NEOKunsthalle Göppingen

Bautageblogg „NEOKunsthalle Göppingen“

18.12.2023 Besuch der Kunsthalle Göppingen mit Ortsbegehung und Besichtigung des Stadtmuseums, des Kornhauses wie verschiedener Plätze und Parks bzgl. seiner bzw. ihrer Eignung für öffentlichkeitsinvolvierende Kunstprojekte. Inspirierende Wirkung entfaltet der Erfindergeist der Göppinger in Form von Märklin, der Miniaturseidenstickerei, origineller Kochbücher etc., nachzuvollziehen im Stadtmuseum Göppingens.

18.01.2024 Nächster Besuch der Kunsthalle mit weiterer Ortsbegehung und wiederholter Besichtigung des Stadtmuseums, des Kornhauses wie verschiedenerer Plätze und Parks bzgl. seiner bzw. ihrer Eignung für öffentlichkeitsinvolvierende Kunstprojekte. Noch inspirierendere Wirkung entfaltet der Erfindergeist der Göppinger in Form von Märklin, der Miniaturseidenstickerei, origineller Kochbücher etc., wieder nachzuvollziehen im Stadtmuseum Göppingens.

18.02.2024 Übernächster Besuch der Kunsthalle mit noch weiterer Ortsbegehung und wiederholterer Besichtigung des Stadtmuseums, des Kornhauses wie verschiedenster Plätze und Parks bzgl. seiner bzw. ihrer Eignung für öffentlichkeitsinvolvierende Kunstprojekte. Inspirierendste Wirkung entfaltet der Erfindergeist der Göppinger in Form von Märklin, der Miniaturseidenstickerei, origineller Kochbücher etc., immer noch nachzuvollziehen im Stadtmuseum Göppingens.

18.03.2024 Überübernächster Besuch der Kunsthalle mit weitester Ortsbegehung und wiederholtester Besichtigung des Stadtmuseums, des Kornhauses wie verschiedener Plätze und Parks bzgl. seiner bzw. ihrer Eignung für öffentlichkeitsinvolvierende Kunstprojekte. Inspirierendste Wirkung entfaltet immer noch der Erfindergeist der Göppinger in Form von Märklin, der Miniaturseidenstickerei, origineller Kochbücher etc., immer nachzuvollziehen im Stadtmuseum Göppingens. Die „höheren Mächte“ treffen die Entscheidung, diesen in Form eines Denkmals abzubilden.
14 Uhr zufälliger Besuch bei der Fa. Seyfert und seines Chefkonstrukteurs Andreas Wahl. Herr Wahl erklärt zunächst seine Urlaubsbereitschaft nach intensivster Forschung und Entwicklung dreier Pappsteinmodelle, die er genauso begeistert vorstellt, erklärt und die jeweiligen Besonderheiten erläutert, wie der Künstler sein Vorhaben, die Kunsthalle Göppingens damit aus Pappe nachbauen zu wollen. Der vom Ingenieur Andreas Wahl favorisierte Pappstein A stellt sich als besonders praktikabel heraus. Der Künstler erklärt seine Hochachtung vor dem Erfindergeist Andreas Wahl, der Erfindergeist seine Missachtung gegenüber der Uninspiriertheit des auftragegebenden Künstlers, dieser solle sich doch endlich mal an den Modellbau machen, um der Fa. Seyfert die finalen Maße des Pappmonumentalbauwerks, die finale Stückzahl und die Dachkonstruktion durchgeben. Der Künstler wünscht sich und Herrn Wahl einen angenehmen Urlaub.

28.03.2024 Einblick in die Konstruktionsbücher des Planungsbüros der NEOKunsthalle Göppingen und Ausblick auf die Durchführung des Projektes im Stadtraum Göppingens. Der Bahnhofsvorplatz erweist sich im Gegensatz zum Rathausplatz und dem Kornhausplatz als besonders schwierig für eine Durchführung des Projektes und schafft es gerade deswegen neben dem Aldi-Parkplatz in die engere Wahl. Neben dem Aspekt des Transits und den Reiseabsichten der Passanten, erweisen sich das leichte Gefälle des Platzes zum Ablauf des Regenwassers wie die architektonische Umgebung als städtische Problemzonen und als mit dem Bau der NEOKunsthalle in Konkurrenz stehend. Gerade deswegen fällt die Wahl auf den Bahnhofsvorplatz.







08.04.2024 Bericht aus der Modellbauwerkstatt der NEOKunsthalle Göppingen. Entwicklung kleiner Pappsteinmodelle auf einwelliger Wellpappe in 3 Millimeter Stärke im Maßstab 1:10. Neben der Entwicklung von nuklearen Papierwaffen als Beitrag für weltweite Friedensverhandlungen entwickelt sich das Projekt NEOKunsthalle Göppingen zusehends zum zentralen Anliegen der Werkstatt. Insbesondere die kommunikative Ebene bekommt mehr und mehr ein arbeitstagesfüllendes Volumen, da sich mehr und mehr Schulen, städtische Einrichtungen wie die Lebenshilfe e.V. u. A. für eine Beteiligung und Kooperation interessieren. Gespräche mit der Feuerwehr bzgl. Brandschutz und Untersuchungen bzgl. der Brennbarkeit von Pappsteinen füllen verständlicherweise virtuelle online-Konferenzen wie wirkliche Begegnungen mit städtischen Behörden und persönlichen Bedenkenträgern vor Ort…



09.04.2024 09.24 Uhr Anruf eines im deutsch-mit-österreischischem-Akzent-sprachigen Raum nicht ganz unbekannten Musikers. Er hätte gehört, es würde in der Nähe von Stuttgart ein Museum aus Pappe gebaut. Er fragt, ob das hallenartige Gebäude auch als Auftrittsort für Musiker und als Konzertveranstaltungsort in Frage käme? Er plane gerade eine größere Tournee durch die großen Konzertsäle Süddeutschlands. Etwas überrascht erläutere ich das Bauvorhaben als ephemeres Gemeinschaftsprojekt mit bewusst unsicherer Perspektive bzgl. seiner Stabilität, Wetterfestigkeit und damit auch seiner Nutzbarkeit…
Er behauptet, gerade das sei doch interessant, genau deswegen sei er interessiert und gerade genau deshalb wolle er unbedingt dort auftreten, notfalls auch auf einer Ruine.
11.47 Uhr Anruf eines im süddeutschsprachigen Raum nicht ganz unbekannten Musikers. Er hätte gehört, es würde in der Nähe von Stuttgart ein Museum aus Pappe gebaut. Er fragt, ob das hallenartige Gebäude auch als Auftrittsort für Musiker und als Konzertveranstaltungsort in Frage käme? Er plane gerade sowieso eine größere Tournee durch die großen Konzertsäle Österreichs. Etwas irritiert nicht nur über die Verortung Göppingens erläutere ich das Bauvorhaben als ephemeres Gemeinschaftsprojekt mit bewusst unsicherer Perspektive bzgl. seiner Stabilität, Wetterfestigkeit und damit auch seiner Nutzbarkeit. Er behauptet, gerade das sei doch interessant, genau deswegen sei er interessiert und gerade genau deshalb wolle er unbedingt dort auftreten, notfalls auch auf einer Ruine.
14.03 Uhr Anruf eines im deutschsprachigen Raum nicht ganz unbekannten Musikers. Er hätte gehört, es würde in der Nähe von Stuttgart ein Museum aus Pappe gebaut. Er fragt, ob das hallenartige Gebäude auch als Auftrittsort für Musiker und als Konzertveranstaltungsort in Frage käme? Er plane gerade sowieso eine größere Tournee durch die großen Konzertsäle Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Etwas irritiert nicht nur über die öffentliche Bekanntheit des doch gerade erst in der Planungsphase befindlichen Projekts erläutere ich das Bauvorhaben als ephemeres Gemeinschaftsprojekt mit bewusst unsicherer Perspektive bzgl. seiner Stabilität, Wetterfestigkeit und damit auch seiner Nutzbarkeit. Er behauptet, gerade das sei doch interessant, genau deswegen sei er interessiert und gerade genau deshalb wolle er unbedingt dort auftreten, notfalls auch auf einer Ruine…









18.04.2024 13.41 Uhr Anruf eines eingebildeten Künstlerkollegen aus dem „Großraum Stuttgart aus dem Großraumbüro des überhaupt größten Künstlerateliers des Schwabenlandes“. Er behauptet, das ohne Bauschild auf dem Bahnhofsvorplatz niemand auf das Projekt, das er ja gern auch außerhalb seines Großraumbüros bewerben würde, aufmerksam werden würde. Mein Hinweis, das ich mir immerhin aus diesem Grund statt der Errichtung eines Bauschildes die Mühe der Einrichtung eines Baustellentagebloggs gemacht habe, wird mit der Bemerkung kommentiert, dass das doch inzwischen jeder könne, während das Aufstellen eines Bauschildes entweder mangels Genehmigung ein besonders couragierte Akt der bildenden Kunst oder mangels Courage „eine Genehmigung der besonderen Art“ erforderlich gewesen sei. Ich behaupte, in meiner Portokasse nachzusehen, ob ein Bauschild im Bereich der couragierten Möglichkeiten liege. Mit der Frage, ob der Anrufer ein Bestechungsgeld für die „Beschleunigung“ des Genehmigungsverfahren aus seiner bestimmt geräumigeren Portokasse seines Großraumbüros beisteuern möchte, endet das Gespräch abrupt.

01.07.24: Der perfekte Tag
05:48 Uhr Ich schaue auf die Wetterapp meines Telefons: Es regnet.
06:13 Uhr Ich schaue aus dem Fenster meines Zimmers: Es regnet tatsächlich.
06:38 Uhr Ich schaue aus dem Fenster des Frühstücksraumes: Es regnet noch immer. Was sonst?
07:23 Uhr Ich verlasse das Hotel: Es regnet immer noch: Was tun?
7:31 Uhr Baubeginn auf dem Bahnhofsvorplatz in Göppingen. Es regnet…, äh, nicht(?). Mein Rückenschmerz, der sich am Wochenende eingestellt hat und bis ins Bein ausstrahlt hat, liess mich krumm schief aus dem Bett steigen und zum Bauplatz der NEOKunsthalle humpeln. Dort sind bereits mehr als alle versammelt, die sich dort versammeln sollen. Die Freude ist genauso groß wie die leichte Nervosität zu Beginn dieses leicht waghalsigen Projektes wie das Mitgefühl für meine krumme Körperhaltung. Bei der Begrüßung kommt sogar für einen sonnigen Moment der Mond heraus. Den hat man schon so lange nicht mehr gesehen, man könnte ihn sogar mit der Sonne verwechseln. Inzwischen weiß man ja nicht mehr, ob es gerade Tag oder Nacht ist, nur eins ist immer gewiß, es regnet. Seit 8 Monaten regnet es aus dem einheitlich grauen Himmel auf die Menschen herab, als hätte man nicht schon genug davon hier auf der Erde. Vom wunderbaren Team der Kunsthalle sind auch schon Allefrau und -mann vor Ort. „Was machen wir, wenn’s regnet?“, fragen Melanie, Veronika, Eva und Amelie wissbegierig mit einer Prise leichter Besorgnis aus ihren fröhlichen Augen. Meine westfälische Redeblockade erlaubt mir noch keine Antwort. Die kommt stellvertretend von Achim, der behauptet: „Pause!“ Hagen Betzwieser, der wie immer gewohnt eifrig seine Kameraequipment aufbaut und ebenso gut gelaunt mitteilt, das es erst ab Mittag regnen werde, weswegen man doch jetzt zügig zur Sache kommen könne, er habe bereits alle Kameras „on“, ist auch schon auf der Baustelle. Achim und Fabian legen schon munter die Holzplanken aus und schneiden diese auf die entsprechende Länge. Als ich mich bei den Anwesenden für die 1-minütige Verspätung entschuldige, schauen alle, als wäre ich eher einen ganzen Tag zu spät. Als ich verkünde, das es je jetzt endlich losgehen könne, schauen alle gerade so, als hätten sie schon etliche Arbeitsstunden in meinem Rücken. Als auch schon die gutgelaunten Kamera- und Radioteams der lokalen Medienanstalten die „Arbeitsbühne“ der NEOkunsthalle betreten, behaupten diese, sie freuten sich sehr auf die Grundsteinlegung, aber hätte die nicht eigentlich schon gestern stattfinden sollen? „Äh, eigentlich nicht!“, spüre ich im Kontrast zu meinen Worten einen leisen Zweifel an ihnen meinem unteren Rücken die Wirbelsäule hinauf steigen, wo die Lebensfreude darüber, etwas zwar verzögert, aber nicht gänzlich vergessen zu haben, meinen Körper wenigstens etwas zu begradigen scheint. Ich stammele entschuldigend sowas wie, ich hätte kaum geschlafen vor lauter Gedanken darüber, womöglich nicht nur die Baupläne zuhause auf dem Schreibtisch liegen gelassen zu haben, sondern auch die Antwort auf die Frage, was man mache, wenn es mal nicht regnet, als die Frage: „Was machen Sie eigentlich, wenn es regnet?“, vom sympathischen Mann vom SWR-Radio, erneut gestellt wird. Meine Antwort überspielt hoffentlich die mit der mehrfachen Wiederholung dieser bestimmt sinnvollen Frage steigende Nervosität. Ich behaupte, das wir uns von solchen Kleinigkeiten ganz und gar nicht beeindrucken liessen, beobachte aber dabei den mit der schlecht gespielten Zuversicht steigenden Schmerz im Lendenwirbelbereich.

