten Papierhäuser. Sie freuen sich sichtlich, sich auf den Fotos wieder zu erkennen und fotografieren sich mit den Handys ihrer Eltern, die ebenfalls fröhlich und ein bisschen stolz auf ihre Kinder zu sein scheinen. Wir verabreden uns für morgen gegen 14 Uhr zum Falten eines weiteren Papierhauses.
19.47 Uhr Bakhary kommt zum Camp und fragt nach, ob er morgen für das Camp kochen könne? Ich behaupte hocherfreut, man habe nur auf ihn gewartet.
19.53 Uhr Anruf von Jana Erlenkamp. Sie habe von dem Projekt gehört und würde gerne „RefugeeMet“ brauen. Ich behaupte, man habe nur auf sie gewartet.
20.09 Uhr Dietmar kommt zum Camp. Er erklärt, er sei unter dem Namen LamaSan ambitionierter Hobbybrauer und habe gerade Maische angesetzt. Es sei doch eine gute Idee, morgen hier einen Biersud anzusetzen. Ich behaupte, man habe nur auf ihn gewartet.
Samstag, 14.05.2016
Es befindet sich ein neues Sofa im RefugeeOrigamiCamp. Frank Kirschlager hat ein Sofa gespendet. Uwe Windmeier bringt drei Klappfahrräder für das Flüchtlingsheim.
9.40 Uhr Aufbau des Gasgrills für Bakhary.
10.46 Uhr Aufstellen des Zeltes wegen der schlechten Wetterprognose.
10.52 Uhr Sarah aus Syrien bringt ein Rezept für Fladenbrot zum Camp.
11.00 Uhr Mike Biere bringt den Backofen wie verabredet, erklärt kurz dessen Bedienung und erzählt, dass er einem Geflüchteten aus der Adenauerstraße vor einigen Monaten einen Praktikumsplatz in seiner Bäckerei verschafft hat, der nun aufgrund der guten Erfahrungen und der guten Zusammenarbeit tatsächlich bei ihm eine Ausbildung zum Bäcker beginne. Es entwickelt sich ein sensibles Gespräch die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik und die Flüchtlingspolitik ihrer Regierung betreffend. Gemeinsam vermissen wir ein vollständiges Übertragen der Verantwortung von der politischen Elite auf die Bevölkerung. Von der politischen Klasse werde an der Verantwortung festgehalten, anstatt offen der Gesellschaft und Einzelpersonen die Verantwortung komplett zu übertragen. So entstünden Ohnmacht und Verantwortungslosigkeit bei Personen, die sich sonst aktiver zeigen würden. Die Regierung ermächtige sich damit ausschließlich selbst und niemanden sonst.
12.18 Uhr Erda aus Bielefeld kommt zum Camp. Sie habe im Internet von diesem Projekt erfahren und wolle sich engagieren. Sie könne sich vorstellen, Brot zu backen. Wir holen die gestern gespendeten Zutaten: Mehl, Salz, Gewürze etc.
12.24 Uhr Weitere Zutaten werden zum Camp gebracht. Man versorgt uns mit weiteren 2,5 Kg Mehl und etlichen Hefewürfel.
13.05 Uhr Bakhary kommt zum Camp, er freue sich über die rege Beteiligung und erzählt, er könne heute leider nicht bleiben, da die Mutter seiner beiden Kinder erkrankt sei. Er würde morgen kommen und afrikanisch kochen.
13.38 Uhr Jana Erlenkamp kommt mit einem Met-Braukitt zum Camp, fragt nach einem Gasofen und nach 6 KG Honig, zum Ansetzen des Medsuds. Ich fahre schnell zum nächsten Markt, bezahle von eingegangenen Spendengeldern den Honig, als die Kassiererin viel Erfolg beim RefugeeOrigamiCamp wünscht, sie habe mich in der Zeitung gesehen und sei gerührt von dem Vorhaben. Ich bedanke mich für die guten Wünsche. Wieder im Camp angekommen hat bereits jemand einen 20 Liter Kochtopf zum Ansetzen des Metsuds gespendet.
14.12 Uhr Viele Leute kümmern sich selbständig um das Backen des Fladenbrotes, auch die Bedienung des Ofens scheint kein Problem zu sein. Ebenso viele Leute beteiligen sich am Zubereiten des Brotteigs. Ich freue mich darüber, überflüssig zu sein und bereite mit Pauli und Hassan die große Papierfläche zum Falten eines Riesenpapierschiffes vor.
14.15 Uhr Dietmar kommt zum Theaterplatz. Er habe alles zum Bierbrauen einer „Großen imperialistischen Suppe“ dabei und macht sich sogleich ans Werk. Schnell wird ein Tisch besorgt, Strom für das Erhitzen des Biersuds gelegt und los geht’s.
14.28 Uhr Einige Leute fragen, wann endlich das große Papierschiff gefaltet werde. Ich vertröste sie auf später, bis der Regen aufhört. Als ich kurz in die Stadthalle gehe, höre ich das Gerücht, dass der Bürgermeister Detmolds womöglich Interesse an einer Papierschifffahrt haben könne. Wenn Prinz zu Lippe kein Interesse habe, könne man doch Bürgermeister Rainer Heller fragen, gebe ich zurück.
14.58 Uhr Falten des Riesenpapierschiffes. Mit jedem Faltschritt wird die Gruppe der Beteiligten größer. Sara kennt jeden Faltschritt und weiß immer, was als nächstes zu tun ist. Bernhard hat eine gute Idee beim Auseinanderziehen des Schiffes – ein sensibler Moment, in dem auch schon mal das Papier reißen kann. Es klappt aber problemlos. Schließlich sind viele Kinder begeistert damit beschäftigt, den Schiffsrumpf zu bemalen, während die Erwachsenen versuchen, das fragile Vehikel in Form zu bringen.
