
Haus des Friedens
Performance – Temporäre Installation
Rathausplatz, Augsburg | 2025
Das „Haus des Friedens“ ist der Bau eines alle Bereiche der Augsburger Gesellschaft integrierenden und sämtliche Öffentlichkeiten befruchtenden wie bereichernden monumentalen Friedensgebäudes für alle in Augsburg ansässigen Menschen aus faltbaren und temporär haltbaren „Pappsteinen“ auf dem Augsburger Rathausplatz. Im vorbildlichen Miteinander wird ein den weltweit notwendigen Friedensdialog abbildendes Denkmal gebaut, das als temporäres Dach der eigenen Friedensbemühungen alle gesellschaftlichen Sparten, separierte Blasen und Parallelgesellschaften zusammenführend skulptural beheimatet. Falte, gestalte und Baue mit!
Ab dem 15. März könnt Ihr die kinderleicht faltbaren und zu bemalenden vorgestanzten Pappelemente im Friedensbüro der Stadt, Bahnhofstr. 18 1/3a (Hinterhof) in 86150 Augsburg abholen, um sie mit einem persönlichen Friedensbericht oder einer gemalten oder gezeichneten Friedensaktion zurückzubringen oder die „Steine“ ab dem 01. Mai 2025 auf dem Rathausplatz mit zu vermauern. Stein um Stein wird „das Haus des Friedens“ von Euch gebaut, Bild für Bild werden Eure Friedensbemühungen im Innern des Hauses ausgestellt, Schritt für Schritt gehen wir gemeinsam in den Frieden.
Am Ende der Bauphase wird mit dem letzten Stein das ephemere Denkmal des Friedens am 8. Mai 2025, 80 Jahre nach der Beendigung des 2. Weltkrieges, verschlossen, versiegelt und die Ausstellung der gemeinschaftlich geschaffenen Bauskulptur mit seinem verbarrikadiertem Inhalt „eröffnet“ und der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die im Inneren an den Wänden des Gebäudes in der Bauphase zuvor ausgestellten „Schätze der privaten Augsburger Friedensbemühungen“ ist nur in der Bauphase der Öffentlichkeit zugänglich und verbleibt nach Fertigstellung und Eröffnung hinter dem Bollwerk verborgen: Das Ideal des Friedens scheint demnach ein unbetretbarer Ort zu sein, der nur auf Kosten von Zerstörung des höchst fragilen Gebäudes zu betreten ist? Wer wissen will, wie die Ausstellung im Inneren aussieht, muss sich mit Gewalt Zutritt verschaffen. Wer wagt den ersten Schritt, um zu sehen, was sich im Innern befindet? …
B A U T A G E B L O G G – 1. Akt Vorbereitung „Haus des Friedens“
19.03.2025
Pressekonferenz um 11 Uhr im Augustanasaal. Vorstellung des Programmhefts „FRIEDEN RISKIEREN“.
08.04.2025
Ab heute können die „Pappsteine“ in der Bürgerinfo der Stadt Augsburg am Rathausplatz abgeholt werden. Hier findest Du eine Anleitung zur Faltung der „Pappsteine“. anleitung-haus-des-friedens. Viel Freude beim Falten und Gestalten:)
12.04.2025
Der Bau am „Haus des Friedens“ startet!
Sie sind Lehrkraft und planen mit ihrer Klasse am Bauprojekt teilhaben? Ihr wollt mit euren Kolleginnen und Kollegen zum gemeinsamen Teambuilding vorbeikommen? Als ehrenamtlich Engagierte möchtet ihr mit eurem Verein oder Zusammenschluss aktiv am Projekt mitwirken? Dann meldet euch gerne über dieses Formular an und sichert euch einen Zeitslot*, um gemeinsam am Frieden zu „bauen“.
Zum Ablauf: Die Bauphase ist vom 8. bis 18. Mai. Der Künstler Frank Bölter wird in dieser Zeit täglich von 10 bis 17 Uhr auf dem Rathausplatz in Augsburg sein und euch entsprechend einweisen. Ihr könnt euch jeweils für einen oder mehrere Termine à 45 Minuten anmelden.
Stein um Stein wird das Haus aufgebaut, Bild für Bild werden die Pappsteine gestaltet, Schritt für Schritt entstehen Austausch, Dialog und Zusammenhalt.
Wir freuen uns auf euch!
