Haus des Friedens

Performance – Temporäre Installation
Rathausplatz, Augsburg | 2025

 

Das „Haus des Friedens“ ist der Bau eines alle Bereiche der Augsburger Gesellschaft integrierenden und sämtliche Öffentlichkeiten befruchtenden wie bereichernden monumentalen Friedensgebäudes für alle in Augsburg ansässigen Menschen aus faltbaren und temporär haltbaren „Pappsteinen“ auf dem Augsburger Rathausplatz. Im vorbildlichen Miteinander wird ein den weltweit notwendigen Friedensdialog abbildendes Denkmal gebaut, das als temporäres Dach der eigenen Friedensbemühungen alle gesellschaftlichen Sparten, separierte Blasen und Parallelgesellschaften zusammenführend skulptural beheimatet. Falte, gestalte und Baue mit!

Ab dem 15. März könnt Ihr die kinderleicht faltbaren und zu bemalenden vorgestanzten Pappelemente im Friedensbüro der Stadt, Bahnhofstr. 18 1/3a (Hinterhof) in 86150 Augsburg abholen, um sie mit einem persönlichen Friedensbericht oder einer gemalten oder gezeichneten Friedensaktion zurückzubringen oder die „Steine“ ab dem 01. Mai 2025 auf dem Rathausplatz mit zu vermauern. Stein um Stein wird „das Haus des Friedens“ von Euch gebaut, Bild für Bild werden Eure Friedensbemühungen im Innern des Hauses ausgestellt, Schritt für Schritt gehen wir gemeinsam in den Frieden.

Am Ende der Bauphase wird mit dem letzten Stein das ephemere Denkmal des Friedens am 8. Mai 2025, 80 Jahre nach der Beendigung des 2. Weltkrieges, verschlossen, versiegelt und die Ausstellung der gemeinschaftlich geschaffenen Bauskulptur mit seinem verbarrikadiertem Inhalt „eröffnet“ und der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die im Inneren an den Wänden des Gebäudes in der Bauphase zuvor ausgestellten „Schätze der privaten Augsburger Friedensbemühungen“ ist nur in der Bauphase der Öffentlichkeit zugänglich und verbleibt nach Fertigstellung und Eröffnung hinter dem Bollwerk verborgen: Das Ideal des Friedens scheint demnach ein unbetretbarer Ort zu sein, der nur auf Kosten von Zerstörung des höchst fragilen Gebäudes zu betreten ist? Wer wissen will, wie die Ausstellung im Inneren aussieht, muss sich mit Gewalt Zutritt verschaffen. Wer wagt den ersten Schritt, um zu sehen, was sich im Innern befindet? …

 

B A U T A G E B L O G G – 1. Akt Vorbereitung „Haus des Friedens“

19.03.2025
Pressekonferenz um 11 Uhr im Augustanasaal. Vorstellung des Programmhefts „FRIEDEN RISKIEREN“.

08.04.2025
Ab heute können die „Pappsteine“ in der Bürgerinfo der Stadt Augsburg am Rathausplatz abgeholt werden. Hier findest Du eine Anleitung zur Faltung der „Pappsteine“. anleitung-haus-des-friedens. Viel Freude beim Falten und Gestalten:)

12.04.2025
Der Bau am „Haus des Friedens“ startet!

Sie sind Lehrkraft und planen mit ihrer Klasse am Bauprojekt teilhaben? Ihr wollt mit euren Kolleginnen und Kollegen zum gemeinsamen Teambuilding vorbeikommen? Als ehrenamtlich Engagierte möchtet ihr mit eurem Verein oder Zusammenschluss aktiv am Projekt mitwirken? Dann meldet euch gerne über dieses Formular an und sichert euch einen Zeitslot*, um gemeinsam am Frieden zu „bauen“.

Zum Ablauf: Die Bauphase ist vom 8. bis 18. Mai. Der Künstler Frank Bölter wird in dieser Zeit täglich von 10 bis 17 Uhr auf dem Rathausplatz in Augsburg sein und euch entsprechend einweisen. Ihr könnt euch jeweils für einen oder mehrere Termine à 45 Minuten anmelden.

Stein um Stein wird das Haus aufgebaut, Bild für Bild werden die Pappsteine gestaltet, Schritt für Schritt entstehen Austausch, Dialog und Zusammenhalt.

Wir freuen uns auf euch!

*Die Einteilung in Slots dient dabei der besseren Koordination größerer Gruppen. Wenn ihr alleine oder in Kleingruppen auf dem Rathausplatz vorbeischauen und Hand anlegen möchtet, braucht es keine Terminbuchung. Kommt einfach vorbei!
https://doodle.com/sign-up-sheet/participate/1af6adbb-5dd4-490b-90eb-bc8c66625b25/select

 

TAG 1: 12 60

09.30 Uhr Ich setze einen Erdanker in die Mitte des Ying-Yang Zeichens im Zentrum des Rathausplatzes, messe die notwendigen 12 Meter 50 mit dem Maßband aus, um dann mit einem Seil, an dessen Ende ein Straßenkreidestift befestigt ist, einen Kreis im Durchmesser von 12 Metern 50 auf den Platz zu zeichnen. Als ich gerade anfange, fällt Theresa Werner auf, das die Bestuhlung der Cafés und Restaurants auf dem Rathausplatz in das Pappgebäude hineinragen werde. Ich schlage vor, die in das „Haus des Friedens“ hineinreichenden Tische und Stühle als willkommene Sitzgelegenheit einfach die Gastronomie integrierend mit einzubauen. Theresa Werner meint: „So kann das Haus des Friedens allerdings nicht richtig rund werden und beschneidet außerdem die lokale Gastronomie, der Künstler sagt: „So geht das nicht!“, meint aber, man müsse sich schon entscheiden, ob man sich die kosmischen Kräfte des Zufalls zu nutze macht oder diese ignoriert. Ersteres wäre klug, letzteres zumeist eine vertane Chance, die höheren Mächte mit einzubeziehen. Kurator Eric Nikodym findet: „Mir doch egal“. Als ich von einem bärtigen Herrn mit selbstbestricktem und selbstbeklebtem Mottopullover gefragt werde, was ich „do mach“, erkläre ich kurz die Absicht, ein „Haus des Friedens“ zu bauen. Wir sprechen lang über sein zur Schau getragenes Motto „Million, Ernährung, Milliarde, Baustelle“, das sich mir bis jetzt nicht erschließt. Aber vielleicht kann der Leser dieses Baustellenblogs mir ja auf die Sprünge helfen… Darüberhinaus behauptet der freundliche bärtige Herr, der König von Augsburg zu sein.
Als ich wieder ansetze, den Kreis zu ziehen, legen Aric und Bernd bereits die OSB-Platten aus und verschrauben diese mit Metrallbändern. Kurator Eric Nikodym nimmt nochmal Maß, und stellt fest, das der Radius des Kreises 12 Meter 60 anstatt der beim Ordnungsamt beantragten 12 Metern 50 beträgt und meint, das etwas zu laut allen die Szene beobachtenden Menschen mit den Worten: „12 60“ mitteilen zu müssen. Das sollte sich im Folgenden ein paar Mal wiederholen. Inzwischen rufen schon die die Szene immer noch beobachtenden Leute beim weiteren Ausmessen jedesmal: „12 60“. Theresa Werner meint jeweils: „So kann das Haus des Friedens allerdings noch weniger rund werden und beschneidet außerdem die freie Sicht zwischen Brunnen und Weltkulturerbeinstitution, der Künstler sagt: „So geht das nicht!“, meint aber, man müsse sich schon entscheiden, ob man sich die kosmischen Kräfte des Zufalls zu nutze macht oder diese ignoriert. Ersteres wäre klug, letzteres zumeist eine vertane Chance, die höheren Mächte mit einzubeziehen. Kurator Eric Nikodym findet: „Mir doch egal“. Als ich von einem bärtigen Herrn mit selbstbestricktem und selbst…
Im Laufe des Vormittags fällt auf, dass sich das Ying-Yang nicht mehr in Zentrum des „Haus des Friedens“-Gebäudes befindet und damit die Bestuhlung nicht, wie vom Künstler geplant, in das Haus des Friedens integriert wird. Theresa Werner meint: „So kann das Haus des Friedens vielleicht doch noch rund werden, beschneidet aber diese komischen Gesetze, der Künstler sagt: „So geht das nicht!“, meint aber, müsse sich schon entscheiden, ob man sich die kosmischen Kräfte des Zufalls zu nutze macht oder diese ignoriert. Ersteres wäre klug, letzteres zumeist eine vertane Chance. Kurator Eric Nikodym findet: „Mir doch egal“. Als wir am Ende des Tages das Fundament nochmals ausmessen, landen wir bei einem Durchmesser von 25,6 Metern. „25 60“ skandieren daraufhin die die Szene noch immer beobachtenden Leute. „So geht das nicht!“, meint der Künstler, Theresa Werner meint, man müsse sich die kosmischen Kräfte des Zufalls schon zu nutze machen. Ersteres wäre klug, letzteres zumeist eine vertane Chance, die höheren Mächte mit einzubeziehen. Sie sagt dann aber: „So geht das nicht!“. Kurator Eric Nikodym meint: „Mir doch egal!“ Als ich von einem bärtigen Herrn mit selbstbestricktem und selbst…