Als die Göppinger Bürgermeisterin Frau Cobet auf den Baustellenbrettern, die die Welt bedeuten, erscheint und kurz den Ablauf der Grundsteinlegung besprechen will, eröffnet auch sie das Gespräch mit der Frage, was man denn eigentlich mache, wenn es regnete? Genauso geschickt wie ihr doppelter Konjunktiv, behauptet Veronika Adam, man komme dann direkt ins Rathaus und müsse womöglich den ihr in Kürze zu überreichenden Grundstein, den alle Beteiligten zuvor zu unterschreiben hätten, wieder zurückfordern und verbauen. Wir hätten dann womöglich nicht ausreichend wetterfestes Baumaterial:) Als die Grundsteinlegung wie die letzte dunkle Regenwolke an uns vorbei- wie vorüberzieht, fängt es doch endlich wieder an zu regnen und wir können uns unendlich darüber Gedanken machen, was wir eigentlich machen, wenn es nicht regnet?
Johannes und Hendrick schlagen vor, auschließlich nur zu bauen, wenn es regnet, damit der im Projekt verankerte und veranschaulichte Widerspruch zwischen dem Material „Wellpappe“ und dem uns derzeit so beherrschenden Element „Wasser“ so deutlich wie möglich zu Tage trete. Der Künstler behauptet, sie hätten das Projekt womöglich falsch verstanden, Amelie wünscht: „Na dann gute Nacht!“, Hagen Betzwieser meint: „Ein perfekter Tag!“

TAG 2: „Wo Maurerschnur?“
08:01 Uhr Auf der Baustelle sind bereits Amelie und Hendrik. Interessanterweise fehlen ausgerechnet noch die Teammitglieder, die gestern dafür stimmten, heute schon etwas früher zu beginnen, um heute möglichst weit zu kommen mit dem Baufortschritt, damit der Bau heute möglichst weit voranschreitet, um heute viele Steine zu vermauern, damit weniger Steine noch zu vermauern sind, um alles vorbereitet zu haben für die heute zu erwartenden Schulklassen, damit wir gut gerüstet die Schüler beschäftigen können, um in den nächsten Tagen nicht in Zeitdruck zu kommen, damit wir nicht zu sehr unter Zeitdruck stehen, um damit, umdamit umdamitumdamu. Was soll dieser letzte Satz eigentlich bedeuten, fragt ein Leser, der das hier lesen muss? „Muss man ja nicht“, entgegnete ich.
Auf der Baustelle haben alle bereits Anwesenden Verständnis für alle noch Abwesenden. Als Grund wird ein möglicher Muskelkater wegen des Schleppens der leichtgewichtigen Pappsteine von Hendrik ins Feld geführt, über einen möglichen Knoten in den Fingern beim Falten der Hände spekuliert Thomas, eine mentale Überfaltung des Hypocampus hält Amelie für wahrscheinlich. Um 9:20 Uhr erreichen 42 Schüler und 4 Lehrerinnen die Baustelle der NEOKunsthalle, nehmen auf den Bänken Platz und behaupten, sie hätten noch keine Zeit zum Falten, man müsse erst die Pausenbrote verzehren. Johannes fragt nach dem Pausenbrotbelag, die Erstklässler behaupten wegen uns ihr Brot nicht einfach Brechen zu können, überhaupt habe man einen nicht ganz so leichten Tag, bestätigen die Lehrerinnen. Ich pflichte bei mit dem Hinweis, das man exakt aus diesem Grunde vom auf dem Bau üblichen Werkstoff Stein auf Pappe umgestiegen sei. Die allgemein vermisste Leichtigkeit verfliegt, als nach kurzer Einweisung in die Geheimnisse des Pappsteinfaltens, alle Schüler in wuseliges Chaos hinein knicken, kreuz und quer über die Baustelle und darüber hinaus falten und die Pappsteine in den Himmel hinauf mauern. Eine dynamische Faltgemeinschaft zwischen rundlich gefalteten Pappsteinecken, gerundeten Faltkanten und gebrochener Pappwelle entsteht und bleibt für interessante 2 Stunden beieinander, bevor der erste Schüler Pippi muss, die nächste Schülerin die leimgebadeten Hände zum Pausenbrot verschmausen verwendet und Udai seine Mutter vermisst.











Als ein älterer Syrer durch den Zaun: „Ich nix verstehen Deutsch, aber Kunst gut!“ Mit dem Daumen nach oben gerichtet ruft, kann eigentlich außer angemessen schief stehenden Mauern nix mehr schief gehen. Als dann noch ein rumänischer Bauarbeiter im Eingangsbereich zur NEOkunsthalle die wie an der Schnur verzogenen Mauer inspizierend fragt: „Wo Maurerschnur?“, glaube ich sogar an die Stabilität des heutigen Wetters. Als dann auch noch am Nachmittag die Schüler der sechsten Klasse der örtlichen Realschule meinen Rat, nicht mit zu falten, um stattdessen einfach auf der Bank sitzen oder liegen zu bleiben, um sich endlich mal auszuruhen, eher zu chillen und weder zu falten noch mauern, nicht befolgen, um stattdessen engagiert alle Wände des Gebäudes um ein paar Pappsteinreihen zu erhöhen, besteht Grund genug zur Annahme, den lokalen Gemeinschaftsgeist, der in der Vergangenheit das schwäbische Mittelstandswunder hervorgebracht hat, endgültig reaktiviert zu haben…

TAG 3: „Nicht von Pappe.“
08:01 Uhr Auf der Baustelle regnet’s, sonst auch. Der freundliche und das Projekt unterstützende Gerüstbauer Herr Kurz bringt noch kürzererhand zwei Rollgerüste auf die Baustelle. Ich frage, ob er kürzesterhand Hilfe dabei benötige. Er winkt mit den Worten, das machte er mit links, ab. Ich winke mit rechts zurück. Am Bahnhof wird vor Freude beidhändig lang gewunken, als sich auf der Baustelle etwas tut und Herr Kurz die Rollgerüste aufstellt. Wir verlegen die Faltworkshops kurzerhand in die Kunsthalle Göppingen, die dort mit 30-minütiger Verspätung anfangen. Als Grund dafür wird über die Bahnhofslautsprecher, das schlechte Wetter am Bahnhof Stuttgart 21 angegeben.
09:10 Uhr Anrücken von 27 Schülern der 4ten Klasse. Afra fragt, was wir heute machen, ich erkläre: „Falten!“. Mustafa meint: „Kannste knicken“.
09:30 Uhr Nach einer kurzen Einführung in die Geheimnisse der Kunst des Papierschiffchenfaltens werden weiter Unmengen an Pappsteinen aufgefaltet, die sofort zu eigenen Zimmern zusammen gesetzt und aufgemauert werden. Mustafa fragt, ob er eine Pappklingel anbringen könne, Chiara meint, in ihr Zimmer dürften nur Mädchen. Alession will gleich in sein neu erbautes Haus einziehen, Kaan möchte eine Dachpappe auf seinem Haus anbringen, Chiara will ihr Zimmer mit nach Hause nehmen, Güntog will am liebsten hierbleiben, wir einigen uns aufs Wiederkommen.





14:35 Uhr Besuch des Seniorenheims „Sternenquartier“. Wir berichten ausführlich vor versammelten Klientenschaft von einer Kunstaktion, die den separativen Tendenzen in Politik und Gesellschaft mit integrativer und inklusive Arbeit begegnet und als Vorschlag für die Kunft der Zukunst in Form eines Kunsthallegebäudes aus Pappe vorübergehend wie exemplarisch in Stellung bringt. Renate nickt zustimmend und meint, sie wolle lieber Pappnasen falten, Annemarie schüttelt mit dem Kopf nach Renates Bemerkung, Volker fragt, wann es endlich losgehe, Frau Tapoletti will den Stein signieren, bevor der Knick in ihrer Pupille die Pappsteine auf unscharf stellt, die Laberwatschel erklärt, wir wären hier nicht im Pappaltenheim und von hinten ruft Frau Bahren, wir „Falten mit den Alten“. Als ich erkläre, der Pappstein sei von einem sehr schlauen Mann, namens Andreas Wahl von der Firma Seiferth entwickelt, staunt Volker und die Laberwatschel aus Kasachstan fragt, ob es nicht besser wäre, wenn der nicht an unserer Stelle mal vorbeikäme? Der Mann sei offensichtlich nicht von Pappe. Ich rücke dessen Telefonnummer raus, damit man sich leichter verabreden könne. In Windeseile sind 50 Steine gefaltet, die morgen auf der Baustelle der NEOKunsthalle verbaut werden können, so die Wettergötter wollen.
Volker eilt noch behände bzw. bebeine hinter uns her und verabschiedet uns angemessen mit einem Wort von Friedrich Rückert:

Willst du, daß wir mit hinein
In das Haus dich bauen,
Laß es dir gefallen, Stein,
Daß wir dich behauen.