*Die Einteilung in Slots dient dabei der besseren Koordination größerer Gruppen. Wenn ihr alleine oder in Kleingruppen auf dem Rathausplatz vorbeischauen und Hand anlegen möchtet, braucht es keine Terminbuchung. Kommt einfach vorbei!
https://doodle.com/sign-up-sheet/participate/1af6adbb-5dd4-490b-90eb-bc8c66625b25/select
TAG 1: 12 60
09.30 Uhr Ich setze einen Erdanker in die Mitte des Ying-Yang Zeichens im Zentrum des Rathausplatzes, messe die notwendigen 12 Meter 50 mit dem Maßband aus, um dann mit einem Seil, an dessen Ende ein Straßenkreidestift befestigt ist, einen Kreis im Durchmesser von 12 Metern 50 auf den Platz zu zeichnen. Als ich gerade anfange, fällt Theresa Werner auf, das die Bestuhlung der Cafés und Restaurants auf dem Rathausplatz in das Pappgebäude hineinragen werde. Ich schlage vor, die in das „Haus des Friedens“ hineinreichenden Tische und Stühle als willkommene Sitzgelegenheit einfach die Gastronomie integrierend mit einzubauen. Theresa Werner meint: „So kann das Haus des Friedens allerdings nicht richtig rund werden und beschneidet außerdem die lokale Gastronomie, der Künstler sagt: „So geht das nicht!“, meint aber, man müsse sich schon entscheiden, ob man sich die kosmischen Kräfte des Zufalls zu nutze macht oder diese ignoriert. Ersteres wäre klug, letzteres zumeist eine vertane Chance, die höheren Mächte mit einzubeziehen. Kurator Eric Nikodym findet: „Mir doch egal“. Als ich von einem bärtigen Herrn mit selbstbestricktem und selbstbeklebtem Mottopullover gefragt werde, was ich „do mach“, erkläre ich kurz die Absicht, ein „Haus des Friedens“ zu bauen. Wir sprechen lang über sein zur Schau getragenes Motto „Million, Ernährung, Milliarde, Baustelle“, das sich mir bis jetzt nicht erschließt. Aber vielleicht kann der Leser dieses Baustellenblogs mir ja auf die Sprünge helfen… Darüberhinaus behauptet der freundliche bärtige Herr, der König von Augsburg zu sein.
Als ich wieder ansetze, den Kreis zu ziehen, legen Aric und Bernd bereits die OSB-Platten aus und verschrauben diese mit Metrallbändern. Kurator Eric Nikodym nimmt nochmal Maß, und stellt fest, das der Radius des Kreises 12 Meter 60 anstatt der beim Ordnungsamt beantragten 12 Metern 50 beträgt und meint, das etwas zu laut allen die Szene beobachtenden Menschen mit den Worten: „12 60“ mitteilen zu müssen. Das sollte sich im Folgenden ein paar Mal wiederholen. Inzwischen rufen schon die die Szene immer noch beobachtenden Leute beim weiteren Ausmessen jedesmal: „12 60“. Theresa Werner meint jeweils: „So kann das Haus des Friedens allerdings noch weniger rund werden und beschneidet außerdem die freie Sicht zwischen Brunnen und Weltkulturerbeinstitution, der Künstler sagt: „So geht das nicht!“, meint aber, man müsse sich schon entscheiden, ob man sich die kosmischen Kräfte des Zufalls zu nutze macht oder diese ignoriert. Ersteres wäre klug, letzteres zumeist eine vertane Chance, die höheren Mächte mit einzubeziehen. Kurator Eric Nikodym findet: „Mir doch egal“. Als ich von einem bärtigen Herrn mit selbstbestricktem und selbst…
Im Laufe des Vormittags fällt auf, dass sich das Ying-Yang nicht mehr in Zentrum des „Haus des Friedens“-Gebäudes befindet und damit die Bestuhlung nicht, wie vom Künstler geplant, in das Haus des Friedens integriert wird. Theresa Werner meint: „So kann das Haus des Friedens vielleicht doch noch rund werden, beschneidet aber diese komischen Gesetze, der Künstler sagt: „So geht das nicht!“, meint aber, müsse sich schon entscheiden, ob man sich die kosmischen Kräfte des Zufalls zu nutze macht oder diese ignoriert. Ersteres wäre klug, letzteres zumeist eine vertane Chance. Kurator Eric Nikodym findet: „Mir doch egal“. Als wir am Ende des Tages das Fundament nochmals ausmessen, landen wir bei einem Durchmesser von 25,6 Metern. „25 60“ skandieren daraufhin die die Szene noch immer beobachtenden Leute. „So geht das nicht!“, meint der Künstler, Theresa Werner meint, man müsse sich die kosmischen Kräfte des Zufalls schon zu nutze machen. Ersteres wäre klug, letzteres zumeist eine vertane Chance, die höheren Mächte mit einzubeziehen. Sie sagt dann aber: „So geht das nicht!“. Kurator Eric Nikodym meint: „Mir doch egal!“ Als ich von einem bärtigen Herrn mit selbstbestricktem und selbst…