 

TAG 2: „Frieden kann man nicht konsumieren“

08.30 Uhr Ich bin viel zu früh auf der Baustelle. Angeblich hätten wir heute viel zu tun, so die gestrige Ansage. Noch angeblicher habe sich lokale wie überregionale Polit- und sonstige Prominenz angemeldet. Am Angeblichsten hätten wir uns gestern auf 9 Uhr 30 statt auf 8 Uhr 30 geeinigt. Wie auch immer, der König von Augsburg ist, wie immer, der erste auf der Baustelle. Also wird mit seiner Erlaubnis schnell das Fundament auf dem bedeutendsten Platz der Augsburger Innenstadt repariert und das Baustellenequipment eingerichtet, als Arik, Bernd und Theresa kommen.
11 Uhr Anne Garthe kommt mit Ihrem Team zur Baustelle. Ohne die Schule in der Werkstatt im Kinderzentrum Oberhausen hätte das Projekt in der Vorbereitung kaum ein solche Verbreitung finden können. Ich freue mich entsprechend, sie zu sehen und lade die Truppe ein, doch bitte an meiner statt den Segensspruch bei der heutigen Grundsteinlegung zu sprechen, was sie dankend ablehnen. Olga bringt sogar Ihre Schülerin Celina mit, die bringt sogar ihren Hund mit, der hat sogar einen Stein bemalt und mitgebracht. Vielleicht war es auch ganz anders, aber im Strudel der heutigen Ereignisse gerät so manches durcheinander. Jedenfalls unterbricht mich Ruth, als die vielen Worte meiner Ausführungen die Umstände dieses Projekts entsprechend ins Uferlose abdriften und ins viel zu Ausführliche abgleiten, mit dem Satz, der mich noch den gesamten Tag begleiten sollte: „Frieden kann man nicht konsumieren!“ Wie ein Donnerschlag schallen ihre machtvollen Worte von der Rathaus- auf die gegenüber liegende Gastronomieseite, um als Echo wieder zur Rathausseite zurück zu prallen, bevor sie erneut zur Gastroseite zurück echoen, damit alle Passanten von diesen ungerührt einen Moment lang inne halten, zu Ruth hinüber sehen, wie um zu schauen, wer um alles in der Welt zu solchen Worten in der Lage ist, um sich nach dieser kurzer Starre doch wieder in Bewegung zu setzen. Dennoch bewegen sich plötzlich alle auf dem Platz versammelten Menschen behutsamer und bewußter, als hätten Ruths Worte etwas in Ihnen etwas ausgelöst, das die Welt nachhaltig verändern sollte. Zum Glück hatten wir das Mikro noch nicht angeschaltet, bevor die gesamte Stadt noch einen Bewusstseinsprung macht. Nur wohin…? Wer weiß, wozu diese Frau noch alles fähig wäre, wenn diese 5 Worte schon eine solche Wirkung erzeugen. Zum Glück hat sie nicht noch mehr gesagt. Ich verspreche, sie bei der nächsten Gelegenheit zu zitieren. Die kommt bald, sehr bald, zu bald, quasi umgehend, als nach den freundlichen Begrüßungsworten von der Oberbürgermeisterin Augsburgs, Eva Weber, der künstlerische Leiter des Friedensfestes, Eric Nikodym, nach ebenso freundlichen Einführungsworten in das partizipative Projekt das Mikrofon an den leicht überfordert wirkenden Künstler weiterreicht, der immer noch damit beschäftigt ist, die vernommenen Worte von Ruth zu verdauen und dabei versucht, noch ebensoere freundliche Worte über Sinn und Unsinn dieses Projektes zu finden. Mit dem Zitieren von Ruths Worten gelingt das dann doch ganz passabel, nur das diese machtlosen Worte weder wie ein Donnerschlag von der Rathaus- auf die gegenüber liegende Gastronomieseite schallen, um als Echo wieder zur Rathausseite zurück zu prallen, bevor sie erneut zur Gastroseite zurück echoen, damit alle Passanten von diesen ungerührt einen Moment lang inne halten, zu mir sehen, wie um zu schauen, wer um nichts in der Welt zu solchen Worten in der Lage ist, um sich nach dieser kurzer Starre doch wieder in Bewegung zu setzen. Noch bewegt sich plötzlich irgendjemand der auf dem Platz versammelten Menschen behutsamer und bewußter, als hätten meine Worte etwas in Ihnen etwas ausgelöst, das die Welt nachhaltig verändern sollte. Zum Glück fällt gerade das Mikro aus, bevor die gesamte Stadt doch keinen Bewusstseinsprung macht. Wohin auch…?
So die ersten nachhaltigen Eindrücke des am heutigen Abend völlig übermüdeten Autors dieses Bautagebuchs nach einem langen Tag voller brisanter Gespräche über die Situation in Stadt, Land und Gesellschaft, die bei anderer Gelegenheit wieder gegeben werden müssen. Ich muss ins Bett, den Rest des Tages müssen die Fotos erzählen. Achja, eine Sache noch, am Nachmittag entsteht etwas überraschend unter dem Pavillon in arbeitsamer Stille im dynamischen Silentium innerhalb einer Gruppe Jungs in einem Alter, in dem einen ganz andere Dinge beschäftigen, als Pappkartons zu falten und mit Botschaften zu versehen, eine Atmosphäre der ernsthaften und tiefen Beschäftigung mit persönlichen Friedensbotschaften, dem Frieden im Allgemeinen und der eigenen Position dazu, die viele des Teams verwundernd tief beeindrucken. Immer noch in sich versunken übergeben Sie ihre Faltsteine an die Gruppe, die ihre Steine vermauern soll. Vielleicht unterschätzen wir einfach viele Jugendliche bzgl. ihres Tiefgangs, ihrer Empfindsamkeit und ihrer Fähigkeit zur Hingabe, wenn wir ihnen endlich Aufmerksamkeit schenken und nur eine Stimme geben…