TAG 4: „soviel Wasser wie seit 143 Jahren nicht“
07:33 Uhr Anruf der Rektorin der Schule der Schüler, die gestern so eifrig Steine gefaltet haben. Wir möchten doch bitte schleunigst die Fotos aus dem Bautageblogg herausnehmen, auf denen Adam und Eva zu erkennen sind. Wir hätten keine Genehmigung der Eltern, das die Kinder fotografiert werden dürften. Ich muss also zurück aus der Kunsthalle, die ich gerade im Begriff bin zu betreten in mein Gästezimmer in der Stadt, um dort meinen gestrigen Bloggbeitrag noch schnell zu korrigieren, bevor die nächste Schulklasse zum Steine falten erscheint.
09:37 Uhr Über 40 Schüler betreten den Ausstellungsraum in der Kunsthalle, um kleine wie große, einsame wie gemeinsame Falterlebnisse zu sammeln.
12:43 Uhr Ein Mann kommt mit dem Aufzug aus dem zur NEOkunsthalle gehörigen Parkhaus hinauf gefahren und verlässt die gläserne Kabine, nachdem er eine Weile das Treiben auf der Baustelle beobachtet hat mit den Worten: „Ist das Pappe? Was soll das? Das wird doch nass, oder etwa nicht?
Sein Begleiter ergänzt: „ Habt Ihr zuviel Geld, oder was?





15:42 Uhr Ich komme zurück von einem Ausflug in die Welt der Baden-Württembergischen Baumärkte mit einem Baumarkterlebnis der besonderen Art, einem Eimer Leim und ausreichend Abdeckfolien im Gepäck. Im Baumarkt hatte es zum Glück nicht geregnet, dennoch schienen die Baumarktbesucher von heute nicht gerade vom Glück verfolgt zu sein. Einem polnischen Handwerker fehlt seit kurzer Zeit ein Finger, so sein Bericht am Kaffeeautomaten des lokalen Schraubengroßherstellers: „Der einfach weck. Aber, noch neun andere da“,seinem Arbeitskollegen fehlt schon länger ein Auge: „Nicht schlimm, ein Auge dafür besser sehen“. Wenige Meter entfernt humpelt ein einbeiniger Mann auf zwei Krücken zum Leiterregal, an der Kasse unterhalten sich zwei ältere Männer über lockere Schrauben im künstlichen Hüftgelenk. Der Kassierer wünscht einen guten Tag. Ich wüsste noch nicht, tue ich meinen Zweifel kund.
Auf der Baustelle begrüßen mich Petzi, die eifrig einen Pappstein nach dem anderen faltet, und Michael, der vorgibt, den Zeitungsartikel gelesen zu haben, und nun mal an den Pappsteinen schnuppern möchte. Er wird von Petzi an die Hand genommen und mit der Faltanleitung der Pappsteine, die der ja inzwischen zu lokaler Berühmtheit gelangte Andreas Wahl entwickelt hat, betraut. Als mir der Namen des gelehrten Faltingenieurs, dieses Überfliegers der Papiermaterialkunde und des Grandseigneurs der Wellpappgesellschaften gerade über die Lippen kommt, ist dieser prompt am Telefon und behauptet, er stünde gerade vor „seinem“ teilweise verhüllten Pappmonument. Der rote Papierrollenteppich wird schnell ausgerollt, um dieser hohen Persönlichkeit entsprechend einen angemessenen Empfang zu bereiten. Der erklärt vor versammelter, vom Regen bereits durchweichter und vom langen Arbeitstag auf der Baustelle ermüdeter Truppe, das der Stein ja deswegen so großartig sei, weil er ja in seiner großen Entwicklerweisheit und… äh, Tüftlergröße, ja extra eine „Doppelwandfaltung“ verwendet habe, die dem Stein sogar bei Regen höchste Stabilität verleihe, da der innere Kern vom Wasser nicht aufgeweicht werden könne, da die äußere Wand die Feuchtigkeit fernhielte. „Sein Stein“ sei quasi ein Wunderwerk. Er halte einiges aus, außer vielleicht einen Starkregen. So wie dieser hier… –
Als der einsetzende stürmische Wind Wahls Worte durch unsere Gehörgänge überraschend gemächlich in unseren Verstand segeln lässt, um ins vom hohen Besuch getrübte Bewusstsein zu tröpfeln und allmählich Vertrauen in das Vernommene zurückkehrt, kehrt ebenso langsam Leben in die anwesenden Körper zurück, die sich immer schneller in Bewegung setzen, um im Panikmodus angelangt zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Alles patschnass. Der beiseite geschobene Tüftler und im Rettungsweg gestandene Entwickler erklärt hinterher, das man extra keine Schmutzschicht auf die Pappe aufgetragen hätte, da das Drama doch ein wichtiger Bestandteil des Projektes sei, wenn er „sein Projekt“ richtig verstanden habe. Er liebe ja griechische Dramen. Die Kinnladen stehen offen, heraus kommt nichts. Uns fehlen die Worte, wie dem Wetter das Wasser, der Regen hat aufgehört. Es ist ja auch schon alles nass. Valentin erklärt, man müsse jetzt schleunigst die nasse Pappruine einpacken, um sie vorm Austrocknen zu schützen. Wer hat hier eigentlich was falsch verstanden?


TAG 9: „Die Frage aller Fragen“
9:18 Uhr Ein Herr in den mittleren 60ern kommt mit seiner Frau aus der Tiefgarage, die wohl extra unter der NEOkunsthalle gebaut wurde, witzelt Valentin, damit den vielen Leute, die aus dem Aufzug steigen, ein besonders herrlicher Blick auf das monumentale wie temporäre Pappbauwerk geschenkt werde. Man habe das eben schon früh vorher gesehen, das hier eines Tages etwas Weltbewegendes stattfinden werde, untertreibt Johannes. Hendrik meint: „Hoffentlich hält die Tiefgaragendecke dieser Belastung stand. Schließlich sei dieser Bau nicht von Pappe. Außerdem habe er gestern Abend viel gegessen, erklärt er sein heutiges Körpergewicht“. Veronika meint: „Wenn der Bahnhofsvorplatz wegen Hendrik in die Tiefgarage stürzt, falten wir den Leuten einfach neue Autos:)“. „Wir hätten die Wände doch besser aus Beton gegossen“, wirft Achim noch ein. „Dann würden auch nicht soviel Leute fragen, was wir machen, wenn’s regnet“, schmunzelt er über die so verständliche Frage vieler Passanten. Aber zurück zum Geschenk an die Leute. Denn wie es im Leben so ist, manche nehmen ja Geschenke nur ungern oder gar nicht an. So eröffnet der Herr, der seinen SUV soeben unter der Pappkunsthalle geparkt hat, aus dem Aufzug steigend das Gespräch mit der Frage, die inzwischen ganz Göppingen in Atem hält und viel Göppinger bis zu einem extra-Besuch auf dem Bahnhofsvorplatz umzutreiben scheint: „Was machen’s, wenn’s regnet?

Ich: „Dann wird’s vermutlich nass.“
Er: „Ja, aber ist doch Pappe, das wird dann ja nass.“
Ich: „Wenn nix Außergewöhnliches oder Übernatürliches passiert, haben Sie vermutlich recht.“
Er: „Warum machen’s denn das dann überhaupt?“
Ich: „Wir bauen für den Moment, nicht für die Ewigkeit.“
Er: „Sie bauen hier so a riesiges Gebäude für einen Moment? Und wer bezahlt das?“
Ich: „Zahlen Sie steuern? Falls ja, haben Sie das bezahlt.“

Die Frau des etwas unwirschen Mannes, der gerade nicht so genau weiß, was er sagen soll, wird von seiner Frau, die bisher ungläubig dreinschauend ihrem Mann nach dem soeben Gehörten eine kleine Pause gönnt, übernimmt die Fortsetzung des Gesprächs):

„Und wer räumt dann hier wieder auf und macht den Dreck weg?“
„Das machen wir, wenn Sie sich darüber beschwert haben, das die Pappe vom Wind durch Göppingen gepustet wird, vor Ihrer Haustür oder im Garten landet und Sie sich daran stören. Bevor das aber soweit ist, lassen Sie sich ganz kurz sagen, das von Ihren Steuergeldern bisher mehr als 400 Göppinger in die Lage versetzt wurden, an diesem zukünftigen Müll mitzuwirken. Viele davon sind Schulkinder, Jugendliche und Kindergartenkinder und Senioren vom „Sternenquartier“, die alle beinah kindlich erfreut darüber waren, dass sie endlich mal etwas mit ihren Händen zu tun bekamen und Erfahrungen machen, die auf Tatkraft, Geschicklichkeit und einer Prise Widersinn beruhen. Das konnten sie alle hier vor Ort einbringen, indem sie Pappsteine zum Teil im strömendem Regen gefaltet und gleich vermauert haben, wodurch wir überhaupt erst in die Lage kommen, jetzt schon den Dachstuhl zu bauen. Die Göppinger haben es tatsächlich geschafft, dieses, zugegebenermaßen, leicht waghalsige Projekt, soweit mitzutragen und zu -entwickeln, das wir tatsächlich bis zum Richtfest am kommenden Freitag fertig werden könnten. Aber man weiß ja derzeit nie, ob sich die Himmelspforten nochmals öffnen und sich die Wettergötter zum wiederholten Male einmischen wollen. Nun kommen aber sie hierher und finden eine Gelegenheit vor, Ihr Wissen über gesellschaftliche Zusammenhänge bzgl. Geldverwendung und -Verschwendung anzubringen und deuten an, das hier sei Steuergeldverschwendung und Müll. Vielleicht geben Sie mir doch Ihre Telefonnummer, dann gebe ich die mal ans Seniorenheim weiter, da können Sie sich dann erzählen lassen, wie die älteren Damen und Herren in kindlicher Freude bei diesem Schabernack in eine Lebendigkeit geraten sind, die schon allein dieses Projekt hier rechtfertigt. Aber Sie können denen ja was erzählen von ihrem großen Wissen über Geld, Geldflüsse und -sinnvolle Verwendung, das wahrscheinlich aus großer Steuergeldverwendungsweisheit geboren ist…

Die beiden stehen wie angewurzelt am Bauzaun, schlagen die Einladung zum Mitbauen nach der soeben erlebten Tirade genau wie die Einladung zum Richtfest am Freitag, den 12. Juli aus und müssen jetzt schnell noch was erledigen. Ich entschuldige mich für die deutlichen Worte, sollte ich übertrieben und etwas barsch reagiert haben. Ich erkläre, diese Frage werde selbstverständlich oft gestellt, ich könne leider nicht mit jedem ein solches Gespräch führen. Sie hätten jetzt offenbar die exemplarische Klar- und Richtigstellung erlebt. „Wir können es ja den anderen weitersagen“, scheint die nun lächelnde Dame ihren Humor entdeckt zu haben. Wir schieben die „Klarheit der Worte“ auf die „Klarheit des Wetters“, genau wie die Hitze dies hitzige Wortgefecht erst hervorgebracht haben möge. „Wir kommen vielleicht mit unseren Enkeln mal vorbei zum Falten“, geben die beiden vor. Ich bedanke mich für das womöglich etwas zu ausführliche Gespräch und erkläre meine Freude, sollten Sie tatsächlich zum Pappsteinefalten kommen.
15:28 Uhr Nach dem Besuch in der Stadt kommen die beiden nochmal zurück zur Baustelle und erzählen, wie sehr sie unter dem Bau ihres eigenen Hauses gelitten hätten. Sie hätten es gar nicht geniessen können, ihr Eigenheim zu bauen, da damit gleichzeitig ein Schuldenberg entstanden sei, der es ihnen offenbar unmöglich mache, einen Genuss bei der Betrachtung der Entstehung dieses Gebäudes aus Pappe zu empfinden. Ich erkläre, mich ebenfalls ganz gut auszukennen mit derlei Empfindungen und behaupte, exakt aus diesem Grunde solche Projekte überhaupt erst zu verwirklichen. Sie hätten soeben den Sinn solcher Vorhaben bestätigt und einen Schritt getan, zu dem ich Ihnen nur gratulieren könne. Dieser Perspektivwechsel sei schwierig und für viele unmöglich: „Das sollten sie bitte unbedingt weitererzählen!“