16.17 Uhr Es beginnt heftig zu regnen. Eine 20 cm tiefe Pfütze steht im Papierboot. Es scheint dicht zu sein!
17.40 Uhr Bürgermeister Rainer Heller erscheint zum verabredeten Stapellauf. Das schlechte Wetter hat die Anzahl der beteiligten Menschen etwa halbiert. Als wir das Papierschiff zum Schlossteich bringen, schließen sich doch wieder viele an. Manche kommen neu hinzu. Sie hätten von der Idee des untergehenden Bürgermeisters gehört, geben sie schmunzelnd vor.
17.48 Uhr Stapellauf. Alles läuft wie geplant. Allerdings geht Bürgermeister Rainer Heller, nicht wie verabredet mit dem Papierschiff unter. Dafür scheint es zu stabil und wasserdicht zu sein.
18.43 Uhr Das Papierschiff wird nach der Fahrt auf dem Schlossteich neben diesem platziert.
Sonntag, 15.05.2016
8.40 Uhr Anruf. Im Gespräch mit Prinz Stephan zur Lippe schlägt dieser vor, eine Gruppe von Flüchtlingen aus der Einrichtung an der Adenauerstraße durch sein Schloss zu führen. Ein Termin müsse noch vereinbart werden. Im Gegenzug wird ihm eine Führung durch das Flüchtlingsheim Adenauerstraße angeboten.
9.20 Uhr Eines der gestern gespendeten Klappfahrräder fehlt…
11.05 Uhr Bakhary kommt mit Freunden zum Camp. Er fragt nach einem weiteren Gaskocher. Der wird schnell von Carsten gebracht, der seine Telefonnummer hinterlassen für den Fall, dass es irgendwo brennt.
12.38 Uhr Die Afrikanische Küche ist eingerichtet. Das RefugeeOrigamiCampDetmold füllt sich zusehens. Die Gäste machen es sich mit ihrem Essen in den Papierhäusern gemütlich, damit es regnen kann.
13.05 Uhr Erda kommt zum Camp, sie möchte weiter syrisches Fladenbrot, heute allerdings in westfälischer Brötchenform backen. Hocherfreut über die interessante Mischung von Menschen unterschiedlichster Herkunft mach sie sich ans Werk.
13.57 Uhr Viele Leute fragen nach Stiften, um die wenigen noch freien Stellen auf und in den Papierhäusern mit politischen Botschaften und anderen Anliegen zu füllen, unter anderem steht auf einem der ganz kleinen Häuser: „God bless everyone, who goes in and out of this house“. Immer wieder sieht man jemanden, der ein Papierhaus auf dem Kopf durch die Stadt trägt.
14.17 Uhr Pedro kommt zum Camp. Er habe früher ein Fahrradgeschäft hier in Detmold gehabt, möglicherweise ließe sich nach dem Camp mal über eine Möglichkeit der Einrichtung einer Reparaturwerkstatt sprechen.
15.32 Uhr Wir beginnen mit dem Falten eines lebensgroßen Papierpanzers, werden immer wieder zu einer Regenpause, die mit afrikanischem Essen und Gunpowder tea gefüllt wird, gezwungen
17.28 Uhr Der Papierpanzer ist fertig. Es versammeln sich schnell Passanten und Flaneure um das Vehikel, als ein Sanitätswagen des roten Kreuzes bittet, mal eben den Papierpanzer weg zu fahren, da man damit die Feuerwehreinfahrt zum Festivalgelände blockiere. Der Panzer wird daraufhin gemeinschaftlich im Schlosspark vor dem Schloss des Prinzen zur Lippe installiert. Jemand dreht den Geschoßlauf weg vom Portal des Schlosses zur Lippe, ein anderer dreht es wieder an die ursprüngliche Stelle.
17.34 Uhr Jemand berichtet von der aktuellen Ausstellung des Künstlers Christoph Brech im Schloss, in der sich zwei Panzer Rohr an Rohr gegenüber stehen. Diese werden nun vom einem Papiertieger bedroht…
Montag, 16.05.2016
10.07 Uhr Mir kommt der Gedanke, Hassan mit der Leitung des RefugeeOrigamiCampDetmold zu betrauen…
12.13 Uhr Die Köche aus dem Senegal, Gambia und Kongo treffen ein. Sie bereiten in Windeseile den Gunpowder tea zu. Die Gaskocher werden angeworfen, die Zutaten geschnitten und zubereitet. Viele Altdetmolder nehmen das exotische kulinarische Angebot an und spenden Geld für die Köche. Mich beschleicht zum wiederholten Male das Gefühl, überflüssig zu sein.
12.41 Uhr Erda kommt erneut zum Camp, ernimmt sofort das Zubereiten Fladenbrotteiges. Erneut werde ich nicht gebraucht.
14.38 Uhr Ich stelle dem Kulturteam Detmold als Veranstalter des Festivals „Bildstörung“ Hassan Soleymani als neuen Leiter des RefugeeOrigamiCampDetmold vor. Man gratuliert ihm allseits erfreut, ist aber wenig überrascht, hat Hassan doch bereits durch seinen Einsatz die heimliche Leitung des Camps übernommen.
15.18 Uhr Ich verabschiede mich von Hassan. Jeder bedankt sich beim anderen für dieses so ungewöhnliche wie einfache Gründen einer Gemeinschaft, die weit über das Flüchtlingsheim Adenauerstraße hinaus Menschen mit ange- wie einbezogen hat. Bei uns beiden kullern ein paar Tränen die kuturell, religiös und zivilisatorisch so unterschiedlich geprägten Wangen hinunter …