
Signing Academy/Academic Square
Temporäre Installation – dauerhafte Installation
Ausstellungsraum I, Kunstakademie Münster | 2004
Signing Academy | temporäre Installation | Gravur im Estrich | 01. November – 27. Dezember 2004
Academic Square | dauerhafte Installation – Kunst am Bau | ab 27. Dezember 2004
›Signing Academy/Academic Square‹ konkretisiert die Arbeitssituation der Studenten an der ‚neuen’ Kunstakademie Münster anhand eines installativen Eingriffs in den Neubau und gilt als monumentalarchitekturkritische Geste über den Präzidenzfall hinaus. Der Neubau der Kunstakademie Münster wurde mit dem Ziel ausgerufen, eine auf die zeitgemäß hohen Ansprüche der Kunststudenten zugeschnittene Ausbildungsstätte zu schaffen. Nach der Fertigstellung im Jahre 2000 intendierten der Verwaltungsapparat und die bürokratischen Ordnungskräfte ein Klima der Gebäudekonservierung, das zu Blockaden beim kunststudentischen Arbeiten und Forschen und zu Problemen bei der erforderlichen Inbesitzname des Instituts durch die Zielgruppe „Kunststudenten“ führte. Maßgebliche Beschneidungen der Studenten und ihrer Möglichkeiten durch eine Überpräsenz zeitgenössischer Architektur und daraus resultierender hausordentlicher Verhaltensregeln und Verbote erschwerten den Studenten einen Zugang zu adäquaten Handlungsfreiräumen im europaweit einzigen extra für Kunststudenten konzipierten Bauwerk. Der § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, der die Werke von Architekten als Werke der Baukunst schützt, steht der freien, kunstakademischen Nutzbarkeit des Gebäudes gegenüber. So durften sich beispielsweise Dozenten und Studenten der Faches Malerei über ein äußerst auffälliges, grobmaschiges Fugenmuster des Mauerwerks in allen Klassenräumen wundern, was eine sensible Präsentation im kleinen Format mindestens erschwert. Für Hängungen durften keine Nägel benutzt werden, stattdessen wurden Galerieschienensysteme installiert. Speziell die für Examenspräsentationen konzipierten Ausstellungsräume A1 und A2 sind durch die Ausstattungselemente der Lichtanlage, sichtbarer Stromleitungen und gebäudestrukturbedingtem Lärm umfassend gestört. Eine bis zur Präsentation von ›Signing Academy‹ hinter vorgehaltener Hand geführte Diskussion unter Studenten und Professoren wurde durch die handschriftliche „Signatur der Kunstakademie“ und Gravur im Estrich bei gleichzeitigem Geständnis öffentlich. Vor dem Hintergrund des Studiums der ‚Unfreien Kunst’ entstand die exemplarische Arbeit ›Signing Academy‹, die als kunstkommunikatives und architekturkritisches Statement zu ›Academic Square‹ führte.
Protokoll:
Montag, 01. November 2004 (Allerheiligen):
Hängung der Malereien im Ausstellungsraum A1, dem Präsentationsraum für Examen der Kunstakademie Münster. Über Nacht: heimliche Gravur in den Estrich des Ausstellungsraumes.
Dienstag, 02. November 2004, 12:00 Uhr:
Examensprüfung der Arbeit ›En passant‹. Prüfer sind Prof. Gunther Keusen, Prof. Michael van Ofen, Prof. Dr. Raimund Stecker. Ergebnis: erfolgreich bestanden.
19:30 Uhr: Eröffnung der Examensausstellung ›En passant‹ von Frank Bölter im Ausstellungsraum 1 der Kunstakademie Münster, Leonardo-Campus 2, 48148 Münster
Mittwoch, 03. November 2004, 14:35 Uhr:
D. Burgholz (Leiter des Ausstellungsbüros der Kunstakademie) ruft an. Er sei soeben im Ausstellungsraum gewesen, ich solle mich umgehend beim Kanzler der Akademie, Herrn Frank Bartsch, melden, damit dieser „nichts macht“, denn der sei stinksauer. Herr Burgholz bemerkt des Weiteren, dass er zu dieser Sache nichts sagen müsse.