10. Juli: Und dann der Regen
5:38 Uhr Es ist Morgen, ich werde vom Regen geweckt, der auf Petzis Dach trommelt. Mein Bauch fühlt sich an wie eine Waschmaschine, in dem sich meine Gefühle überschlagen zwischen: „Oh nein, muss das jetzt auch noch sein?“, „Der Regen muss sofort aufhören!“ Und: „Ich muss jetzt aufstehen und zur Baustelle, um alles abzudecken“.
Tatsächlich kann ich gar nicht aufstehen, da meine Knochen und Muskeln zu sehr schmerzen von all der Anstrengung der letzten Tage. Ich habe keine Wahl, ich muss liegen bleiben und mich weniger wohl als übel den Gefühlen hingeben, die sich nun in so unangenehmer Weise aufdrängen. Die Kräfte reichten am gestrigen Abend nicht mehr aus, um alles angemessen vor dem zwar angekündigten, aber jetzt deutlich stärker ausfallenden Regen zu schützen. Wir können die der Gemeinschaft gebaute Kunsthalle in der inzwischen erreichten Dimension bei der Fragilität des Werkstoffes Pappe nicht mehr beschützen und müssen nun in Kauf nehmen, das sie der Regen schon heute mindestens massiv beschädigt oder sogar zerstört…

Ein paar Momente später legt sich die Verzweiflung und verwandelt sich mit zunehmender Dauer des anhaltenden Regens in Loslassen dessen, was sich ohnehin der Kontrolle entzieht, um doch noch mal in tiefe Trauer über den möglichen Verlust zu fallen, um wiederum in Schicksalsergebenheit überzugehen. Was haben wir nicht alles investiert, um am Freitag ein Richtfest eines Gebäudes zu feiern, das die Fragilität der Gesellschaft abbilden kann wie den Willen, den Kräften der Elemente zum Trotz, darauf zu bestehen, das wir Menschen in Gemeinschaft so vieles, vielleicht sogar Unmögliches bewirken können? Im sinnbildlichen Spannungsfeld von Erstaunen über die Wahnwitz, ein Gebäude aus Pappe in den nassen Sommer des Jahres 2024 zu bauen und zu behaupten, wir bestehen trotz aller Widerstände auf Zusammenhalt und Gemeinschaft bei allen politischen, wirtschaftlichen und religiösen Versuchen, die Menschen voneinander zu trennen? Wir können trotz allem eine Kunsthalle von unten nach oben bauen, um an Gründungsprozesse und Diskurse zu erinnern, die wir heute leichtfertig und umhinterfragt hinnehmen, weil es schon immer so gewesen ist. Wir ermutigen jeden, jenseits von Expertisen, besonderen Fähigkeiten und Titeln, sich freiwillig einzubringen, zu zeigen und am „Haus der künstlerischen Gemeinschaft“ mitzuwirken. Selbstverständlich schließen wir auch die höheren Mächte davon nicht aus. So ist der Regen womöglich ein Geschenk, exakt die Ingredienzie und Zutat, die das skulpturale Bild erst komplettiert und durch das Wasser des Himmels in Aufrichtigkeit, Authentizität und weit weg von Ideal, Illusion und Trugbild im Reich der Wahrhaftigkeit der Wirklichkeit platziert?

6:18 Uhr Textnachricht von Valentin: Oh weh, ich komm sofort runtergefahren zum Abdecken der NEOKunsthalle. Ich stehe sofort auf und bewege mich ebenfalls sofort zum Standort der NEOKunsthalle. Zum unser aller Glück sollte später Michael mit Kuchen zur Baustelle kommen, um uns damit ein wenig zu trösten…

Auf großer Fahrt von Citeaux nach Gravenhorst

 

Auf großer Fahrt von Citeaux nach Gravenhorst ist das „Logbuch“ eines ca. 600 Seemeilen langen Reiseabenteuers. Der Kölner Künstler Frank Bölter fuhr im Jahr 2006 mit einem Riesenpapierschiffchen aus Tetra Pak entlang der europäischen Kultivierungs- und Kolonialisierungswasserwege Saône, Canal de l’Est, Moselle, Mosel, Rhein, Rhein-Herne-Kanal, Donau-Ems-Kanal. Die Reise begann mit einer gemeinschaftlichen Faltaktion mit Novizen des Ordens im Gründungskloster des Zisterzienserordens Citeaux und endete mit der Übergabe einer Botschaft des Abtes im ehemaligen Tochterkloster des Ordens, dem heutigen „Kunsthaus Kloster Gravenhorst“. Das Buch dokumentiert die Unwägbarkeiten des Projekts sowie die Hilfeleistungen freiwillig wie unfreiwillig in das Projekt eingebundener Personen in Text und Bild, lässt die im Mittelalter übliche Verbindung zwischen Kunst und Spiritualität wieder aufleben und erinnert an die „Missionsreisen“ früher Mönche (z.B. St. Brandanus, 5. Jh.). Festeinband aus dem als Bootsmaterial genutzten PE-Getränkefolienumschlag. Gefördert durch die Stiftung Kunstfonds mit Mitteln der VG Bild-Kunst.

 


Publikation „Auf großer Fahrt von Citeaux nach Gravenhorst“

François Beultier

IMAGE 2023-11-24 11:35:08

„Im Studium der freien Kunst entschloss ich mich, die Entwicklung der Kunsthochschulen bzgl. ihrer Fokussierung auf die neuen Medien mit der Entscheidung, meine damals einzige Zimmerpflanze, eine Primel, immer und immer wieder zu „porträtieren“, malerisch zu kommentieren. Die in den wöchentlichen Kolloquien in der Malereiklasse in „Rückwärtsgewandtheit zwischen Impressionismus und Expressionismus“ verortete Malerei wie die permanente Anwesenheit des pflanzlichen Wesen veranlassten mich, mein gesamtes Studium und darüber hinaus, meine Zimmerpflanze durch die Malerei zu hegen und zu pflegen. Als kritische Position zur Konzentration der Kunstakademien auf die neuen Medien wurde das erst nach etlichen Präsentationen der „Primel“ auf den jährlichen Rundgängen erkannt. Zunächst brachte man diese etwas „langweilige Malerei“ nicht mit meinen damaligen, als wesentlich interessanter bewerteten Performances überein, denn die Unterschrift der Kunstfigur „François Beultier“ war nur auf der Rückseite zu finden. Niemand macht sich die Mühe, die Bilder mal als ganzes Objekt zu betrachten. Zum Glück war mein Studium zu Ende, bevor dieser Umstand erkannt und eine Karriere in der Malerei damit möglich wurde“ (…), berichtet François Beultier rückwirkend in einem Text über seine Studienzeit um die Jahrtausendwende.

o. T., (Primel), 2001, Öl auf Leinwand, 50 x 50 cm

o. T., (Primel), 2001, Öl auf Leinwand, 50 x 50 cm

François Beultier hatte seinen ersten Auftritt in einer Kunstakademie beim Rundgang im Wintersemester 2000/2001, als er mit angeklebtem Künstlerschnurbart, geschwungenem Seidenschal mit aufgesetztem Hut und Gebahren kostümiert auftrat und eine Reihe seiner gemalten „Primeln“ in den Fluren der Hochschule und in seiner Klasse ausstellte. Die Kunstfigur „François Beultier“ fand nicht sonderlich viel Beachtung, war den Kommilitonen der angehende Künstler doch schon unter anderem Namen bekannt. Zudem waren seine Bilder für das Publikum unsichtbar auf der Rückseite signiert und die Signatur demnach nur bei zu intensiver Beschäftigung mit dem Bild und allseitiger Betrachtung der Leinwandobjekte zu entdecken. Eine seinerzeit namhafte Galerie im Rheinland vermied schließlich eine Präsentation der augenscheinlich „delikaten Malerei“ Beultiers mit der Begründung einer zu „arg listigen Täuschung“ innerhalb der bereits anberaumten Einzelausstellung. So blieb dem „französischen Künstler“ zunächst eine angemessene Karriere versagt, was ihn zunächst in eine langanhaltende Malblockade führte, die sich aber im Angesicht der zunehmenden Bedeutung der Thematik von Täuschung und Enttäuschung in den darauffolgenden Jahren und Jahrzehnten mehr und mehr löste…

Der Kunst wird gern die Sichtbarmachung der allgemeinen Suche des Menschen nach seiner Position in der Welt, einer Identifikation des Individuums und einer Bestimmung des Ichs zugeschrieben. In der Kunstgeschichte können wir an der Entwicklung der „Handschrift“ ablesen, wie ausdifferenziert sich das Individuum zu behaupten vermag und abzugrenzen versteht. Was aber, wenn sich ausschließlich die Konzentration auf das Ego kausal zur Dimension des Erfolgs eines Künstlers verhält? Wenn der Mensch von seiner egoistischen Entwicklung, der dauerhaften Pflege desselben und ein messbarer Gewinn nur von der Ausbildung des Egos abhängt und die Unfähigkeit, davon abzulassen wie der Mangel an anderen Strategien eine Situation gebiert, die sich im Persönlichen wie im Gesellschaftlichen derzeit überall zeigt und der einzige Ausweg als eine überall postulierte Transformation des- und derselben verkauft wird, damit wir doch wieder im Ego-fokussierten Bewusstsein landen? Veranschaulicht die angestrengte und akademisch angestrebte Suche nach dem Alleinstellungsmerkmal eines Künstlers und damit die wieder erkennbare Handschrift einer Künstlerpersönlichkeit nicht genau dieses Problem? Sollte damit etwa allgemein sichtbar werden, dass Ausbildungen, Karrieren, technischer Fortschritt genau wie alle anderen gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen nur in eine Sackgasse der übersteigerten Egos führen und hier enden?
Wenn dem so sein sollte, wird damit die Handschrift bei der Tiefe und Größe der Problematik obsolet zugunsten eine Epoche permanenter Wandelbarkeit von Handschriften, Haltungen und Hirarchien? Einzig eine höchste Qualität und Professionalität innerhalb einer Palette von Fertig- und Fähigkeiten bliebe erhalten und zeichnete den Menschen jenseits seiner Signatur diverser Handschriften aus. So entfaltet sich womöglich nach einer Zeit der Entwicklung des Solisten, Solitären und damit Separierten seit Albrecht Dürers „Selbstbildnis als Künstler“ im Jahre 1498 und seiner Pflege über die folgenden Jahrhunderte möglicherweise ein Sprung über das Bewusstsein des Egos hinaus, nur wohin? Was kommt nach der Entwicklung und Entfaltung des Egos, das zumeist auf Kosten anderer ausgeprägt werden muss? –

Wie entstanden die allseits zu beobachtenden Täter- und Opferspiele, zu der sich neben diesen beiden Rollen, auch noch die des Initiators dieser Spiele, der sich dann auch noch als Retter des Opfers und als Richter des Täters aufspielen darf? Nehme ich mangels Sensibilität und Übersicht eine dieser Rollen ein, dränge ich mein Umfeld nur dazu, die anderen Plätze einzunehmen und es entsteht ein Verhalten innerhalb dieser Rollen, das alle unlebendig macht, da wir allmählich diese Rollen in Lebensgewohnheiten verwandeln und schließlich ganz mit dem Leben verwechseln. Ganze Industrien werden um den Erhalt dieser Rollen herumgebaut und behauptet, ohne sie könnten wir nicht überleben. Eine Dimension der Täuschung entsteht, die wir aufgrund ihrer Größe für die Wahrheit halten. Werden wir in diese Funktionen gedrängt, entsteht in dem Menschen, der es sich gestattet, ein Gefühl der Getrenntheit von sich selbst und von der Welt, das neben dem Bedürfnis nach Entfaltung das wichtigste Gefühl des Menschen überhaupt ist: die Verbundenheit. Jedes kleine Kind strebt danach und muss lernen, das beide Grundsteine seiner eigenen Entwicklung auf der Erde nicht gelebt werden können. Ähnlich verhält es sich mit der Rolle des Künstlers, der (mehr oder weniger verzweifelt) versucht, auf seine Umgebung über Impulse Einfluss zu nehmen, ihr Erneuerungen zu verschaffen, Innovative Elemente einzuverleiben, auch noch permanent Denkanstöße liefert und an Gefühle appelliert, um selbst aus seiner Rolle heraus zu finden und andere bestenfalls mit in die Lebendigkeit zurück zu führen. Dabei stabilisiert er nur durch seinen Beitrag den Mangel an Lebendigkeit, indem er so tut, als sei in dieser Gesellschaft eben doch alles möglich. Stimmt nicht, denn er bleibt mit seiner Beteiligung am Spiel selbst in Markt-, Sach- und Geltungszwängen gefangen.