TAG 2: „Frieden kann man nicht konsumieren“
08.30 Uhr Ich bin viel zu früh auf der Baustelle. Angeblich hätten wir heute viel zu tun, so die gestrige Ansage. Noch angeblicher habe sich lokale wie überregionale Polit- und sonstige Prominenz angemeldet. Am Angeblichsten hätten wir uns gestern auf 9 Uhr 30 statt auf 8 Uhr 30 geeinigt. Wie auch immer, der König von Augsburg ist, wie immer, der erste auf der Baustelle. Also wird mit seiner Erlaubnis schnell das Fundament auf dem bedeutendsten Platz der Augsburger Innenstadt repariert und das Baustellenequipment eingerichtet, als Arik, Bernd und Theresa kommen.
11 Uhr Anne Garthe kommt mit Ihrem Team zur Baustelle. Ohne die Schule in der Werkstatt im Kinderzentrum Oberhausen hätte das Projekt in der Vorbereitung kaum ein solche Verbreitung finden können. Ich freue mich entsprechend, sie zu sehen und lade die Truppe ein, doch bitte an meiner statt den Segensspruch bei der heutigen Grundsteinlegung zu sprechen, was sie dankend ablehnen. Olga bringt sogar Ihre Schülerin Celina mit, die bringt sogar ihren Hund mit, der hat sogar einen Stein bemalt und mitgebracht. Vielleicht war es auch ganz anders, aber im Strudel der heutigen Ereignisse gerät so manches durcheinander. Jedenfalls unterbricht mich Ruth, als die vielen Worte meiner Ausführungen die Umstände dieses Projekts entsprechend ins Uferlose abdriften und ins viel zu Ausführliche abgleiten, mit dem Satz, der mich noch den gesamten Tag begleiten sollte: „Frieden kann man nicht konsumieren!“ Wie ein Donnerschlag schallen ihre machtvollen Worte von der Rathaus- auf die gegenüber liegende Gastronomieseite, um als Echo wieder zur Rathausseite zurück zu prallen, bevor sie erneut zur Gastroseite zurück echoen, damit alle Passanten von diesen ungerührt einen Moment lang inne halten, zu Ruth hinüber sehen, wie um zu schauen, wer um alles in der Welt zu solchen Worten in der Lage ist, um sich nach dieser kurzer Starre doch wieder in Bewegung zu setzen. Dennoch bewegen sich plötzlich alle auf dem Platz versammelten Menschen behutsamer und bewußter, als hätten Ruths Worte etwas in Ihnen etwas ausgelöst, das die Welt nachhaltig verändern sollte. Zum Glück hatten wir das Mikro noch nicht angeschaltet, bevor die gesamte Stadt noch einen Bewusstseinsprung macht. Nur wohin…? Wer weiß, wozu diese Frau noch alles fähig wäre, wenn diese 5 Worte schon eine solche Wirkung erzeugen. Zum Glück hat sie nicht noch mehr gesagt. Ich verspreche, sie bei der nächsten Gelegenheit zu zitieren. Die kommt bald, sehr bald, zu bald, quasi umgehend, als nach den freundlichen Begrüßungsworten von der Oberbürgermeisterin Augsburgs, Eva Weber, der künstlerische Leiter des Friedensfestes, Eric Nikodym, nach ebenso freundlichen Einführungsworten in das partizipative Projekt das Mikrofon an den leicht überfordert wirkenden Künstler weiterreicht, der immer noch damit beschäftigt ist, die vernommenen Worte von Ruth zu verdauen und dabei versucht, noch ebensoere freundliche Worte über Sinn und Unsinn dieses Projektes zu finden. Mit dem Zitieren von Ruths Worten gelingt das dann doch ganz passabel, nur das diese machtlosen Worte weder wie ein Donnerschlag von der Rathaus- auf die gegenüber liegende Gastronomieseite schallen, um als Echo wieder zur Rathausseite zurück zu prallen, bevor sie erneut zur Gastroseite zurück echoen, damit alle Passanten von diesen ungerührt einen Moment lang inne halten, zu mir sehen, wie um zu schauen, wer um nichts in der Welt zu solchen Worten in der Lage ist, um sich nach dieser kurzer Starre doch wieder in Bewegung zu setzen. Noch bewegt sich plötzlich irgendjemand der auf dem Platz versammelten Menschen behutsamer und bewußter, als hätten meine Worte etwas in Ihnen etwas ausgelöst, das die Welt nachhaltig verändern sollte. Zum Glück fällt gerade das Mikro aus, bevor die gesamte Stadt doch keinen Bewusstseinsprung macht. Wohin auch…?