14:38 Uhr: telefonische Anmeldung bei Herrn Bartsch, Verabredung für 15:30 Uhr.
15:45 Uhr: Herr Bartsch eröffnet das Gespräch mit der Frage: „Was haben Sie sich dabei gedacht?“ Ich verweise auf den Anspruch des Künstlers, Kunst zu schaffen. Der Frage, inwiefern diese Aktion etwas mit dem Haus zu tun habe, begegne ich mit der Absicht einer künstlerischen „Erfrischung der Akademie“. Herr Bartsch fragt, warum ich vorher keine Erlaubnis eingeholt hätte, es gebe doch schließlich andere Möglichkeiten und gibt zu Bedenken, dass mit dieser „Erfrischung“ eine Sachbeschädigung einhergehe, auf die eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren steht, abgesehen von den Reparaturkosten, die sich auf eine Summe zwischen 6.000 und 8.000,- Euro, vielleicht auch 11.000,- Euro belaufen dürfte, da im vorliegenden Falle eher der gesamte Estrich der Akademie neu ausgegossen werden müsse. Auf meinen Einwand, dass es sich bei diesem Eingriff um Kunst handele und wir uns in der Kunsta- kademie befänden, entgegnet Herr Bartsch, dass Kunst bei Sachbeschädigung aufhöre und ich doch auch einmal an meine Karriere denken müsse. Ich betone, selbstverständlich ständig an meine Karriere zu denken, mir allerdings bei der Frage, ob Sachbeschädigung Kunst ausschließe, nicht so sicher sei wie er. Meinem Vorschlag, den Schaden selbst zu beheben, um eine möglichst rasche Beseitigung „der Störung“ zu ermöglichen und die Materialkosten für diese Arbeit so gering wie möglich zu halten, erwidert Herr Bartsch, dass bei einem solchen Schaden der Eigentümer des Gebäudes, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB), über das weitere Verfahren zu entscheiden habe. Er beendet das Gespräch mit dem Hinweis, ich solle mir schon einmal einen guten Anwalt suchen.
Donnerstag, 04. November 2004, 11:45 Uhr, Rektorat:
Rektor Prof. Scheel fragt, was ich mir bei dieser Sache gedacht habe. Ich argumentiere mit „Infragestellung“ des kunstbetrieblichen Einerleis und „Pointierung“ von Kunstakademie als Brut- und Produktionsstätte von „ Namenskunst“. Herr Scheel stellt fest, dass das Signieren der Kunstakademie eine Aktion mit leicht destruktivem Charakter sei. Dies stelle insofern ein Problem dar, da der Architekt des Gebäudes ein Recht darauf habe, das sein Gebäude unverändert bleiben müsse. „Als Leiter dieser Akademie darf ich über diese Aktion nicht schmunzeln“ (schmunzelt leicht).
14:45 Uhr: Gespräch mit Herrn Sandmann (Leiter der Metallwerkstatt) und Herrn Waltermann (Haustechnik).
Herr Waltermann erklärt, es sei noch eine Dose Restestrich auf Lager und Herr Sandmann ergänzt, man könne vorläufig farbige Gipsmasse in die entstandenen Fugen schmieren, um den Schaden so unauffällig wie möglich zu machen. So könnten die nachfolgenden Kommilitonen ihre Examensausstellung halten. Allerdings habe Herr Waltermann noch keine Anweisung von oben erhalten. Die sei notwendig, bevor irgendetwas geschehen kann.
Freitag, 05. November 2004, 11:10 Uhr:
Anruf bei Herrn Bartsch. Er rät mir „dringend“ davon ab, den verursachten Schaden selbst zu beheben. Das sei Sache einer Fachfirma. Er habe in Kürze einen Termin mit dem BLB, da würde über das weitere Prozedere entschieden. Er würde mich darüber informieren.