Aber wie verlassen wir nun das begrenzte Spielbrett dieser Möglichkeiten, in der die Kunst auch nur das Erfüllen einer beschränkt innovativen Erwartungshaltung der anderen bedeutet, um überhaupt ein bisschen Beachtung geschenkt zu bekommen? Wie können wir die dafür notwendige Sensibilität entwickeln, um in die nötige Übersicht zu kommen, um das gesamte Bild im Kleinen bei sich selbst wie im Großen in der Gesellschaft endlich wahrnehmen zu können?
Beultier schlug beim Rundgang der Kunstakademie vor, die Rolle mit Humor zu füllen, indem er in seinem frankophilen Kostüm in frivol-französischakzentuiertem Deutsch dem an seinen Bildern interessierten Publikum die von ihr erwartete Künstlerrolle mit den Mitteln der Übertreibung und Pointierung vorspielte, so das eine innere Befreiung davon stattfinden konnte. So hüpfte er leichtfüßig über die, womöglich das Blumenfeld seiner eigenen Abhängigkeiten, Befindlichkeiten und Gefühle darstellenden einzelnen Blumentöpfe und sprang damit vom Spielfeld der Rollen zurück in seine eigene Lebendigkeit. Billigend in Kauf nehmend, das darauf eine Ignoranz des Kunstmarktes folgte, blieb das Gefühl der inneren Freiheit übrig. Damit ist der Humor, wie er uns zeigte, Mittel, Weg und Zweck, die Rollen der beschränkten Möglichkeiten oder das gesamte Spielfeld des Transaktionsdreiecks zu verlassen. Jenseits dieses Feldes wartet vielleicht eine Freiheit wie eine Kunst, die wirklich frei sind, und die einem das nicht nur vorgaukeln. So sind die Primeln womöglich der Versuch, mit jedem Bild neue Handschriften zu entwickeln, in täglicher Permanenz auf der immerwährende Suche nach neuen Positionierungen in sich wiederholender Sichtbarkeit, um der allgegenwärtigen Falle des Marktes, der krampfhaften Suche nach dem nur scheinbar erlösenden Alleinstellungsmerkmal oder des vordergründig nützlichen Labels auszuweichen…

o. T. (Feige), 2023, 50 x 50 cm, Öl auf Leinwand

o. T. (Feige), 2023, 50 x 50 cm, Öl auf Leinwand

o.T. (Feige), 2024, 50 x 50 cm

o.T. (Feige), 2024, 50 x 50 cm

o. T. (Feige), 2023, 50 x 50 cm, Öl auf Leinwand

o. T. (Feige), 2023, 50 x 50 cm, Öl auf Leinwand

o. T. (Feige), 2024, 50 x 50 cm, Öl auf Leinwand

o. T. (Feige), 2024, 50 x 50 cm, Öl auf Leinwand

So ist die Galerie Hausen in Euskirchen die erste Galerie, die sich der Malerei Francois Beultiers annimmt und seine Arbeiten öffentlich ausstellt.

Einladungskarte François Beultier

Chronik von Que(e)rbet, -feldein und -denken in Köln-Kalk

1694022588018

 

12.04.2023 Anruf von Tommi Grusch vom Stadtteilbüro Kalk-Nord und Veredle e.V. mit der Frage, wie die Welt in Kalk noch zu retten sei? Ich verspreche sofort nach Kalk zu kommen, um ein Loch in die Wand zu machen.

15.04.2023 Ortsbegehung und Besichtigung von Kalk und neuralgischen Punkten den öffentlichen Raum betreffend. Auf Nachfrage halten 50 % der Befragten die Parkplatzsituation für das größte Problem in Kalk, neben den Mietpreisen und den ansteigenden Lebenshaltungskosten. Als ich etwas zu spät zum meinem nur in Notfällen dieser Art zu fahrenden Auto zurückkomme, klebt ein Knötchen an der Windschutzscheibe. Die Parkzeit habe ich um 7 Minuten überzogen.

16.04.2023 Visualisierung des Projektvorhabens „Queerbet, -feldein und -denken in Kalk“ als zweiteiligem Workshop zur beispielhaften Transformation der gesamten Gesellschaft in Kalk in Form der gemeinschaftlichen Faltung des „SUV Kalk“ aus Karton zum Kalkfest am 19.08.2023 und der Transformation des Vehikels am 27.08.2023 in die „Rose of Kalk“. Tommi Grusch erklärt im Namen des Stadtteilbüros Kalk-Nord und des Veedel e.V. sein Einverständnis in den blumigen Worten: „is ok!“, warnt aber gleichzeigit vor zu hohen Parkgebühren, sollte der SUV Kalk die anvisierte Parkzeit von einer Woche überstehen.

19.08.2023
Ab 14 Uhr Fertigung des SUV Kalk mit tatkräftiger Unterstützung der Nachbarschaft der Loestraße unter Melonenspenden eines älteren türkischen Herrn und der Versorgung mit Kirschkuchen einer älteren „Urkalker Dame“, die das Geschehen von ihrem Balkon aus beobachtet und eine Stärkung verspricht: „Sie müssen doch was essen, bevor Sie damit losfahren! „Aber sagen Sie mal, wo wollen Sie denn damit eigentlich hin?“ Fragt Sie mit leicht besorgtem Unterton. Der 8-jährige Mohammed antwortet planvoll: „Erst auf den Kalkberg, dann parken wir falsch am Kalkar Stadtgarten!“. „Gute Idee“, meint die soeben die Bühne, die die Welt bedeutende und betretende Elke S., die mit ihrer gerade noch rechtzeitig entbundenen Tochter Lenja zur Jungfernfahrt des die Automobiltechnik womöglich weiter entwickelnden SUV Kalk erscheint, wie der frisch gebackene Opa Dirk S. Dazu meint, der dafür gesorgt hat, das die Kalker Bevölkerung einigermaßen Bescheid weiß, was sich Weltbewegendes im Hinterhof der Loestraße in Kalk abspielt. „Ich weiß noch nicht“, meint der frisch gebackene Projektbeauftragte des zivilen Ungehorsams in Kalk Tommi Grusch, „ob das hier gut geht.“ „Ich habe die Faltanleitung vergessen!“, fällt dem Künstler gerade noch rechtzeitig auf, damit Mohammed meint, er wisse, wie es weitergehe. Prompt wird dem 8-jährigen Mohammed der Führerschein gefaltet und ausgestellt, damit der Prototyp auf die Probe gestellt werden kann.

 

1694022536408

 

16 Uhr pünktlich wie die übrige lahmendere deutsche Autoindustrie läuft der Prototyp des SUV Kalk vom Band und kann seine Probefahrt antreten. Am Kalker Markt verlässt die eine Hälfte der Insassen das manövrierfähige Vehikel. Es fallen Sätze wie „Ich hätte ich gewusst, das ich selbst fahren muss, wär ich gar nicht erst gekommen!“, oder: „Danke fürs Mitnehmen.“, Andere meinen: „Das Lenken fällt ein bisschen schwer, ansonsten absolut verkehrstauglich!“. Mohammed fragt: „Ob er sofort einen Führerschein machen könne?“, der ihm prompt ausgestellt und gefaltet wird. „Man sieht ja drinnen gar nicht, was draußen los ist?“ Stellt Elke fest, damit Florian sagen kann: „Hier ist sohl der einzige Ort in Kalk, an dem man mal mit sich alleine ist.“ Als wir nur noch zu Dritt sind, fährt der heilige Geist in uns, mobilisiert unsere letzten Kräfte, die uns doch noch bis auf den Kalkberg führen. An der Pforte meint einer der das Areal bewachenden Feuerwehrmänner aufgeschlossen: „Eigentlich wollten wir keine Autos mehr auf den Berg rauf lassen.“ Bernd Giesecke kontert beflissen: „Der Wagen hat Brandschutzklasse 3, damit können wir überall hinfahren“. Das scheint die Feuerwehr zu überzeugen, die uns eine halbe Stunde Aufenthalt gewährt, die im Namen des Beauftragten des zivilen Ungehorsams in Kalk Tommi Grusch entsprechend überzogen werden muss. Zu unserem Glück fahren nach einer Stunde guter Aussicht vom Kalkberg über das Panorama von Köln ein paar Freiwillige den Wagen wieder hinunter. Der inzwischen von uns mehr als heilig gesprochene Fahrer Bernd Giesecke behauptet, das die Feuerwehr doch sowieso erst immer nach dem Brand, also eigentlich zu spät käme. Da können wir bestimmt mit Verständnis rechnen. „Kann ich mitfahren?“ schreit jemand von draussen im Vorbeifahren, was wir verneinen, da wir gerade so gut unterwegs sind, dass uns beinah die Arme abfallen. Als von hinten gehupt wird, scheint mir, das Tommi Gruschs rechter Arm durch das zu tragende Gewicht des Fahrzeugs bereits länger geworden ist als sein Linker. Auf Nachfrage antwortet der neue Karosseriebauer, das er gerade keine Zeit hätte, das zu überprüfen. Außerdem könne er nicht loslassen, ohne einen Unfall zu verursachen. Nach länger Probefahrt endlich zurück auf der Kalker Hauptstraße wird gezielt der Kalker Stadtgarten angesteuert, das Auto schnell falsch geparkt, ausgestiegen und sich in alle Winde zerstreut, bevor das Ordnungsamt um die bestimmt nächste Ecke kommt. Wir können in der vorbeikommenden Demo gegen zuviel CO2-Ausstoss und zu vielen Autos Kalk untertauchen. Außerdem (Achtung schlechter Witz:) fehlt zudem das Nummernschild!

 

1694022536393

 

27.08.2023 immer noch unversehrt, zwar mit ein paar kleinformatigen Grafittis und Plakaten, die auf das heutige Vorhaben werbend hinweisen, geschmückt, wird um 14 Uhr wie geplant der SUV Kalk zur Sünder Brauerei zur Kalk-Kunst gefahren, wo das Fahrzeug in „the Rose of Kalk“ umgefaltet werden soll. „Ob das gut geht?“ werden laute Zweifel von vorbeifahrenden und -hupenden Augenzeugen des immer noch fahrtüchtigen Vehikels vorgebracht. „Habt Vertrauen in die Deutsche Automobilindustrie“, ermuntert Bernd Giesecke die anderen zumeist schnelleren Verkehrsteilnehmer. Um 14.30 Uhr wird der SUV Kalk wieder entfaltet und einer gemeinschaftlichen Hau-Ruck-Kunstkation nach allen Regeln der partizipativen Künste mit Besuchern der Kalk-Kunst basisdemokratisch in „the rose of Kalk“ transformiert. Vollkommen klar, das „the rose of Kalk“ im Bezirksrathaus von Köln-Kalk landet.