 

TAG 3: Warummädchen oder wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Pappstein

9 Uhr Wir eröffnen die Baustelle um 9 Uhr, als schon die ersten Schüler warten, um ihre Steine abzugeben. Sie lassen sich aber zu einem kleinen Stadtbummel vorab überreden, um danach ihre mitgebrachten, gefalteten und gestalteten Steine unter Anleitung selbst zu verbauen. Anschließend darf ich, wie jeden Morgen, den König von Augsburg, Gerhard Hermanutz, begrüßen – heute betritt er die Bühne, die die Welt des Friedens bedeutet, mit vergleichsweise recht dezenten Insignien seinen Status betreffend, die Baustelle. Ich frage seine Durchlaucht nach seinem werten Befinden: „Wie geht’s heut?“
KA (König von Augsburg): „Gut!“
FB (Frank Bölter): „Was macht das Volk?“
KA: „Naja, es dümpelt“.
FB: „Es dümpelt?“
KA: „Freilich“
FB: „Sind’s nicht zufrieden mit Ihrem Volk?“
KA: „Dochdoch, es entwickelt sich schon in die richtige Richtung. Aber es dauert.“
FB: „Eher nach Westen oder eher nach Osten?“
KA: „Weder noch, eher in die Akzeptanz seines wahren Herrschers?“
FB: „Der da wäre?“
KA: I!
FB: „Ach so. Und ich dachte schon, Sie denken da an den brandneuen Papst!“
KA: „Na, das ändert nix.“
FB: „Was würden Sie ändern, wenn Sie endlich an der Macht wären?“
KA: „I würd mehr Pappsteinprojekte machen lassen.“
FB: „Bitte entschuldigen Sie, Majestät. Das würde ich an Ihrer Stelle nicht machen, ich weiss aus allererster Hand, es ist zu anstrengend.“
KA: „Trotzdem. Das sieht, dass die Leute miteinander ins Gespräch kommen aus diesem Anlass. Es wird ja über vieles geredet hier beim Pappsteinefalten.“
FB: „zum Beispiel?“
KA: „Wer ist verantwortlich für die gesellschaftspolitische Krise?“
FB: „Sie vermutlich!“
KA: „Auch. Denn wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Pappstein!“

10.27 Uhr An der Mauer wird hitzig über politische Systeme und Auswirkungen auf Lebensgefühl und -qualität diskutiert. Wir sprechen über innere Widersprüche der bekannten Gesellschaftsmodelle und finden weder den Ausgang aus ihnen, noch aus diesem Gespräch. Immerhin scheint die allgemeine Unzufriedenheit inzwischen so groß, dass langsam etwas passieren müsse, finden die männlichen und entsprechen willensstarken Diskutanten doch noch einen Konsens.Ich schlage vor, diesen Konsens zu begießen, leider sind Flüssigkeiten an der Pappmauer verboten, behauptet die 7-jährige Eileen, die offenbar der erwachsenen Diskussion verfolgt zu haben scheint.
11.38 Uhr Ich werde plötzlich von hinten mit der Frage überfallen: „Von welcher Partei sans denn?“.
Ich entgegne, dass es sich hier um ein über- wie unterparteiliches Projekt handeln würde, wo von unten nach oben im praktischen Dialog über den Frieden in vereinter Absicht vieler Menschen über den Frieden nachgesponnen wird. Manche berichten von eigenen Friedensabsichten, überwiegend sind politische Parolen und Allgemeinplätze ins Bild gebracht. Aber hier und da wird Feinsinnigeres ins Bild oder ins Wort gesetzt. Nach einer Gedankepause, das Gehörte verarbeitend, lässt der Herr mittleren Alters nicht locker; „Aber Sie müssen doch von einem bestimmten Lager beauftragt worden sein“, mutmasst der sich immer noch hinter mir befindliche Mann, der mir stoisch beim Pappsteinmauern zuschaut. „Ich würde das Selbstbeauftragte Handeln dem Fremdbeauftragten vorziehen“, gebe ich zu verstehen, als der Mann abermals eine Gedankenpause verstreichend ansetzt: „Aber wer bezahlt Sie denn für dieses Projekt?“ „Das Friedensbüro hier in Augsburg“, gebe ich zurück. „Und wer bezahlt das Friedensbüro?“ will der unnachgiebige und wissbegierige Mann endlich wissen. „Die Stadt Augsburg“, antworte ich jetzt zu ihm gewandt. „Aha!“, entfährt es dem Herrn plötzlich als wäre er endlich der Wahrheit hinter dem vordergründigen Erscheinungsbild auf der Spur. „Allerdings hat man mich bis jetzt noch nicht bezahlt!“, fällt mir abschließend ein und auf. „Also ist es auch nur ein Scheindemokratisches Projekt, da wir in einer Scheindemokratie leben und das Projekt würde von einer scheindemokratischen Institution finanziert. Sie sind also ein Scheindemokrat, mehr nicht!“ So hätte ich mich noch gar nicht betrachtet, gebe ich zu Verstehen. Ich werde heute mal etwas genauer in den Spiegel schauen. „Spieglein Spiegeln an der Wand, wer ist der Scheindemokratischste im Ganzen Land?“, versucht der Mann plötzlich einen Witz. Etwas irritiert erfreue ich mich über dessen Leichtigkeit, mit der er diesen ernsthaften Diskurs aufzulösen gewillt scheint. Schmunzelnd und dankbar für die Denkanstässe verabschieden wir uns auf ein weiteres Treffen am Haus des Friedens, dass nun langsam aber stetig wächst.