15:35 Uhr: Anruf von Marcel Langenohl. Er käme gerade zurück vom Besuch der Ausstellung in der Kunstakademie. Es würde ein Bild fehlen.
Mittwoch, 10. November 2004, 13:10 Uhr, Foyer der Kunstakademie:
Begegnung mit Herrn Bartsch. Er erklärt, dass noch heute jemand vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW erscheint, um sich den Schaden anzusehen. Eine Fachfirma würde dann den Schaden beheben. Er würde versuchen, die Kosten so gering, wie möglich zu halten. Ich bedanke mich für die Rücksichtname.
Dienstag, 16. November 2004, 14:00 Uhr:
Kolloquium in der Klasse Prof. D. Buetti. Herr Buetti verkündet, dass in der Senatssitzung der Kunstakademie der Beschluss gefasst wurde, von einer strafrechtlichen Verfolgung abzusehen, allerdings müsse Schadenersatz geleistet werden.
Mittwoch, 17. November 2004, 11:10 Uhr:
Anruf bei Herrn Bartsch. Ich erkundige mich, wann mit der Reparatur zu rechnen sei, damit nicht noch weitere Kommilitonen durch die Signatur in Mitleidenschaft gezogen werden. Herr Bartsch erklärt, dass die Reparatur sehr schnell, innerhalb der nächsten 2-3 Tage geschehen solle.
Samstag, 20. November 2004:
Zustellung des Schreibens der Kunstakademie.
Donnerstag, 02. Dezember 2004, 15:40 Uhr:
Telefonat mit Frau Nicola Dicke, der nächsten Ausstellungskandidatin im Ausstellungsraum A1. Sie berichtet, im Telefonat mit Herrn Bartsch habe dieser bei der Beschwerde auf das Nichtbeheben des Schadens von Ihrer Seite auf mich als Verantwortlichen verwiesen. Er habe nach wiederholter Anfrage von Frau Dicke, die Installation einer lackierten Metallplatte vorgeschlagen. Diese soll bis zur vollständigen Reparatur des Estrichs den Schaden verdecken. Frau Dicke leitet den Auftrag an mich weiter, Herrn
Sandmann über das Vorgehen zu informieren.
15:45 Uhr: Anruf bei Herrn Sandmann. Ich gebe den Auftrag von Herrn Bartsch weiter. Dieser erwidert, dass es doch viel unproblematischer sei, mit Gips oder Estrichmasse die Signatur bis zur Reparatur zu behandeln. Er will sich seinerseits mit Herrn Bartsch in Verbindung setzen.
Montag, 6. Dezember 2004, 12:46 Uhr:
Da Herr Bartsch nach Auskunft von Herrn Sandmann bis Freitag, den 3. Dezember nicht zu erreichen war, erkundige ich mich bei Frau Widey (Sekretariat des Kanzlers). Herr Bartsch sei erst am kommenden Donnerstag wieder im Haus.
Donnerstag, 9. Dezember 2004, 10:42 Uhr:
Telefonat mit Herrn Bartsch. Herr Bartsch erklärt, dass eine Lösung mit einer Metallplatte wegen Verletzungsgefahr auszuschließen ist. Lediglich eine Verkleidung mit Papier, Pappe oder Folie sei angemessen. Eine endgültige Schadensbehebung könne erst zwischen Weihnachten und Neujahr erfolgen, da die Reparatur durch Trocknungszeiten verzögert werde und sich daher über mehrere Tage hinziehe.
16:45 Uhr: Anruf bei Frau Dicke. Ich erkläre, die notwendigen Pappen zu besorgen, damit Sie zu Ihrer Examensausstellung im Examensraum installiert werden können.
Freitag, 10. Dezember 2004, 16:25 Uhr:
Einkauf von 4 Graupappen, 108 x 150 cm.
Sonntag, 12. Dezember 2004:
Aufbau der Examensausstellung von Nicola Dicke und Auslegen der Graupappen auf dem Fußboden über der Signatur. Die Graupappen heben sich jedoch zu sehr vom Estrichgrau des Bodens ab. Nicola Dicke beschließt die Gravur besser mit Grafit abzudunkeln, damit sich die Schrift noch weniger von der Estrichfarbe abhebt.