So die ersten nachhaltigen Eindrücke des am heutigen Abend völlig übermüdeten Autors dieses Bautagebuchs nach einem langen Tag voller brisanter Gespräche über die Situation in Stadt, Land und Gesellschaft, die bei anderer Gelegenheit wieder gegeben werden müssen. Ich muss ins Bett, den Rest des Tages müssen die Fotos erzählen. Achja, eine Sache noch, am Nachmittag entsteht etwas überraschend unter dem Pavillon in arbeitsamer Stille im dynamischen Silentium innerhalb einer Gruppe Jungs in einem Alter, in dem einen ganz andere Dinge beschäftigen, als Pappkartons zu falten und mit Botschaften zu versehen, eine Atmosphäre der ernsthaften und tiefen Beschäftigung mit persönlichen Friedensbotschaften, dem Frieden im Allgemeinen und der eigenen Position dazu, die viele des Teams verwundernd tief beeindrucken. Immer noch in sich versunken übergeben Sie ihre Faltsteine an die Gruppe, die ihre Steine vermauern soll. Vielleicht unterschätzen wir einfach viele Jugendliche bzgl. ihres Tiefgangs, ihrer Empfindsamkeit und ihrer Fähigkeit zur Hingabe, wenn wir ihnen endlich Aufmerksamkeit schenken und nur eine Stimme geben…
TAG 3: Warummädchen oder wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Pappstein
9 Uhr Wir eröffnen die Baustelle um 9 Uhr, als schon die ersten Schüler warten, um ihre Steine abzugeben. Sie lassen sich aber zu einem kleinen Stadtbummel vorab überreden, um danach ihre mitgebrachten, gefalteten und gestalteten Steine unter Anleitung selbst zu verbauen. Anschließend darf ich, wie jeden Morgen, den König von Augsburg, Gerhard Hermanutz, begrüßen – heute betritt er die Bühne, die die Welt des Friedens bedeutet, mit vergleichsweise recht dezenten Insignien seinen Status betreffend, die Baustelle. Ich frage seine Durchlaucht nach seinem werten Befinden: „Wie geht’s heut?“
KA (König von Augsburg): „Gut!“
FB (Frank Bölter): „Was macht das Volk?“
KA: „Naja, es dümpelt“.
FB: „Es dümpelt?“
KA: „Freilich“
FB: „Sind’s nicht zufrieden mit Ihrem Volk?“
KA: „Dochdoch, es entwickelt sich schon in die richtige Richtung. Aber es dauert.“
FB: „Eher nach Westen oder eher nach Osten?“
KA: „Weder noch, eher in die Akzeptanz seines wahren Herrschers?“
FB: „Der da wäre?“
KA: I!
FB: „Ach so. Und ich dachte schon, Sie denken da an den brandneuen Papst!“
KA: „Na, das ändert nix.“
FB: „Was würden Sie ändern, wenn Sie endlich an der Macht wären?“
KA: „I würd mehr Pappsteinprojekte machen lassen.“
FB: „Bitte entschuldigen Sie, Majestät. Das würde ich an Ihrer Stelle nicht machen, ich weiss aus allererster Hand, es ist zu anstrengend.“
KA: „Trotzdem. Das sieht, dass die Leute miteinander ins Gespräch kommen aus diesem Anlass. Es wird ja über vieles geredet hier beim Pappsteinefalten.“
FB: „zum Beispiel?“
KA: „Wer ist verantwortlich für die gesellschaftspolitische Krise?“
FB: „Sie vermutlich!“
KA: „Auch. Denn wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Pappstein!“
10.27 Uhr An der Mauer wird hitzig über politische Systeme und Auswirkungen auf Lebensgefühl und -qualität diskutiert. Wir sprechen über innere Widersprüche der bekannten Gesellschaftsmodelle und finden weder den Ausgang aus ihnen, noch aus diesem Gespräch. Immerhin scheint die allgemeine Unzufriedenheit inzwischen so groß, dass langsam etwas passieren müsse, finden die männlichen und entsprechen willensstarken Diskutanten doch noch einen Konsens.Ich schlage vor, diesen Konsens zu begießen, leider sind Flüssigkeiten an der Pappmauer verboten, behauptet die 7-jährige Eileen, die offenbar der erwachsenen Diskussion verfolgt zu haben scheint.