12.03 Uhr Die Gruppe 11-Klässler verabschiedet sich, nachdem sie ihre Steine vermauert haben. Als ich mich für ihren Beitrag bei Ihnen bedanke fragt Marscha: „Warum machen Sie das eigentlich?“ Um Zeit für eine Antwort zu gewinnen, versuche ich eine Gegenfrage: „Was ist die wichtigste Frage auf der Welt?“ „Wie geht’s?“ fällt Abdul ein. „Genau“, beglückwünsche ich ihn: „Und die zweitwichtigste lautet ‚warum?‘ Ich beglückwünsche Marscha zu Ihrer Neugierde, um noch mehr Zeit zu gewinnen, nachdem der erste Versuch fehlschlug. Irgendwann fällt mir etwas zwischen basisdemokratischem Aktivismus, alles Selbermachen auch Politik, die großen Probleme auf der Welt liessen sich nur in Gemeinschaft lösen und vor der eignen Haustür kehren, ein. „Wohnen Sie hier in Augsburg?“ will daraufhin Abdul wissen. „Warum?“ fragt Marscha an Abdul gewandt erneut. „Na, weil er vor der eigenen Haustür kehren will“, gibt Abdul zurück. Ich gebe zu verstehen, das ich zwar nicht in Augsburg wohnen würde, meine Haustür in der Nähe von Köln sei, ich könne da derzeit allerdings nicht kehren, weil ich hier so viele Fragen zu beantworten hätte. „Warum bauen Sie dann das Haus des Friedens hier?“, stellt Marscha die nächste Warumfrage. Weil man hier offensichtlich bereit sei, ein „Haus des Friedens“ zu bauen. „Bauen Sie doch einfach eine Haustür ein, dann können Sie auch hier kehren“, behauptet Abdul amüsiert. Selbstverständlich kommt von Marscha die zweitwichtigste Frage der Welt: „Warum?“…

 

TAG 4: „Der Friedensprozess ist außer Kontrolle“

Am Ende des Tages und unserer Kräfte sitzt das ganze Team vollkommen erschöpft, überanstrengt und -wältigt von der großen Resonanz und Beteiligung am Bau des Hauses noch zusammen. Der eine findet keine Worte, die andere hatte keine Gelegenheit für Sonnencreme, die Dritte braucht sofort nen Aperolspritz. Annika hatte ihren Freund Stefan angerufen, er müsse sofort helfen, sonst gerate der Friedensprozess ins Stocken, Danielas Freund musste ebenfalls aushelfen usw.
Am, auf, unter und neben den Tischen sitzen, liegen, hocken, knien Menschen aus dem fernen und nahen Osten, zwischen Australien, Andalusien, Afghanistan, Amerika und sogar Augsburg, um ihre Botschaften auf die Steine und an die Wand zu bringen. Im anderen Teil des Gebäudes falten selbsternannte Faltteams einen Stein nach dem anderen, die von anderen zum „auswärtigem Zelt“ zur Gestaltung eskortiert, dann zum Mauerwerk weitergereicht und dort verbaut werden. Die Leute helfen und unterstützen sich inzwischen gegenseitig beim Falten, Bemalen und Bemauern das Haus des Friedens. Wir müssen hier und da eingreifen, wenn Kinder auf Leitern rumturnen, während sich die Eltern sich gerade versöhnen und Erwachsene mal die Stabilität des Mauerwerks überprüfen, indem sie sich gar übergewichtig an die Wand lehnen. Heute gibt’s (nur) eine Zitatensammlung und einige „Gesprächsfetzen“ aus Gründen von Reizüberflutung und Unsortiertheit in Kopf und Herz:

„Ich hatte mir Frieden irgendwie kleiner vorgestellt.“

„Was macht Ihr denn, wenn’s regnet?“ – „Dann wird’s vermutlich nass.“
– „Ach so!“

„Wenn jetzt ein Papppanzer um die Ecke kommt, was passiert dann?“

„Die meisten Friedensbotschaften sind ja ein bisschen aus der Hüfte geschossen.“

„Kann ich den einen Stein aus der Wand da drüben wieder rausschneiden. der ist so schön, den will ich mit nach Hause nehmen.“

„Wo hast Du denn meinen Stein hingemauert, den ich Dir heute früh gegeben habe? – „Wie sah der denn aus?“ – „Der hatte so ein Friedenssymbol.“ – „Ach der war das.“

„Das Frieden so schnell geht.“

„Gestern war vom Frieden noch nichts zu sehen!“

„Wer bezahlt den Scheiß?“

„Ich hätte nicht gedacht, das sich so viele Menschen beteiligen.“

„Der Friedensprozess ist außer Kontrolle. Wir müssen sofort die Blauhelme rufen.“

„Ich habe einen Stein nach Israel und einen nach Gaza geschickt. Ich hoffe, das beide mit einer Friedensbotschaft zurückkommen. Die kommen dann nebeneinander in das Haus.“

„Jetzt weiß ich endlich, warum es Kriege gibt. So einen Friedensprozess kannst Du nicht mehr steuern!“

 