Dienstag, 14. Dezember 2004, 12:00 Uhr:
Examensprüfung Nicola Dicke.
19:30 Uhr: Ausstellungseröffnung
27.–29. Dezember 2004:
Reparaturarbeiten. Aufstemmen eines rechteckigen Teils des Estrichbodens, Ausgießen in mehreren Stufen und Trocknung der neuen Estrichmasse (s. Abb.).
Zwischen dem 9. November und dem 14. Dezember haben sechs Kommilitonen im Ausstellungsraum ihre Examensprüfungen abgelegt.
12. Januar 2005:
Postzustellung der Rechnung der Reparaturkosten der Firma Wiegrink Fußbodenbau GmbH über 1.081,70 € von der Kunstakademie Münster (Herr Schweigmann).
18. Januar 2005, 16:00 Uhr, Kolloquium der Klasse D. Buetti:
Auf meinen Bericht über den Erhalt der Rechnung und den Hinweis, das notwendige Geld nicht zu besitzen, macht Studentin Barbara Schmidt den Vorschlag, die Rechnungssumme vorerst vom Klassenetat der Klasse Buetti zu begleichen. Bei einer Enthaltung wird der Vorschlag von B. Schmidt angenommen. Ich habe ferner die Rückzahlung meiner daraus resultierenden Schulden gegenüber der Klasse Buetti per Monatsraten in Höhe von 10 x 108,77 € zu begleichen.
19. Januar 2005, 11:20 Uhr:
Ich übergebe die Rechnung an Herrn Prof. D. Buetti, der Sie am Nachmittag Herrn Schweigmann (Rechnungsstelle der Kunstakademie) zurückgibt.
23. Februar 2005, Förderpreisausstellung der Kunstakademie Münster, 19:45 Uhr:
Timm Ulrichs läßt sich von einem seiner Studenten anzeigen, wer die Akademie signiert hat. Leicht zögerlich nähert sich Prof. Ulrichs mit den Worten: „Sie sind das also!“ Auf meine Frage, wer ich sei, erwidert Ulrichs: „Der, der den Akademieboden zerstört hat.“ Ulrichs weiter: „Sie leiden doch an maßloser Selbstüberschätzung. Sie, sie …“. Auf meine Bemerkung, dass es sich bei dieser Arbeit in erster Linie um Selbstironie handelte, antwortet Prof. Ulrichs laut: „Ach, Selbstironie, hören Sie doch auf. Es ist gut, dass Sie soviel Geld dafür bezahlen müssen. Hätte ich das zu entscheiden gehabt, hätten wir Sie auch verklagt!“. Schimpfend und wild gestikulierend gesellen sich einige Studenten der Klasse von Prof. Ulrichs zu ihm. Der wendet sich mit abfälligen Äußerungen ab, seine Studenten folgen ihm, weitere beunruhigende Bemerkungen und Anschuldigungen vorbringend.
23. April 2005, 14:20 Uhr:
Ich schreibe eine Mail an Herrn Schweigmann mit der Absichtserklärung die Rechnungssumme nun zu begleichen, das notwendige Geld sei nun vorhanden.
15:50 Uhr: Überweisung der Rechungssumme von 1.087,70 auf das Konto-Nr. 60027 der Universitätskasse Münster bei der
WestLB Münster, Kennzeichen m/Bölter
24. April 2005, 11:30 Uhr:
Erhalt einer Antwortmail. Herr Schweigmann ist erfreut über die so baldige Erledigung dieser Sache. Eine soeben vorgenommene Klassenetatkürzung verspricht er zurück zu nehmen, sobald das Geld eingegangen sei.
02. Mai 2005, 13:30 Uhr:
Tutor Clemens Goldbach erklärt, in der Senatssitzung sei positiv über das solidarische Vorgehen der Klasse Buetti geurteilt worden. Prof. D. Buetti seinerseits begrüßt das schnelle Begleichen der Rechnung.