11.38 Uhr Ich werde plötzlich von hinten mit der Frage überfallen: „Von welcher Partei sans denn?“.
Ich entgegne, dass es sich hier um ein über- wie unterparteiliches Projekt handeln würde, wo von unten nach oben im praktischen Dialog über den Frieden in vereinter Absicht vieler Menschen über den Frieden nachgesponnen wird. Manche berichten von eigenen Friedensabsichten, überwiegend sind politische Parolen und Allgemeinplätze ins Bild gebracht. Aber hier und da wird Feinsinnigeres ins Bild oder ins Wort gesetzt. Nach einer Gedankepause, das Gehörte verarbeitend, lässt der Herr mittleren Alters nicht locker; „Aber Sie müssen doch von einem bestimmten Lager beauftragt worden sein“, mutmasst der sich immer noch hinter mir befindliche Mann, der mir stoisch beim Pappsteinmauern zuschaut. „Ich würde das Selbstbeauftragte Handeln dem Fremdbeauftragten vorziehen“, gebe ich zu verstehen, als der Mann abermals eine Gedankenpause verstreichend ansetzt: „Aber wer bezahlt Sie denn für dieses Projekt?“ „Das Friedensbüro hier in Augsburg“, gebe ich zurück. „Und wer bezahlt das Friedensbüro?“ will der unnachgiebige und wissbegierige Mann endlich wissen. „Die Stadt Augsburg“, antworte ich jetzt zu ihm gewandt. „Aha!“, entfährt es dem Herrn plötzlich als wäre er endlich der Wahrheit hinter dem vordergründigen Erscheinungsbild auf der Spur. „Allerdings hat man mich bis jetzt noch nicht bezahlt!“, fällt mir abschließend ein und auf. „Also ist es auch nur ein Scheindemokratisches Projekt, da wir in einer Scheindemokratie leben und das Projekt würde von einer scheindemokratischen Institution finanziert. Sie sind also ein Scheindemokrat, mehr nicht!“ So hätte ich mich noch gar nicht betrachtet, gebe ich zu Verstehen. Ich werde heute mal etwas genauer in den Spiegel schauen. „Spieglein Spiegeln an der Wand, wer ist der Scheindemokratischste im Ganzen Land?“, versucht der Mann plötzlich einen Witz. Etwas irritiert erfreue ich mich über dessen Leichtigkeit, mit der er diesen ernsthaften Diskurs aufzulösen gewillt scheint. Schmunzelnd und dankbar für die Denkanstässe verabschieden wir uns auf ein weiteres Treffen am Haus des Friedens, dass nun langsam aber stetig wächst.