TAG 5: „Reden ist Silber, Mauern ist Gold“

Eine Dame, die mir gleich bekannt vor kommt, nähert sich mit der Bemerkung: „Sagen Sie, das ist ja Wahnsinn, wie groß das geworden ist und was hier los ist. Ich war am Donnerstag bei der Grundsteinlegung und wollte heute nochmal schauen, ob sich was verändert hat. Aber das ist ja Wahnsinn, in welcher Atmosphäre des Miteinanders hier gefaltet, gemalt und gemauert wird.“ – „Danke“, bedanke ich mich etwas verlegen, weil mir keine anderen Worte einfallen. „Sagen Sie, würden Sie ganz kurz, ich weiß, Sie haben alle Hände voll zu tun mit all diesen Leuten hier – aber ich sehe, wie groß das Bedürfnis zu sein scheint, sich am „Haus des Friedens“ zu beteiligen – mir erklären, worum es Ihnen hier genau geht?“ – „Es geht um das Anzetteln eines Friedensdialoges und einer Methode des Diskurses, jenseits ausgetretener medialer Kommunikationspfade. Wir schaffen hier gemeinsam einen Diskursraum, in dem ein bildmächtiger Dialog über Frieden möglich werden kann. Die vielen Steine, die hier miteinander in allen Sprachen und von allen und in allen Farben nebeneinander vermauert sind, sind der Versuch, ein sinnbildliches Miteinander zu erschaffen und eine visuelle Diskursplattform zu kreieren“, erkläre ich und bin selbst ein bisschen erstaunt von dieser einigermaßen treffenden Zusammenfassung. Das muss die Sonne sein und das Delirium, in dem ich mich inzwischen befinde bei dieser alles in allem viel zu großen Kraftanstrengung aufgrund dieser riesigen Resonanz, der wir mit unseren kleinen Team kaum gerecht werden können. An dieser Stelle bitte ich um einen angemessenen Applaus für: Theresa, Daniela, Ayla, Davot, Bernd, Eric, Annika, Anne, Ruth, Georg, Olga und Stefan. Danke für Ihre Annerkennung der Leistung meines Teams und nun ohne weitere Umschweife zurück zu der Dame und ihrem angenehmen Gesprächsbedarf. „Und es machen wirklich alle mit, ich kann’s kaum glauben. Ich möchte Ihnen meinen Dank aussprechen und Ihnen meine Tochter vorstellen.“ – „Entschuldigung, ich bin gerade sehr glücklich mit meiner Partnerin Astrid…“ – „Das habe ich doch nicht so gemeint“, lacht die Dame und holt trotzdem ihre Tochter, die allerdings ihren Freund im Schlepptau hat, der sich auch noch vorstellt und über diese Bemerkung belustigt schmunzelt. „Sagen Sie, wie kommt es zu der runden Form mit dem Kreuz da herinnen und warum sind die Steine überhaupt weiß?“ – „Meine Freundin Astrid, von der ja gerade die Rede ist, hat kurz nachgedacht und behauptet, dass das Haus des Friedens keine Ecken und Kanten haben darf, und außerdem müsse das Haus des Friedens weiß sein. Die Farbe weiß sei die Summe aller Farben, die Brieftaube sei schließlich nicht umsonst weiß. Und irgendwie hat sie da mit allem ja recht. Als ich dann nach Augsburg gekommen bin, um das Projekt an vielen Stellen zu besprechen, sei plötzlich hier in Augsburg alles rund gewesen. Ich war in einer Falafelbude in Oberhausen, die hatten eine Sonne als rundes Logo, die Falafel war rund, die Falafelbällchen auch. Danach bin ich nur noch runden Verkehrsschildern begegnet, war bei einem Frisör in Oberhausen, der mich mit der Begründung rausgeschmissen hat, das er nur kreisrunde Haarschnitte könne usw., so ging das den ganzen Tag. Ich konnte es kaum glauben. Es waren auf einmal nur noch etwas zu korpulente Menschen auf der Straße. Ich saß mit Anne Garthe und ihrem Team im Kinderzentrum Oberhausen an einem runden Tisch, um eine bestmögliche Beteiligung der Schulen zu erwirken. Es war, wie überraschend, ein kreisrundes Gespräch. Das ging nur so weiter. Am Ende saß ich mit dem Ordnungsamt und dem Bauamt am runden Tisch zusammen, um das Projekt durchzukriegen, als das Ordnungsamt im Einklang mit dem Bauamt vorschlug, doch eine runde Form zu wählen, damit die Windlast bestmöglich zu den Seiten abgeleitet werden kann. Ich war völlig sprachlos über diesen Wink der höheren Mächte, sodass wir das „Haus des Friedens“ jetzt auf keinen Fall eckig bauen können.“ – „Und jetzt haben Sie auch noch das Beste Wetter, das man sich vorstellen kann. Das macht die Sache ja richtig rund. Wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf, Ihre Freundin ist ja gold wert, die würde ich an Ihrer Stelle behalten.“ – „Da haben Sie vollkommen recht und voll ins Weiße getroffen. Aber Ihre Tochter scheint auch ganz nett zu sein, wenn ich das so sagen darf“, versuche ich einen Altherrenwitz, der von der Dame belacht, von der Tochter allerdings als weniger lustig befunden wird. Sie wendet sich ab und beschmust auf einmal auffallend deutlich ihren leider viel zu gut aussehenden Freund, der die Bemerkung seinerseits ganz amüsiert beschmunzelt. „Sie scheinen auf jeden Fall ein jeden-und-alles-integrierendes-Projekt erfunden zu haben.“ – „Wir sind zum Glück ein Team. Ich gebe Ihr Lob weiter. Haben Sie vielen Dank für ihre Resonanz, wir geben hier wirklich alle bei aller Anstrengung unser Bestes. Wir haben mit einer solchen Beteiligung nicht gerechnet und sind selbst ein bisschen gerührt von der Dankbarkeit und Rührung aller Menschen jeder Couleur und mit jedem nur denkbaren kulturellen Hintergrund. Eben hat sich ein afghanischer Mann bei mir dafür bedankt mit der Bemerkung: „das ihm dieses Projekt soviel Hoffnung gebe, wie nichts anderes, seitdem er in Deutschland ist. Danach hat sich ein älterer Herr als waschechter Augsburger bei mir vorgestellt, der Schwierigkeiten hatte, seine Gefühle in Worte zu fassen. Er bemerkte bei sich Emotionen, die er schon lange nicht mehr gespürt habe. Das muss einem erstmal über die Lippen kommen gegenüber jemandem, den ich noch gar nicht kenne. Erst recht in dieser Generation. Er konnte es gar nicht glauben, das ich ihm auch noch für ein paar Augenblicke meine Aufmerksamkeit schenke, was natürlich und selbstverständlich ist, so es eben geht bei dem Andrang hier auf der Baustelle. Er hat sich einen Stein mitgenommen und versprach, trotz seines hohen Alters, diesen Stein mit einer besonderen Friedensbotschaft zu versehen. Das wäre das Mindeste, was dieses Projekt verdient hätte.“ – „Wie wunderbar, ich kann mich nur bei Ihnen bedanken für dieses Projekt.“ Im Laufe des Tages kommt Lina zu mir, die heute das Gögginger Gebetshaus besucht und mal schauen will, wie es hier so zugeht, und segnet mich. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Außer mich meinerseits nochmals bei meinem Team, ohne dass das hier (Du lieber Himmel, wie schreibt man denn diese zwei „das“ hintereinander jetzt wieder?) alles nicht möglich wäre, zu bedanken. Dazu gehört auch Thomas Weitzel, der auf politischer Ebene im Hintergrund manche Dinge möglich werden lässt. Als wir am Abend aufräumen kommt ein berufsjugendlicher Mann mittleren Alters zu mir und behauptet, er hätte bei seinem vierten Besuch auf der Baustelle endlich den herrlichen Widerspruch des Projektes erkannt: „Sie schaffen neue Mauern in den Köpfen der Leute aus Toleranz, Integration und Vielfalt. Großartig.“ Das würde ihn an aktuelle politische Programme erinnern, die auch nur dazu da seien, neue Mauern zu bauen. – „Ich gratuliere ihm zu seiner Weitsicht, die meine bei weitem Übersteige, bedanke mich für das Zurechtrücken meines allzu positiven Tagesbildes und versichere, ich sei lediglich an der Finanzierung meines Familienlebens interessiert und hätte gerade nichts Besseres zu tun. „Wir sind Brüder im Geiste!“, behauptet der auf einmal berufsbrüderlich werdende Mann. „Man kann sich seine Brüder selten aussuchen“, versuche ich den gesuchten Schulterschluss zu lockern und auf eine mir angenehmere Distanz zu bringen ohne zu deutlich zu werden. Jetzt aber endlich ab ins Wirtshaus auf’n Weißbier, oder zwei oderoderoder…

 