Ausstellungsansichten

 

Martin Plüddemann2 L1002124 Kopie 2

Ultra all inclusive, Kunstmuseum Bonn, 2021, Fotos: Martin Plüddemann 

 

 

Werner Hannapel

caf-boelter-03

caf-boelter-05

caf-boelter-02
It’s aqua origami, alright. But is it Art?, Columbus ArtFoundation, Leipzig, 2009, Foto: Werner Hannappel

 

 

Michael Jezierny4

Michael Jezierny1Foto Michael Jezierny3
Hidden landscapes, Kunsthaus Kloster Gravenhorst, 2022, Foto: Michael Jezierny

 

 

Boelter 0001
Mauerwerk/Brickwork, Haus am Waldsee, Berlin

 

 

Simone Zaugg1
Mauerwerk, Kunsthaus Kloster Gravenhorst, 2014, Foto: Simone Zaugg

 

 

0 Kilometer
0 Kilometer, Kloster Bentlage, 1999

Weiße Rose (XXL)/White rose (XXL)

photo_2022-05-20_10-56-41 (2)

 

Im Rahmen von ‚Auf der Suche …‘, dem Ausstellungsprojekt im Dialog von Kunst, Kirche und Wissenschaft, initiiert Frank Bölter ein eintägiges öffentliches Papierfalten auf dem Viktualienmarkt in München. Die Aktion „Weiße Rose (XXL)“ beinhaltet das öffentliche, gemeinschaftliche Falten einer überdimensionierten weißen Rose aus Karton in der kunsthandwerklichen Technik des Origami mit dem Laufpublikum auf dem Münchener Viktualienmarkt. Anlass für diese öffentlichkeitsinvolvierende, bildkünstlerische Form der Erinnerungskultur ist das 80-jährige Jubiläum der Gründung der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ gegen die NS-Terrorherrschaft im Juni 1942.

As part of ‚In Search of …‘, the exhibition project in dialogue between art, church and science, Frank Bölter initiates a one-day public paper folding event at the Viktualienmarkt in Munich. The performance ‚White Rose (XXL)‘ involves the public, collaborative folding of an oversized white rose made of cardboard in the artisanal technique of origami with the public on Munich’s Viktualienmarkt. The occasion for this public-involving, visual-art form of remembrance culture is the 80th anniversary of the founding of the „White Rose“ resistance group against the Nazi reign of terror in June 1942.

https://www.dg-kunstraum.de/frank-boelter-weisse-rose-xxl-viktualienmarkt/

8146

8153

Der Weg des geringsten Widerstandes/The Path of least Resistance

 

-5301102345192584987_121

 

… war der ca. 650 Kilometer langer Fußmarsch von meiner Haustür am Rolshover Kirchweg 82 in Köln quer durchs Land, über Berg und Tal, Stock und Stein zu Mann und Maus bis in den Reichstag nach Berlin mit einem geschulterten Straßennamenschild mit der Aufschrift „Weg des geringsten Widerstandes“.
Während des etwa 4-wöchigen Fußmarsches im September 2021 in Anzug, Krawatte und Lackschuhen, mit dem Rohrpfosten und installiertem Schriftzug auf der Schulter wurde auf dem „Weg des geringsten Widerstandes“ der Frage nachgegangen, ob und warum der Mensch einen leichten, bequemen und möglichst geraden Lebensweg einem unbequemen, umständlichen und komplizierten Lebensweg vorzieht? …
Dieser Weg des vielleicht größten Widerstandes samt abschließendem „Besuch des Reichstages“ endete mit der Konfrontation der politischen Elite mit dieser lebenswichtigen Fragestellung exakt am Tag der Bundestagswahl am 26. September 2021 …
Die Darstellung der Frage, ob ein gradliniger, schnörkel- wie um- und auswegloser Karriere-, Bildungs- und Lebensweg auch wirklich der Richtige ist, konnte über die Internetseite http://www.wegdesgeringstenwiderstandes.de in Form von täglichen Berichten und Wasserstandsmeldungen aus den Schuhen des Wanderers mitverfolgt werden. Neben allen Stationen dieses „Kreuzweges“ zeigte die tägliche Dokumentation dieser Tortour die exemplarischen, allegorischen wie bestimmt unbequemen Schritte dieses Weges mit all seinen Abzweigungen, Umleitungen, Sackgassen und Absperrungen, Irrungen wie Wirrungen, unsagbaren Mühen mit unerklärlichen Begegnungen, allen Hilfestellungen der Bevölkerung samt Gesprächen über Lebensmut, -glück und -müdigkeit wie Kommentaren in Reisetagebuchform mit Text und Bild.
Diese humorvolle Infragestellung von Bequemlichkeit und den Schattenseiten dieses bestimmt freud- wie leidvollen Marsches quer durch die Republik ins Parlament zum Dialog mit der politischen Elite samt Schenkungen und Unterstützungsleistungen von Übernachtungsmöglichkeiten, Lunchpaketen und Lackschuhspenden in der Größe 44 für das formvollendete Erscheinungsbild des Akteurs dieser Langzeitperformance und -studie fanden im Internettagebuch Erwähnung, genau wie alle angenehmen Begleiterscheinungen und unliebsamen Begegnungen auf dem langen Weg vom Westen des Landes durch Westfalen und Niedersachsen durch den Osten nach Sachsen, durch Brandenburg bis nach Berlin.
Wer mithalf, diesen charmanten „Schildbürgerstreich“ als Version historischer Ablasswanderungen, traditioneller Protestmärsche und zeitgemäß bewegter Verbindung mit Mutter Natur Wirklichkeit werden zu lassen oder zu begleiten, sollte nach Vollendung des Projektes zum Dank ein handsigniertes Buch und eine Grafik des „Wegs des geringsten Widerstandes“ überreicht bekommen, deren Auflage exakt der Summe der Unterstützenden entspricht. Eine Dokumentation erscheint in Kürze im Verlag für Moderne Kunst, Wien.

Der Weg des geringsten Widerstandes
Vernissage Mittwoch, 01.09.2021 um 8.30 Uhr, Rolshover Kirchweg 82, 51105 Köln
Finissage Sonntag, 26.09.2021 um 18 Uhr im Reichstag, Platz der Republik, 10557 Berlin

Wandertagebuch:
www.wegdesgeringstenwiderstandes.de

 

Publikation „Weg des geringsten Widerstandes“

erschienen im
Verlag für moderne Kunst, Wien

298 Seiten, Hardcover mit Banderole, 21, 14,4 cm
mit Texten von Dr. Katja Blomberg, Frank Bölter
Buchgestaltung Julia Majewski
Fotografie/Film Frauke Schumann und Achim Köhler
ISBN 978-3-903439-84-9
Auflage 500, Preis 34,90 €

https://www.vfmk.org/books/frank-boelter-der-weg-des-geringsten-widerstandes

Bestellungen über den Verlag für moderne Kunst oder per mail an:
Mail an Studio Frank Bölter

 

Sonderedition „Weg des geringsten Widerstandes“,
298 Seiten, Hardcover mit Originalanzug und Banderole, 21, 14,4 cm
mit Texten von Dr. Katja Blomberg, Frank Bölter
Buchgestaltung Julia Majewski
Fotografie/Film Frauke Schumann und Achim Köhler

Auflage 20, Preis 1.800,—€

Bestellungen per mail mit Betreff „Sonderedition“ an:
wegdesgeringstenwiderstandes@gmx.net

Frank_Buch_Rhenania-session0207Frank_Buch_Rhenania-session0262

Frank_Buch_Rhenania-session0282

Fotograf der Edition: Jens Pussel, www.jenspussel.de

The path of least resistance was the approx. 650 kilometer long walk from my front door at Rolshover Kirchweg 82 in Cologne across the country, over hill and dale, stick and stone to man and mouse all the way to the Reichstag in Berlin with a shouldered street name sign with the inscription „Path of Least Resistance“.
During the more than 4-week walk in September 2021, dressed in suit, tie and patent leather shoes, with the tubular post and installed lettering on the shoulder, the „path of least resistance“ was used to investigate the question of whether and why man prefers an easy, comfortable and as straight as possible path in life to an uncomfortable, circuitous and complicated path in life? …
This path of perhaps the greatest resistance including a final „visit to the Reichstag“ ended with the confrontation of the political elite with this essential question exactly on the day of the Bundestag elections on 26 September 2021 …
The depiction of the question of whether a straightforward, roundabout and hopeless career, education and life path is really the right one could be followed via the website http://www.wegdesgeringstenwiderstandes.de in the form of daily reports and water level reports from the shoes of the wanderer. In addition to all the stations of this „Way of the Cross“, the daily documentation of this gate tour showed the exemplary, allegorical as well as certainly uncomfortable steps of this path with all its branches, detours, dead ends and barriers, errors as well as confusions, unspeakable hardships with inexplicable encounters, all the help from the population including conversations about courage, happiness and tiredness of life as well as comments in travel diary form with text and pictures.
This humorous questioning of comfort and the dark sides of this certainly joyful as well as sorrowful march across the Republic to the parliament for dialogue with the political elite, including gifts and support of overnight accommodation, Lunch packages and donations of size 44 patent leather shoes for the perfect appearance of the protagonist of this long-term performance and study were mentioned in the internet diary, as were all the pleasant side effects and unpleasant encounters on the long way from the west of the country through Westphalia and Lower Saxony through the east to Saxony, through Brandenburg to Berlin.
Those who helped to make this charming foolish act and a version of historical indulgence walks, traditional protest marches and a contemporary moving connection with Mother Nature a reality or accompanied it, should receive a signed book and a graphic of the „Path of Least Resistance“ as a token of gratitude after completion of the project, the edition of which corresponds exactly to the sum of the supporters. A documentation will be published shortly by Verlag für Moderne Kunst, Vienna.

The path of least resistance
Vernissage Wednesday, 01.09.2021 at 8.30 a.m., Rolshover Kirchweg 82, 51105 Cologne, Germany
Finissage Sunday, 26.09.2021 at 6 p.m. in the Reichstag, Platz der Republik, 10557 Berlin

Eine Gans ist ein Turm ist eine Rose ist …/A goose is a tower is a rose …

photo_2022-06-05_21-33-41
photo_2022-06-05_21-31-49

Performance "Eine Gans ist ein Turm ist eine Rose ist ...", Monheim am Rhein, 05.06.2022  photo_2022-06-05_21-33-42

Eine Gans ist ein Turm ist eine Rose …
war eine dreiteilige Performance im öffentlichen Raum von Monheim. So wurde aus demselben Blatt Papier an drei aufeinander folgenden Sonntagen im Juni 2022 zunächst das Wappentier der Stadt Monheim am Rhein, eine Gans, gefaltet, die am darauffolgenden Sonntag in das Wahrzeichen der Stadt, der Schelmenturm, umgefaltet wurde, um schießlich als Seerose auf dem das Stadtbild prägenden Rhein ins Ungewisse zu driften …

Veranstaltungen jeweils Sonntags am 05.06.22, 12.06.22 und am 26.06.22 von 14 bis 17 Uhr

A goose is a tower is a rose …
was a three-part performance in the public space of Monheim. Thus, from the same sheet of paper on three consecutive Sundays in June 2022, first the heraldic animal of the city of Monheim on the Rhine, a goose, was folded, which on the following Sunday was folded into the landmark of the city, the Schelmenturm, to finally drift as a water lily on the Rhine, which characterizes the cityscape, into the unknown …

Events each Sunday on 05.06.22, 12.06.22 and on 26.06.22 from 4 to 7 p.m.