12.03 Uhr Die Gruppe 11-Klässler verabschiedet sich, nachdem sie ihre Steine vermauert haben. Als ich mich für ihren Beitrag bei Ihnen bedanke fragt Marscha: „Warum machen Sie das eigentlich?“ Um Zeit für eine Antwort zu gewinnen, versuche ich eine Gegenfrage: „Was ist die wichtigste Frage auf der Welt?“ „Wie geht’s?“ fällt Abdul ein. „Genau“, beglückwünsche ich ihn: „Und die zweitwichtigste lautet ‚warum?‘ Ich beglückwünsche Marscha zu Ihrer Neugierde, um noch mehr Zeit zu gewinnen, nachdem der erste Versuch fehlschlug. Irgendwann fällt mir etwas zwischen basisdemokratischem Aktivismus, alles Selbermachen auch Politik, die großen Probleme auf der Welt liessen sich nur in Gemeinschaft lösen und vor der eignen Haustür kehren, ein. „Wohnen Sie hier in Augsburg?“ will daraufhin Abdul wissen. „Warum?“ fragt Marscha an Abdul gewandt erneut. „Na, weil er vor der eigenen Haustür kehren will“, gibt Abdul zurück. Ich gebe zu verstehen, das ich zwar nicht in Augsburg wohnen würde, meine Haustür in der Nähe von Köln sei, ich könne da derzeit allerdings nicht kehren, weil ich hier so viele Fragen zu beantworten hätte. „Warum bauen Sie dann das Haus des Friedens hier?“, stellt Marscha die nächste Warumfrage. Weil man hier offensichtlich bereit sei, ein „Haus des Friedens“ zu bauen. „Bauen Sie doch einfach eine Haustür ein, dann können Sie auch hier kehren“, behauptet Abdul amüsiert. Selbstverständlich kommt von Marscha die zweitwichtigste Frage der Welt: „Warum?“…
TAG 4: „Der Friedensprozess ist außer Kontrolle“
Am Ende des Tages und unserer Kräfte sitzt das ganze Team vollkommen erschöpft, überanstrengt und -wältigt von der großen Resonanz und Beteiligung am Bau des Hauses noch zusammen. Der eine findet keine Worte, die andere hatte keine Gelegenheit für Sonnencreme, die Dritte braucht sofort nen Aperolspritz. Annika hatte ihren Freund Stefan angerufen, er müsse sofort helfen, sonst gerate der Friedensprozess ins Stocken, Danielas Freund musste ebenfalls aushelfen usw.
Am, auf, unter und neben den Tischen sitzen, liegen, hocken, knien Menschen aus dem fernen und nahen Osten, zwischen Australien, Andalusien, Afghanistan, Amerika und sogar Augsburg, um ihre Botschaften auf die Steine und an die Wand zu bringen. Im anderen Teil des Gebäudes falten selbsternannte Faltteams einen Stein nach dem anderen, die von anderen zum „auswärtigem Zelt“ zur Gestaltung eskortiert, dann zum Mauerwerk weitergereicht und dort verbaut werden. Die Leute helfen und unterstützen sich inzwischen gegenseitig beim Falten, Bemalen und Bemauern das Haus des Friedens. Wir müssen hier und da eingreifen, wenn Kinder auf Leitern rumturnen, während sich die Eltern sich gerade versöhnen und Erwachsene mal die Stabilität des Mauerwerks überprüfen, indem sie sich gar übergewichtig an die Wand lehnen. Heute gibt’s (nur) eine Zitatensammlung und einige „Gesprächsfetzen“ aus Gründen von Reizüberflutung und Unsortiertheit in Kopf und Herz:
„Ich hatte mir Frieden irgendwie kleiner vorgestellt.“
„Was macht Ihr denn, wenn’s regnet?“ – „Dann wird’s vermutlich nass.“
– „Ach so!“
„Wenn jetzt ein Papppanzer um die Ecke kommt, was passiert dann?“
„Die meisten Friedensbotschaften sind ja ein bisschen aus der Hüfte geschossen.“
„Kann ich den einen Stein aus der Wand da drüben wieder rausschneiden. der ist so schön, den will ich mit nach Hause nehmen.“
„Wo hast Du denn meinen Stein hingemauert, den ich Dir heute früh gegeben habe? – „Wie sah der denn aus?“ – „Der hatte so ein Friedenssymbol.“ – „Ach der war das.“
„Das Frieden so schnell geht.“
„Gestern war vom Frieden noch nichts zu sehen!“
„Wer bezahlt den Scheiß?“
„Ich hätte nicht gedacht, das sich so viele Menschen beteiligen.“
„Der Friedensprozess ist außer Kontrolle. Wir müssen sofort die Blauhelme rufen.“
„Ich habe einen Stein nach Israel und einen nach Gaza geschickt. Ich hoffe, das beide mit einer Friedensbotschaft zurückkommen. Die kommen dann nebeneinander in das Haus.“