TAG 6: 500 KM bis zum „Haus des Friedens“

Der heutige Tag beginnt wie gewohnt mit einem Besuch des Königs von Augsburg. Wie immer frage ich seine Durchlaucht nach seinem Befinden, worauf er wie immer mit: „Es geht, es geht.“, reagiert. Allmählich scheint die allmorgendliche Begegnung ritualhafte Züge zu bekommen. So folgt standesgemäß die Frage nach dem Befinden des Volkes. „Dem Volk geht’s so lala. Es könnte ihm besser gehen, wenn es nur endlich meine Zahlenmystik annehmen würde…“
Diese Bemerkung muss für einige Augenblicke über dem Rathausplatz hängen bleiben und die offenen Fragen werden intuitiv auf später verschoben, weil Theresa mit der Nachricht, um 9 Uhr 30 sei Krisensitzung, über den Rathausplatz stürmt. „Welche Krise?“, wollen der sonst eher wortkarge König von Augsburg und der ansonsten genauso schweigsame Künstler wie im Chor wissen. „Der Wind ist natürlich das Problem ihres Bauwerks, das genau deswegen kein Meisterwerk der Architektur sein kann“, erkennt der König eines der größten Problemstellungen unserer Zeit messerscharf und vermutet vielleicht hier das Thema der anberaumten Sitzung. Seine Durchlaucht zur Krisensitzung einladend erkläre ich, dass das Gebäude genau deswegen ein Meisterwerk sein, vielleicht nicht der Architektur, aber u. U. der bildenden Kunst. „Vielleicht ein Meisterwerk des Wahnsinns!“, vermutet der Herrscher sich selbst aus der Sitzung wieder ausladend. Schliesslich korrespondiere der verwendete Werkstoff Pappe mit den Ebenen der Fragilität und Instabilität bei Nässe mit denselben den Frieden gefährdenden Attributen. Es handele sich genau deswegen eher um ein Kunstprojekt zwischen Skulptur und Aktivismus als reine Materialstudie, so mein letzter (Er-) Läuterungsversuch. Ich würde derzeit überlegen, ob ich als nächstes Projekt einen Regierungssitz für den König von Augsburg konzipiere. „Das Haus des Friedens ist gefährdet von zu wenig Personal“, platzt Theresa in diese sinnlose Diskussion. „Genau wie ich“, versucht der Staatenlenker erneut in von diesen gewohnt selbstherrlicher Manier das Gespräch wieder auf sich zu lenken. Sein langer Bart könne darüber hinaus ebenso wenig Wind vertragen wie das Pappgebäude, sieht er eine weitere Parallele zwischen den Angeboten der unmittelbaren Umgebung und sich selbst. Ich scheine mit dem falschen Bein aufgestanden zu sein, wähne mich noch immer im Albtraumland und hoffe, das der Wecker bald klingelt. Stattdessen klingelt mein Telefon. Meine Mutter ist dran: „Endlich machst Du mal was Vernünftiges, mein Sohn!“, eröffnet sie das Gespräch, das ich leider unterbrechen muss, weil ja die Krisensitzung endlich beginnt und zu der gerade alle erscheinen. Die Krise wird schnell für null, nichtig und für beendet erklärt, trotz der Entkräftung aller bei der wochenendlichen Überforderung auf dem Bau, trotzdem kann endlich weiter gebaut werden. Wir beschliessen, den heutigen Montag für die Einschätzung abzuwarten, ob die Begeisterung und übergroße Beteiligung am Friedensprozess die Leute auch wochentags von wirklich wichtigen Dingen abhält und wir mehr Personal benötigen, wo das auch immer herkommen soll? Die Friedensgespräche werden vom künstlerischen Leiter schnell beendet und der Baustellenseelenfrieden scheint wieder hergestellt.
Muss auch, weil schon ein paar Jugendliche mit Erziehern und Lehrern um die Ecke, äh…, um das Rund des „Hauses des Friedens“ kommen. Die heute wie in den Tagen zuvor kleine Gruppe von 3 Leuten reicht im Gegensatz zu den Tagen zuvor aus, um gut über den Arbeitstag zu kommen. Im Gegensatz zum Wochenende kann man sich sogar Gespräche auf Gespräche einlassen, ohne zu befürchten, dass Friedensdialoge gleich projektgefährdenden Charakter haben, was ja ein Widerspruch in sich bedeutete. Wir falten und gestalten für den Frieden, haben aber keine Zeit für Friedensgespräche zur Ermutigung der Menschen, ihre eigenen Konflikte zu lösen?
Es muss am dritten Tag in praller Sonne liegen oder an der Überbelastung des Teams, das ich hier etwas zu ausführlich rumkritzel. Außerdem bereitet mir Ganze auch mal eine schlaflose Nacht. So ist das, wenn das Projekt irgendwann Macht über Dich hat, und Du nicht mehr über das Projekt. An diesem Punkt sind wir gerade. Aber diese Interna gehen Sie doch eigentlich überhaupt nichts an. Genauso wenig, das sich Bernd heute trotz Erkrankung zur Baustelle schleppt, um zu helfen. Danke für Deinen Einsatz, Bernd. Ebensolchen an Erik und Theresa und Daniela.

Inzwischen hat das Gebäude eine beeindruckende Dimension erreicht. Wir können das Gebäude nicht mehr mit Planen abdecken. Ab heute ist damit quasi das „Haus des Friedens“ eröffnet. Am Abend sollte ich demzufolge gleich spielende Kleinkinder auf den Mauern rumkrabbelnd wieder herunterpflücken, während die Mütter lieber ins Handy glotzen. „Frieden ist nichts für schwache Nerven!“, ruft jemand treffend und die Szene aus der Ferne beobachtend. Noch kurz zum Tagesthema: Heute ist Daniela gekommen, um eine Botschaft zu überbringen, die sie 500 KM durch Deutschlang getragen hat, um sie zum Haus des Friedens zu bringen. Kann man sich das vorstellen. Zum Glück überlegt verbindet sie diesen Besuch mit einem des Gebetshauses in Göggingen. So kann ich mir einreden, dass sie eher auch wegen des Gebetshauses 14 Tage nach Augsburg gewandert. Glücklicherweise ist Pappe ein leichterer Werkstoff als das übliche Baustoffe, versuche ich meine Rührung und meinen Respekt, vor dieser Leistung mit vordergründigem Humor zu kaschieren, was mir im nächsten Moment als völlig unangemessen erscheint und eine Entschuldigung erfordert. Sie erkennt aber meine Gemütsverfassung, meine Rührung und meine Achtung vor Ihr und Ihrer Leistung. Also stehe ich weiter ungläubig staunend und wie angewurzelt vor ihr, und finde irgendwas stammelnd keine Worte der Anerkennung. Ich kann mich nicht erinnern, das jemals jemand eine derartige Strecke für kein materielles Weltkulturerbe oder historisches Monument oder Ereignis auf sich genommen hat. Sie erklärt, dass das „Haus des Friedens“ genau das wäre, nicht um mich weiter zu verunsichern, auch wenn es diese Wirkung auf mich hat, sondern um mich zu ermutigen. Ich weiß dies zu schätzen, Daniela, auch wenn ich kaum mit dieser Verantwortung umgehen kann. Wir unterhalten uns lange über Gott und die Welt. Sie hat viel zu erzählen über die derzeitigen Veränderungsprozesse in den Menschen und in der Gesellschaft. Aus Respekt vor ihr, soll dies verborgen bleiben. Über manches muss man Schweigen, anstatt zu Schreiben. Ich verspreche Ihr zum Ende unseres Gesprächs, ihrem Stein einen Sonderplatz zu Teil werden zu lassen. Es ist der einzige Stein, der falsch herum installiert werden darf. Wir haben nun einen kleine Altar im Haus des Friedens für Daniela und ihren Pappstein eingerichtet.

 

TAG 7: Einladung Richtfest „Haus des Friedens“ am Sonntag, den 18.08.2025″ um 17 Uhr und der hl. Frank Knotenlöser“