SauerlandUV

_DSC0240

Der „SauerlandUV“ wurde vom Publikum des spirituellen Sommers 2020 in Meschede gemeinsam gefaltet und für eine Woche falsch dauergeparkt, bevor das 160 qm große Papier in das Papierschiff „PSauerland“ umgefaltet wurde, um über den Hennesee zu fahren, bevor die Fläche eine Woche später erneut in das bewohnbare Papierhaus „HOTEsauerLand“ transformiert wurde. Der in Gemeinschaft in 3 unterschiedliche Formen gebrachte Karton veranschaulicht den gesellschaftspolitischen Transformationsprozess und appelliert durch Teilhabe an das Vertrauen in gemeinschaftliche Schöpfungsprozesse auf unbekanntem sauerländlichem Terrain …

_DSC0512

_DSC0280

_DSC0251

IMG_20200830_183011_resized_20200923_111439924

yoUFO

EWE_6591
yoUFO, Tetra Pak, 650 x 265 cm

Anlässlich der Buchpräsentation „Über die Teilhabe in der Kunst – zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ landete am 10. März 2016 um 18 Uhr im Gesellschaftsraum der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft ein Ufo.

Über die Teilhabe in der Kunst

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft (Hg.)
Bonn, 2016
136 S.
ISBN 978-3-00-052296-3
mit Beiträgen von Ruth Gilberger, Gabriele Oberreuter, Isabel Rith-Magni, Thomas Egelkamp, Guido Meinke und Volker Pohlüke, Olek Witt, Teresa Grünhage, Dorothea Eitel, Reinigungsgesellschaft, Susanne Bosch, Rolf Dennemann, Angela Ljiljanic, André Koernig, Michaela Englert, Amanda Bailey, Anneliese Ostertag, Aude Bertrand, Anne-Katrin Bicher, Gerhard Wolf und Frank Bölter

flyingsaucer
diagram by John Szinger

Unsern täglichen Biersud gib uns heute

Eine illegale Bierbrauaktion zur Herstellung von „Dortmunder Schwarzbräu Premium – Selbstgebraut“ zur Wiedererlangung von an die Droge Alkohol abgetretener Verantwortung über die eigene Person

IMG_1952

Als am Samstag, den 01.03.2015 um 9.17 Uhr mit Volker, Guido und André die nötigen 30 Liter Wasser, zwei Hocker und das Braurezept auf dem kleinen Borsigplatz eintreffen, die zwei Braubottiche und der Gasbrenner aufgestellt und in präsentabler Manier zentral auf dem Platz platziert sind, fallen die ersten Sonnenstrahlen aus heiterem Himmel aus allen Wolken. Als dann auch noch Orhan auftaucht, scheint der Tag einen perfekten Verlauf zu nehmen:
Orhan: Ich bin gekommen, um mich zu beschweren.
Frank: Aha?
Orhan: Ich war letzte Woche schon mal beim Verein Machbarschaft Borsig11, da waren Sie aber nicht da. Die haben gesagt, ich soll heute wieder kommen, da könnte ich mich direkt an Sie wenden.
Frank: Ja?
Orhan: Ich habe vor einigen Tagen dieses Plakat hier gesehen und frage mich, wie kann man bloß diesen Leuten hier eine solche Aktion zumuten? Das ist doch zynisch.
Frank: Meinen Sie das Selberbrauen?
Orhan: Ja, wissen Sie denn, wo genau wir hier sind?
Frank: Ziemlich genau. Ich habe da drüben bis vor einigen Wochen gewohnt.
Orhan: Ich wohne auch da drüben die Straße rein.
Frank: Wie schön, dann waren wir ja fast Nachbarn.
Orhan: Ja, aber ich bin ja wegen der Beschwerde hier. Meine Frau war übrigens der gleichen Meinung. Sie arbeitet in der Suchthilfe.
Frank: Welcher Meinung nochmal?
Orhan: Das man so eine Aktion hier auf keinen Fall machen darf.
Frank: Aber warum denn nicht?
Orhan: Weil das völlig falsch ist.
Frank: Was genau?
Orhan: Hier auf dem kleinen Borsigplatz trinken so viele Alkoholiker den ganzen Tag lang ihr Bier. Die liegen dann hier manchmal sogar auf der Erde rum. Da fragen Sie sich, ob die noch leben. Das ist doch tragisch genug. Wissen Sie, wieviel Tragik dahinter steckt? Hinter jedem einzelnen, der hier den ganzen Tag rumsitzt und säuft, stecken Suchtkrankenakten, kaputte Familiengeschichten, gescheiterte Laufbahnen und Offenbarungseide. Und jetzt kommen Sie und wollen denen zeigen, wie man selber Bier braut.
Frank: Genau.
Orhan: Warum denn?
Frank: Ich sehe keinen Unterschied zwischen den Borsigplatz-Leuten und mir. Außer dass ich mich vielleicht mehr fürs Selbermachen interessiere. Also habe ich die Zutaten und ein paar Pötte besorgt und habe ein paar Plakate aufgehängt. Ich hätte auch eine Frage, warum machen Sie das eigentlich nicht? Hier halten Sie kurz die Gerste, ich muss eben …
Orhan: Ich bin hier Lokalpolitiker und habe genug zu tun.
Frank: Ach so!
Orhan: Ja. Und als Politiker muss ich ihnen auch sagen, also so eine Aktion. Ich bin schon jetzt seit Tagen dermaßen wütend und bin froh, dass ich das jetzt loswerden kann. Und meine Frau ist der gleichen Meinung. Ich muss schon sagen, wir haben uns wirklich sehr gewundert über so eine Aktion.
Frank: Hm. Wunder ist schon die passende Bezeichnung für das, was hier stattfindet, würde ich sagen. Aber sagen Sie mal, als Lokalpolitiker suchen Sie doch bestimmt den Kontakt zu den Leuten, damit Sie Gelegenheit bekommen, überhaupt bemerken zu können, was die Leute so umtreibt?
Orhan: Ja, das ist total wichtig. Sonst sind Sie da im falschen Beruf.
Frank: Sind Sie eigentlich nur wegen dieser Aktion heute hier auf den kleinen Borsigplatz gekommen?
Orhan: Ja, ich mache sonst immer einen großen Bogen um diesen Platz.
Frank: Sehen Sie, genau dafür mache ich diese Aktion.
Orhan: Wie meinen Sie das?
Frank: Damit Sie hier mal hinkommen. Genau Sie.
Orhan: Ich. Wieso?
Frank: Meine Aufgabe ist es, Leute zusammenzubringen, die sich sonst niemals begegnen würden. Ich versuche, Situationen wie diese, des gemeinschaftlichen Bierbrauens, zu schaffen, wo Leute zusammenkommen können, die sich sonst eher aus dem Weg gehen. Kommen Sie, ich stelle ihnen mal die Hansa-Export-Truppe da hinten vor.
Orhan: Moment mal. Wissen Sie, auf diesem Plakat, da sind ja zwei Trinker abgebildet. Das ist doch die pure Lust am Saufen, die Sie da abbilden. Da vermitteln Sie doch etwas ganz anderes. Damit erreichen Sie doch nicht die Leute, und mich schon gar nicht.
Frank: Täusche ich mich, oder sind Sie gerade hier?
Orhan: Äh… Ja, stimmt schon, aber…. Meine Frau kommt übrigens auch gerade. Hallo!
Frank: Hallo.
Frau: Hallo.
Orhan: Wir sprechen gerade darüber.
Frau: Ja.
Orhan: Dieser Mann ist der Veranstalter des Bierbrauens.
Frau: Ja. Und was haben Sie sich dabei gedacht?
Frank: Dass man ein Stück weit die an die Sucht abgegebene Verantwortung für die eigenen Person durch die beim Selberbrauen gewonnene Portion Selbstermächtigung zurück gewinnt.
Frau: Aha,… sehr konfrontationstherapeutisch gedacht.
Frank: Sie blicken dem Feind ins Auge.
Frau: Ja.
Frank: Ja.
Frau: Ja.
Frank: Ja.
Frau: Ich hole mal Zigaretten.
Orhan: Ich sehe das Plakat ja immer noch als Aufruf zum Trinken, und weiter nichts.
Frank: Aber wir trinken ja nicht. Wir brauen. Wir sind die einzige Gruppe hier auf dem Borsigplatz, die nicht trinkt.
Orhan: Ja, aber wenn Sie das Plakat betrachten, dann fühlen Sie sich doch zum Trinken ermutigt.
Frank: Ich fühle mich zunächst mal zum Schmunzeln ermutigt.
Orhan: Aber auch durch die Aktion bringen Sie den Leuten den Alkohol nahe.
Frank: Beim Brauen entsteht noch kein Alkohol, erstmal bringe ich den Leuten eine Zuckerlösung nahe. Ist natürlich auch nicht gesund.
Orhan: Aber Sie werben für das freie Trinken.
Frank: Durch das Selberbrauen? Das ist ja erst mal ziemlich unfrei, weil Sie was tun müssen.
Orhan: Ich glaube nicht, dass Ihr Vorhaben funktioniert, die Leute vom Alkohol weg zu bringen, indem Sie ihnen zeigen, wie schön das Selbermachen ist.
Frank: Warum nicht?
Orhan: Kann ich mir einfach nicht vorstellen.
Frank: Da haben Sie etwas mit dem Leiter einer Suchtberatungsstelle in Dortmund gemeinsam. Der konnte sich das auch nicht vorstellen.
Orhan: Sehen Sie!
Frank: Naja, der glaubt das auch nicht – er weiß es aber genauso wenig wie Sie und ich. Er sagt, als Mensch könne er diese Herangehensweise verstehen, durchaus sogar unterstützen. Allerdings als Politiker, der er in seiner Position als Leiter der Suchtberatung auch sein müsse, könne er das nicht unterstützen.
Orhan: Ach so.
Frank: Und genau deswegen gibt’s mich. Ich mache das dann für ihn und für Sie. Als Künstler hat man den schlechten Ruf ja schon verloren, bevor Sie den überhaupt angehängt bekommen. Da lebt es sich bekanntermaßen ganz ungeniert. Dann können Sie auch solche Aktionen machen. Ich betrachte das übrigens als praktische Politik. Ich finde nämlich heraus, ob es nicht doch geht, anstatt zu glauben, es ginge nicht.
Orhan: Ich habe ja den Verdacht, dass es Ihnen nur um die Publicity geht und nichts weiter. Sie benutzen die Schicksale der Schwachen für Ihren persönlichen Gewinn.
Frank: Persönlicher Gewinn? Wenn ich an Publicity interessiert wäre, hätte ich diese Aktion viel größer beworben. Die Presse kommt übrigens auch nicht. Es hängen ausschließlich hier auf dem Platz Plakate, wie Sie vielleicht gesehen haben. Das heißt, ich bin nur an den Leuten hier selbst interessiert und mache mir sogar die Mühe, bei den Adressaten der Aktion ins Wohnzimmer zu klettern. Genau da befinden wir uns nämlich hier. Außerdem bezahle ich diese Aktion selbst bzw. mit Mitteln des Vereins Machbarschaft Borsig11, muss hier den ganzen Tag rumstehen, und bekomme keinen Cent dafür. Dazu kommen noch allerlei interessante Gespräche wie dieses hier. Das meine ich übrigens ernst. Mir gefällt, dass Sie öffentlich aussprechen, was so mancher denkt.
Orhan: Ich muss sagen, diese Aktion ist für mich ein bisschen zu weit links.
Frank: Für welche Partei engagieren Sie sich noch gleich.
Orhan: Die Linke.
Frank: Alles Gute.
UnserntaeglichenBiersud1