„Jetzt weiß ich endlich, warum es Kriege gibt. So einen Friedensprozess kannst Du nicht mehr steuern!“
TAG 5: „Reden ist Silber, Mauern ist Gold“
Eine Dame, die mir gleich bekannt vor kommt, nähert sich mit der Bemerkung: „Sagen Sie, das ist ja Wahnsinn, wie groß das geworden ist und was hier los ist. Ich war am Donnerstag bei der Grundsteinlegung und wollte heute nochmal schauen, ob sich was verändert hat. Aber das ist ja Wahnsinn, in welcher Atmosphäre des Miteinanders hier gefaltet, gemalt und gemauert wird.“ – „Danke“, bedanke ich mich etwas verlegen, weil mir keine anderen Worte einfallen. „Sagen Sie, würden Sie ganz kurz, ich weiß, Sie haben alle Hände voll zu tun mit all diesen Leuten hier – aber ich sehe, wie groß das Bedürfnis zu sein scheint, sich am „Haus des Friedens“ zu beteiligen – mir erklären, worum es Ihnen hier genau geht?“ – „Es geht um das Anzetteln eines Friedensdialoges und einer Methode des Diskurses, jenseits ausgetretener medialer Kommunikationspfade. Wir schaffen hier gemeinsam einen Diskursraum, in dem ein bildmächtiger Dialog über Frieden möglich werden kann. Die vielen Steine, die hier miteinander in allen Sprachen und von allen und in allen Farben nebeneinander vermauert sind, sind der Versuch, ein sinnbildliches Miteinander zu erschaffen und eine visuelle Diskursplattform zu kreieren“, erkläre ich und bin selbst ein bisschen erstaunt von dieser einigermaßen treffenden Zusammenfassung. Das muss die Sonne sein und das Delirium, in dem ich mich inzwischen befinde bei dieser alles in allem viel zu großen Kraftanstrengung aufgrund dieser riesigen Resonanz, der wir mit unseren kleinen Team kaum gerecht werden können. An dieser Stelle bitte ich um einen angemessenen Applaus für: Theresa, Daniela, Ayla, Davot, Bernd, Eric, Annika, Anne, Ruth, Georg, Olga und Stefan. Danke für Ihre Annerkennung der Leistung meines Teams und nun ohne weitere Umschweife zurück zu der Dame und ihrem angenehmen Gesprächsbedarf. „Und es machen wirklich alle mit, ich kann’s kaum glauben. Ich möchte Ihnen meinen Dank aussprechen und Ihnen meine Tochter vorstellen.“ – „Entschuldigung, ich bin gerade sehr glücklich mit meiner Partnerin Astrid…“ – „Das habe ich doch nicht so gemeint“, lacht die Dame und holt trotzdem ihre Tochter, die allerdings ihren Freund im Schlepptau hat, der sich auch noch vorstellt und über diese Bemerkung belustigt schmunzelt. „Sagen Sie, wie kommt es zu der runden Form mit dem Kreuz da herinnen und warum sind die Steine überhaupt weiß?“ – „Meine Freundin Astrid, von der ja gerade die Rede ist, hat kurz nachgedacht und behauptet, dass das Haus des Friedens keine Ecken und Kanten haben darf, und außerdem müsse das Haus des Friedens weiß sein. Die Farbe weiß sei die Summe aller Farben, die Brieftaube sei schließlich nicht umsonst weiß. Und irgendwie hat sie da mit allem ja recht. Als ich dann nach Augsburg gekommen bin, um das Projekt an vielen Stellen zu besprechen, sei plötzlich hier in Augsburg alles rund gewesen. Ich war in einer Falafelbude in Oberhausen, die hatten eine Sonne als rundes Logo, die Falafel war rund, die Falafelbällchen auch. Danach bin ich nur noch runden Verkehrsschildern begegnet, war bei einem Frisör in Oberhausen, der mich mit der Begründung rausgeschmissen hat, das er nur kreisrunde Haarschnitte könne usw., so ging das den ganzen Tag. Ich konnte es kaum glauben. Es waren auf einmal nur noch etwas zu korpulente Menschen auf der Straße. Ich saß mit Anne Garthe und ihrem Team im Kinderzentrum Oberhausen an einem runden Tisch, um eine bestmögliche Beteiligung der Schulen zu erwirken. Es war, wie überraschend, ein kreisrundes Gespräch. Das ging nur so weiter. Am Ende saß ich mit dem Ordnungsamt und dem Bauamt am runden Tisch zusammen, um das Projekt durchzukriegen, als das Ordnungsamt im Einklang mit dem Bauamt vorschlug, doch eine runde Form zu wählen, damit die Windlast bestmöglich zu den Seiten abgeleitet werden kann. Ich war völlig sprachlos über diesen Wink der höheren Mächte, sodass wir das „Haus des Friedens“ jetzt auf keinen Fall eckig bauen können.