Raten sie mal, wer schon auf der Baustelle ist, als ich um 9 Uhr zu Dienstbeginn an der mentalen Stempeluhr stehe: Genau, der König von Augsburg. Diesmal mit einem neuen Mottoshirt mit dem übersetzten Text „Staatsanwaltschaft, im Anfang war das Wort, achtzehn Buchstaben“. Erneut kommt er auf seine von der Öffentlichkeit missachtete, geniale Zahlenmystik zu sprechen: „Wenn doch nur die Menschen auf mein Zahlensystem anspringen würden, es würde die ganze Welt verändern. Aber sie wollen nicht, noch nicht. Aber das ist auch nicht weiter schlimm. Die Menschheit hat noch Zeit.“ A propos Zeit, ich müsse jetzt los, damit der Baufortschritt… äh, fortschreitet, bekomme ich den Satz zu Ende geholpert. Seine Majestät behauptet, an seiner Haustür in der Jakobermauer 2, die Tür ohne Nummer und ohne Namen, dafür mit Schritt auf dem Türblatt gebe Aufschluss über seine Zahlenmystik basierend auf den Ziffern „Otilie“ für 8 Wochentage und „Palette“ für 32 Monatstage. In meinen von der frühsommerlichen Wärme und zu früher Stunde noch nicht ganz auf Betriebstemperatur justierten Gedankenapparat formt sich die Bemerkung: „Das Haus das Friedens mit seinen 26 Metern Durchmesser habe demnach eine Otilie in der Quersumme des Durchmessers mit der Höhe von 2,46 Metern derzeit zwei Paletten in der Quersumme als Volumen.n „Jawollo“, pflichtet mir der Erlauchte plötzlich im Jugendsläng bei. Ich bedanke mich für die Einladung zur Audienz bei seiner Majestät, der offenbar in der alten Stadtmauer wohnt. Wurden die nicht früher als Verließ und Kerker verwendet?
Ein Ukrainer bedankt sich in gebrochenem Englisch für unsere Aktion mit den Worten: „Thank you for making the world a better place!“ – Wir singen ein paar Verse von Michael Jackson’s Song „Heal the world“ zusammen und drücken uns die Hände zum Abschied.
Gegen Mittag spricht mich eine männliche Stimme mit den Worten: „Seh ich das richtig, Sie bauen hier ein Hakenkreuz?“, an – „Vollkommen richtig, ein Hakenkreuz aus Friedensbotschaften ergibt ein Bild des gemeinschaftlichen Neben- und Miteinanders bei gleichzeitiger Akzeptanz des Fremden, jede Stimme darf gesehen und gehört werden und ist gleichwertig. Wir bauen gemeinsam mit allem und jedem ein Haus des Friedens, gleich welcher Bildungsgrad und gesellschaftlicher Status – all diese uns von einander trennenden Elemente fallen hier von den Menschen ab – das genau das wird der Faschismus der Zukunft sein. Sie haben es als erster und vermutlich einziger komplett begriffen. Ich gratuliere.“ – „Aber entschuldigen Sie“, bittet der etwas verwirrt dreinschauende Mann nachsichtig: „Sie wollen hier behaupten, ein Hakenkreuz aus Friedenssymbolen und Friedensbotschaften zu bauen?“ – „Neinnein, Sie behaupten das.“ – „Besser kann man den Widerspruch, in dem sich die Gesellschaft befindet gar nicht abbilden. Aber Sie führen die Menschen hinters Licht, die wissen doch gar nicht um Ihre Absicht, dass das ein Hakenkreuz werden soll? Ich habe mal von oben schauen können, da drüben aus dem Fenster. Da wohnen Bekannte von mir. Da kann man das erkennen.“ – „Genau so muss es wohl damals gewesen sein, zumindest ist es das, was man im Geschichtsunterricht lernt“, ich könne das auch in etwa aus meiner eigenen Familiegeschichte heraus bestätigen.“ – „Wenn Sie uns jetzt zeigen wollen, wie die Menschen hinters Licht geführt werden – Sie scheinen ja ein guter Stratege zu sein – Glauben Sie, das Projekt bewahrt uns damit in Zukunft vor einer Wiederholung der Geschichte? Wollen Sie das damit aussagen“ – „Jetzt nochmal von vorn. Die wie auch immer zu interpretierende aktuelle Form ist nicht die endgültige. Im Übrigen ergibt die Verwendung dieses Symbols und sein Missbrauch durch verschiedene veränderte Varianten eine sehr aufschlussreiche Genealogie über die Verbrechen an der Menschheit und gibt Auskunft über die wahren Absichten hinter der Symbolik. Leider wird das meist erst im Nachhinein erkannt und auch nur von wenigen. Was uns hier angeht, am Ende wird das „Haus des Friedens“ ein kreisrundes weißes Gebäude ohne Ecken und Kanten. So Sie wollen, bauen wir über die von Ihnen hier entdeckte Swastika hinaus. Die Menschheitsgeschichte ist voll von diesen Verbrechen an sich selbst, wir versuchen hier aber etwas Neues, das, wenn es sehr gut läuft, vielleicht ein paar Dinge verhindert. Ich bin aber kein Freund der Selbstüberschätzung, eher des einfach-Ausprobieren-ohne-Angst-und-mit-möglichst-wenig-Bedenken. Aber zurück zur Zukunft. Was wirklich in eine angenehmere Gesellschaft überführen kann, ist die Gemeinschaft als Akteur und Autor dieses wie hoffentlich auch anderer ähnlicher Aktionen zwischen Kunst und Aktivismus. Ich komme nur mit einer Idee, dann gibt es ein begeistertes kleines Team, das die Kraft hat, gegen alle Widerstände an zu arbeiten, danach kommt die Bevölkerung, die uns hier in einer Weise unterstützt, das wir das Gefühl bekommen, die Leute haben nur darauf gewartet, sich mal wieder ihrer Stimme bewusst zu werden, die ihnen sonst überall genommen wird. Nicht mehr die einzeln Stimme eines von mir aus genialen Experten ist der Heilsbringer, Hoffnungsträger und Weltverbesserer, sondern die Gemeinschaft von allem und jedem stellt sich die Frage nach Sinn und Unsinn und baut diese Welt nach ihren Prinzipien zum Wohle aller und von jedem auf. Die individuelle Originalität und Expertise wird abgestimmt mit den Bedürfnissen aller, mit denen in den Dialog getreten wird. Es bestimmt nicht länger eine Macht- und Finazelite von oben herab, stattdessen wird die Welt von unten nach oben gebaut und nicht mehr anders herum, wie das immer noch Gang und Gebe ist. Das ist der eigentliche Richtungswechsel, der vollzogen wird. Wir können diese Entwicklung blockieren oder unterstützen. Ich würde letzteres vorschlagen, das ginge wesentlich leichter von statten. Diese Form der Strategien einzelner zur Bewegung von Massen und Politik, Gesellschaft und von mir aus auch Kunst sind abgeschmackt und funktionieren nur noch, weil wir nichts anderes kennen und es so lange das einzige Mittel war. Wir versuchen hier also etwas Neues, das Sie sich jetzt gern von Innen mal anschauen dürfen, statt von oben darauf herab zu sehen. Ich gebe Ihnen noch einen Tipp mit auf den Weg: Riskieren Sie einen frischen Blick ohne Vorbildung und ohne den Abgleich mit althergebrachten Konzepten, mit denen Sie ja ganz gut vertraut zu sein scheinen. Immerhin kennen Sie den Begriff der Installation aus der zeitgenössischen Kunst.“ – „Aber das hier ist doch Aktivismus und keine Kunst, auch wenn hier ein bisschen gemalt und gezeichnet wird!