Als das Wasser vom Gasbrenner endlich auf 55 °C Wasser erhitzt ist, betritt endlich Braumeisterin Jana Erlenkamp den kleinen Borsigplatz und kann die geschrotete Gerste in das Wasser einrühren, bevor Wolfgang auftauchen und behaupten kann, im Knast habe er siebeneinhalb Jahre lang auch immer Bier selber gebraut. Er habe zuhause noch das Rezept. Man fragt nach der Möglichkeit, nach seinem Rezept und unter seiner Anleitung gemeinschaftlich das Dortmunder „Knast-Bier-vom Borsigplatz“ zu brauen. Er zeigt sich einverstanden und verspricht, das Rezept vorbeizubringen.
Als der Biersud 70 °C erreicht hat, erscheint Klaus und behauptet, von dieser Aktion des „Dortmunder Schwarzbräu – Selber Brauens“ noch nichts gehört zu haben, allerdings wohne seine Tochter um die Ecke. „Ach?“, staunt Guido Meinke vom Verein Borsig11, um umgehend mit den einladenden Worten: „Dann kannste ja mitbrauen“, zum Mitbrauen einzuladen. Möglicherweise seine Tochter auch?, versucht Guido Meincke mit Geschicklichkeit den Kreis der Brautümler zu vergrößern. „Die mag kein Bier“, stellt Klaus heraus, um sich als Maler und Schauspieler für verschiedene Projekte und Kooperationen ins Gespräch zu bringen. Wir danken für die Information, buchen ihn direkt für die Teilnahme am Bierbrauen und reichen ihm den Braulöffel zum Umrühren des Biersuds. Er beginnt umgehend. Von der Bank gegenüber schallt in leicht bierseliger Manier die Frage: „Wie sieht deine Tochter denn aus?“ an die ungläubigen Ohren der um den heiligen Braualtar versammelten Gemeinde.
Als um 10.27 Uhr Katja und Matthes die Braubühne Borsigplatz betreten, scheint sich jemand aus einer Gruppe Hansa Export trinkender Männer daran zu erinnern, dass Katja und Matthes beim letztmaligen Bierbrauen Brötchen, Griebenschmalz und Butter mitbrachten und macht lauthals seinem Glauben an eine baldige Speisung mit den Worten: „Gleich gibt’s watt zu Essen!“ Luft.
„Erst später“, antwortet Matthes, bevor Unbekannt erwidert: „Später bin ich vielleicht schon tot“. „Das kommt davon, wenn man sein Bier nicht selber braut!“, bricht es aus dem ehemaligen und überraschend unbekümmert den Borsigplatz betretenden Grundschulkameraden des Künstlers, Jürgen Rump heraus. „Ein Wunder“, behauptet der Künstler, der vorgibt, seinen ehemaligen Schulkameraden seit jener Zeit nicht mehr gesehen zu haben. Jürgen Rump zeigt zum Beweis seiner Existenz seinen Ausweis und behauptet als Bauingenieur in der Gegend gerade eine Baustelle zu betreuen. Von der Bau- sei es ja nicht weit zur Braustelle, erklärt dieser, was dem soeben Erschienenen einen großen Lacherfolg beschert. Er wolle also sein Pausenbier hier abholen, fragt Matthes, um sogleich darauf hinzuweisen, dass hier ja nur gebraut und nicht getrunken werde.
Endlich fährt das Ordnungsamt in seinem polizeifarbenen Sprintermodell mit zwei uniformierten Beamten nicht vor, sondern im Schritttempo zweimal um den Borsigplatz herum und in die Wambeler Straße abbiegend langsam am Epizentrum der Weltverbesserungs- und Bekehrungsmaßnahmen, an dem kleinen Borsigplatz vorbei. „Da haben wir ja mal Glück gehabt!“, behauptet jemand der um den heißen Biersud Versammelten. „Warum?“, fragt Vorbrauerin Jana: „Wir brauen doch nur.“ Außerdem sei es schließlich eine Kunstaktion, da sei doch zunächst mal alles erlaubt. Zudem würde man doch brauen – und nicht trinken. „Da haben WIR ja mal Glück gehabt!“, wird von der Gruppe Hansa-Export-Gläubiger mutmaßend korrigiert. Nach diesem Moment größter Erleichterung betreten plötzlich zwei uniformierte Ordnungsbeamte den Bierbrauplatz. Der mit der größten Knasterfahrung und mit einem Ausweis gesegnete Wolfgang zückt diesen reflexartig, um von den staatlichen Autoritäten stehen gelassen und übergangen zu werden.
Ordnungsamt: Was machen Sie hier?
Klaus: Bier.
Ordnungsamt: Warum?
Klaus: Ist billiger.
Frank: Stimmt nicht. Hansa Export gibt’s da drüben im Kiosk für 32 Cent. Das schaffen wir leider nicht. Hier auf der Rechnung stehen 36, 28 €, wenn man die Lieferkosten von 5,10 € noch dazu nimmt und alles durch die 30 Liter Bier teilt, die es mal werden sollen, kommen wir auf 1,38 € pro Liter. Das sind 46 Cent für 0,3 Liter Bier gegenüber den 32 Cent des Hansa Export. Ich habe aber schon bei der Hansa Brauerei angerufen und nach deren Rezept gefragt, damit wir hier demnächst…
Ordnungsamt: Leiten Sie diese Aktion hier?
Frank: Ich habe die Plakate aufgehängt, um zu dieser Aktion hier einzuladen.
Ordnungsamt: Wie heißen Sie?
Frank: Frank.
Ordnungsamt: Nachname?
Frank: Bölter, aber Sie können mich ruhig duzen.
Ordnungsamt: Haben Sie einen Ausweis dabei?
Frank: Den habe ich in Sri Lanka im Hotel abgeben müssen, da wir auch Bier ge….
Ordnungsamt: Ist jetzt nicht so wichtig. Können Sie sich irgendwie ausweisen.
Frank: Nein. Sie?
Ordnungsamt: Wir haben hier unsere Dienstausweise.
Frank: Ich habe hier meinen Arbeitsvertrag. Ich arbeite für den Verein Machbarschaft Borsig11, der diverse Kunstaktionen hier im Viertel zum Wiedererwecken des entschlafenen Nachbarschaftsgeistes unternimmt. In diesem Rahmen ist das Bierbrauen eine Aktion. Wie finden Sie die Plakate, die ich aufgehängt habe? Eine andere Aktion machen wir nächste Wo…
Ordnungsamt: Trinken Sie denn auch Bier während dieser Aktion?
Frank: Nein. Wir brauen nur. Getrunken wird gerade dahinten auf der Bank. Die haben aber mit dieser Aktion hier nichts zu tun. Aber sagen Sie mal, auf dem Borsigplatz wird doch seit über 50 Jahren Bier getrunken. Da kommt das Ordnungsamt doch sonst auch nicht zu Besuch. Warum sind Sie denn ausgerechnet heute hier?
Ordnungsamt: Weil zum ersten Mal jemand angekündigt hat, dass er hier Bier trinken will.
Frank: ☺
Ordnungsamt: Können Sie hier bitte mal Ihre Adresse und Ihre Telefonnummer eintragen. Auf Wiedersehen, wir überprüfen das dann mal.
Volker Pohlüke vom Verein Machbarschaft Borsig11 entgleist mit der Bemerkung, dass man vor lauter interessanten Besuchern gar nicht zur eigentlichen Aufgabe der regionalen Versorgung mit illegalen Kunstaktionen komme. Guido Meinke gleich mit, indem er seine unangebrachte Hoffnung, mit einer Anzeige vom Ordnungsamt viel Publicity erzeugen zu können, in unangemessene Worte kleidet. In diesem Moment brennt der Biersud an und kann nur mühsam rührend vor weiteren Folgeschäden und Anbrennaromen bewahrt werden.
Da kommt Elena zum Borsigplatz und fragt interessiert nach unserer Tätigkeit des unorthodoxen Rumlungerns und seinen Beweggründen. Ihr wird kurzerhand die konsumkritische und gemeinsinnstiftende Bedeutung des Selberbrauens in Zeiten des Massenkonsums, der industriellen Massenproduktion und des Umweltkollapses auf zentralen Plätzen dieser unbewussten Menschenmassensteuerung erklärt.
Sie zählt kurzerhand, dass offenbar lokal nur acht Personen zu dieser weltanschaulichen Weltbewegung bereit wären, um schließlich festzustellen, dass es sich trotzdem lohnen würde, auch wenn die Aktion 200.000,- € koste, da es sich dabei schließlich um eine fundamentale Veränderung im Bewusstsein des Menschen, im Selbstverständnis, und eben nicht nur auf der Handlungsebene, handeln würde. Der Grundschulkollege Jürgen Rump macht die abschließende Abrechnung mit allem auf und behauptet: „Wenn die Veränderung des Bewusstseins von acht Menschen 200.000,- € kostet bei einer Bevölkerungszahl von knapp 55.000 Menschen in der Dortmunder Nordstadt, würde die Bewusstseinsveränderung der gesamten Dortmunder Nordstadt exakt 11 Milliarden € kosten. Das entspräche doch exakt dem Betrag der EU-Finanzspritzen, die Griechenland in den letzten Jahren erhalten habe. Da könne man doch besser die Dortmunder Nordstadt verändern als Griechenland, so der ehemalige Grundschüler Rump in seiner mehr als anschaulichen Analyse. Elena beendet diesen völlig wirklichkeitsnahen und deswegen komplett uninteressanten Dialog mit der erbosten Bemerkung: „Ich bin Griechin!“.

Rezept Dortmunder Schwarzbräu Premium – Selber Brauen:
Zutaten für 27-28 Liter
Malz
5,5 kg Malz
0,65 kg Dortmunder Malz Typ I
0,21 kg Röstmalz Typ II
Hopfen
Bitterhopfen 15%
12 gr Northern Brewer
18 gr Tettnanger 4,4 % Ako
12 gr Tettnanger MA Hopfen
Hefe
11,5 gr Hefe W3470
Wasser
25 l Hauptguss
15 l Nachguss

DortmunderSchwarzbräuPremiumPlakat

Wir sind das Brot

– Eine Achtsamkeitsübung gegenüber Lebensmitteln, unserer Umwelt, der Gemeinschaft und uns selbst –

DieGabeModellsw

Innerhalb eines workshops in der St. Paul-Kirche in München wurden von Kindern und Jugendlichen des Viertels gemeinschaftlich 2 überlebensgroße Brote aus Papier gefaltet und in einer „Prozession“ von der St. Paul-Kirche ausgehend durch die Ludwigsvorstadt über die Theresienwiese getragen, um anschließend in der St. Paul-Kirche ab- und zusammen mit einer Videodokumentation der Gemeinschaftsaktion im Rahmen der Ausstellung „Die Gabe“ ausgestellt zu werden.

WirSindDasBrot1
Wir sind das Brot, 2015, Papier, je 720 x 150 x 140 cm, St. Paul München