“ – „Und jetzt haben Sie auch noch das Beste Wetter, das man sich vorstellen kann. Das macht die Sache ja richtig rund. Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf, Ihre Freundin ist ja gold wert, die würde ich an Ihrer Stelle behalten.“ – „Da haben Sie vollkommen recht und voll ins Weiße getroffen. Aber Ihre Tochter scheint auch ganz nett zu sein, wenn ich das so sagen darf“, versuche ich einen Altherrenwitz, der von der Dame belacht, von der Tochter allerdings als weniger lustig befunden wird. Sie wendet sich ab und beschmust auf einmal auffallend deutlich ihren leider viel zu gut aussehenden Freund, der die Bemerkung seinerseits ganz amüsiert beschmunzelt. „Sie scheinen auf jeden Fall ein jeden-und-alles-integrierendes-Projekt erfunden zu haben.“ – „Wir sind zum Glück ein Team. Ich gebe Ihr Lob weiter. Haben Sie vielen Dank für ihre Resonanz, wir geben hier wirklich alle bei aller Anstrengung unser Bestes. Wir haben mit einer solchen Beteiligung nicht gerechnet und sind selbst ein bisschen gerührt von der Dankbarkeit und Rührung aller Menschen jeder Couleur und mit jedem nur denkbaren kulturellen Hintergrund. Eben hat sich ein afghanischer Mann bei mir dafür bedankt mit der Bemerkung: „das ihm dieses Projekt soviel Hoffnung gebe, wie nichts anderes, seitdem er in Deutschland ist. Danach hat sich ein älterer Herr als waschechter Augsburger bei mir vorgestellt, der Schwierigkeiten hatte, seine Gefühle in Worte zu fassen. Er bemerkte bei sich Emotionen, die er schon lange nicht mehr gespürt habe. Das muss einem erstmal über die Lippen kommen gegenüber jemandem, den ich noch gar nicht kenne. Erst recht in dieser Generation. Er konnte es gar nicht glauben, das ich ihm auch noch für ein paar Augenblicke meine Aufmerksamkeit schenke, was natürlich und selbstverständlich ist, so es eben geht bei dem Andrang hier auf der Baustelle. Er hat sich einen Stein mitgenommen und versprach, trotz seines hohen Alters, diesen Stein mit einer besonderen Friedensbotschaft zu versehen. Das wäre das Mindeste, was dieses Projekt verdient hätte.“ – „Wie wunderbar, ich kann mich nur bei Ihnen bedanken für dieses Projekt.“ Im Laufe des Tages kommt Lina zu mir, die heute das Gögginger Gebetshaus besucht und mal schauen will, wie es hier so zugeht, und segnet mich. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Außer mich meinerseits nochmals bei meinem Team, ohne dass das hier (Du lieber Himmel, wie schreibt man denn diese zwei „das“ hintereinander jetzt wieder?) alles nicht möglich wäre, zu bedanken. Dazu gehört auch Thomas Weitzel, der auf politischer Ebene im Hintergrund manche Dinge möglich werden lässt. Als wir am Abend aufräumen kommt ein berufsjugendlicher Mann mittleren Alters zu mir und behauptet, er hätte bei seinem vierten Besuch auf der Baustelle endlich den herrlichen Widerspruch des Projektes erkannt: „Sie schaffen neue Mauern in den Köpfen der Leute aus Toleranz, Integration und Vielfalt. Großartig.“ Das würde ihn an aktuelle politische Programme erinnern, die auch nur dazu da seien, neue Mauern zu bauen. – „Ich gratuliere ihm zu seiner Weitsicht, die meine bei weitem Übersteige, bedanke mich für das Zurechtrücken meines allzu positiven Tagesbildes und versichere, ich sei lediglich an der Finanzierung meines Familienlebens interessiert und hätte gerade nichts Besseres zu tun. „Wir sind Brüder im Geiste!“, behauptet der auf einmal berufsbrüderlich werdende Mann. „Man kann sich seine Brüder selten aussuchen“, versuche ich den gesuchten Schulterschluss zu lockern und auf eine mir angenehmere Distanz zu bringen ohne zu deutlich zu werden. Jetzt aber endlich ab ins Wirtshaus auf’n Weißbier, oder zwei oderoderoder…
TAG 6: Einladung Richtfest „Haus des Friedens“ am 18.08.2025″ um 17 Uhr