“ – „Kunst hat zunächst mal nichts mit Disziplinen zu tun, sondern mit Vision und Erneuerung. Und genau darüber sprechen wir gerade. Hier geht es im etwas, das viel größer ist als jeder einzelne von uns. Damit landen wir bei den Kräften von Gemeinschaft und sozialem Mörtel, der hier den Chor der gleichberechtigten Stimmen zusammenhält. Wo wir schon bei Richtungswechseln sind, ich würde zudem noch einen Wechsel der Blickrichtung vorschlagen, nämlich den nach Innen. Weniger nach außen schauen im Wissen um Bildungsprogramme und Konventionen, als den freien und unverstellten Blick nach Innen. Da entdeckt man irgendwann nämlich etwas ganz anderes, sich selbst. Und wenn Sie dann dran bleiben…“ – „Äh, ich wollte eigentlich nur nach einem Pappstein fragen. Kann ich den da mitnehmen?“ – „Entschuldigung Sie, ich wollte Sie hier nicht mit meinem pers….“, versuche ich noch eine Rettung der Situation, als der Mann schon überinformiert um die nächste Ecke verschwindet, nachdem er sich einen Pappstein unter den Arm geklemmt hat. Meine Bemerkungen sind gefärbt von Überarbeitung, zuviel Verantwortung und anderen Aspekten, die auf mir lasten. Ich entschuldige mich an dieser Stelle und im Nachhinein bei diesem Mann für die Belehrungen, die mir weder zu- noch gut zu Gesicht stehen. Ich bin auch nur ein Mensch und bekomme so meine Lektionen im Leben. Zum Anderen darf ich an dieser Stelle betonen, das Dialoge wie dieser die absolute Ausnahme darstellen und die Wirkung der Vielzahl der positiven Stimmen in keinster Weise eintrüben. Die Menschen, die das „Haus des Friedens“ besuchen, bewegen sich, von der Vielzahl der Menschen, die sich bereits beteiligt haben, der inzwischen erreichten Größendimension der bildgewordenen Friedensabsichten und dem Konsens aller Menschen jenseits von Hautfarbe, kulturellem Hintergrund und Ausdrucksvermögen, sehr gemächlich durch die Räume und sind berührt von dem Gesamtbild, beinah demütig lassen Sie den Blick durch das Gebäudes schweifen.
Als ich mich von der Überhitzung meiner Betriebstemperatur an der Kühltheke im nächsten Supermarkt abkühlen will, erreichen Worte einer Gruppe älterer Damen meine Ohren, die sich darüber unterhalten, dass ihre Enkel gestern zwei Stunden lang Pappsteine bemalt hätten und endlich mal nicht am Handy oder am Computer daddelten. Sie wäre so beeindruckt von den beiden und ihrer friedfertigen Beschäftigung. Das hätte es so noch nicht gegeben. Das hätte dieses Projekt schon mal geschafft. Die anderen Damen pflichten bei und wollen sich sofort Pappsteine holen, damit ihre Enkel es ihnen gleich tun. Zum Beweis zeigt die von dieser familiären Besonderheit berichtende Dame Handyfotos der bemalten Pappsteine. Als ich um die Ansicht der Fotos bitte und mich als am Projekt Beteiligter zu erkennen gebe, erkenne ich die beiden womöglich größten „Friedensapostel“ unserer Zeit: Bart und Homer Simpson. Sie versprechen, ihre „Friedensbotschaft“ morgen zur Baustelle zu bringen. Zurück von der Lebensmittelquelle wird auf der Baustelle gerätselt, was für Friedensbotschaften eigentlich in der Vielzahl der für uns unbekannten Sprachen und Schriftbilder verborgen sein mögen oder ob es womöglich um ganz andere Botschaften gehe. Als ich exemplarisch eine Gruppe afghanischer Männer anspreche, die gerade ein mir völlig unbekanntes Schriftbild studieren, erklären sie, es stünde auf diesem Stein in Paschtu: „Alles Gute zum Muttertag.“ An Nachmittag kommt Thomas Weitzel zur Baustelle und bietet mir einen Besuch bei seinem Ostheopaten an. Ich vermute, er kann mich aus den oberen Geschossen des anliegenden Rathauses blickend nicht mehr über die Baustelle humpeln sehen, was tatsächlich an der Summe der anstrengenden Ebenen dieses Projektes wie zuvor abgeschlossener liegen mag. Bauleitung ist nun mal der ungesündeste Beruf der Welt, das wissen alle Mütter, die Bauleiter auf die Welt gebracht haben nur zu genau. Sie sind die ganze Zeit mit Kommunikation, Fragen der Statik und der Organisation beschäftigt und haben neben ihrem Handy in der einen den Hammer in anderen Hand und mit der dritten müssen sie den Nagel festhalten. Die Frage: „Wie soll das gehen?“, beschäftigt sie den gesamten Tag. Ich komme gerade aus Italien, wo ich ein Projekt in ähnlicher Größenordnung abzuwickeln hatte, bei dem ich noch drei weitere Hände aus meinem Körper wachsen lassen musste: „Wie soll das gehen, wenn Sie nur drei Hände haben?“ Irgendwann sollte man sich wohl damit abfinden, das man eben nur drei Hände hat. Wenn man das nicht irgendwann akzeptiert, wird’s eben schwierig mit der Gesundheit. So bekommen wir eben alle unsere Lektionen im Leben. „Der Mann wächst mit seinen Aufgaben“, höre ich eine weibliche Stimme hinter mir rufen. Die Stimme gehört zur guten Seele des letztjährigen Projektes „NEOKunsthalle Göppingen“. Wie schön, das Du mich besucht hast heute in Augsburg, liebe Evi. Bitte grüße Dein gesamtes Umfeld in der Kunsthalle Göppingen mit Veronika, Melanie, Eva und Valentin. Was haben wir da letztes Jahr für unglaubliche Erfahrungen machen dürfen, die Sie alle unter https://frankboelter.com/neokunsthalle-goeppingen/ nachlesen können. Ich bitte die kurz eingestreute Eigenwerbung an dieser Stelle zu entschuldigen. Weiter im Text: Evi war gerade in einer Kirche um die Ecke und zeigt mit eine Abbildung der Maria Knotenlöserin, die um die Wende des 17ten und 18ten Jahrhunderts in Augsburg gelebt haben soll. Sie behauptet plötzlich, diese Heilige hätte eine frappierende Ähnlichkeit mit mir, worauf ich sie bitte, mir mal die Postkarte zu zeigen. Sie behauptet die Nase und die schräge Kopfhaltung hätten wir gemein, worauf wir wieder beim Ostheopaten wären, den ich vielleicht doch mal anrufen sollte. Ich kann mich bestenfalls in ihren Händen wieder erkennen, stimme ich ihr anteilig zu, was die These bestätigt, das doch jeder etwas anderes sieht und sehen kann aufgrund seines Vorwissens und seines Lebenserfahrungsschatzes. Wir sinnen über den übertragenen Sinn der Tätigkeit von Maria Knotenlöserin nach und fragen uns, was die Nachbarschaft der Kirche mit dem Gemälde, das an diese Frau erinnert, mit dem „Haus des Friedens“ und der Verortung des Projektes in Augsburg zu tun haben möge, sehen darin aber natürlich überhaupt keinen Zusammenhang.
Vielleicht nehme ich das Angebot von Thomas Weitzel an und gehe mal zu seinem Osthepathen, um meinen mühsam erwirkten Beckenschiefstand korrigieren zu lassen, den ich mir auf dem Rückweg aus Italien beim Überqueren der Alpen zugezogen habe. Danke für dieses Angebot. Mal sehen, wie es mir morgen geht, könnte mich vielleicht der König von Augsburg morgen früh fragen?

 

TAG 8: „Das ‚Haus des Friedens“ sieht aus wie Ihre Frau?“

Gegen 11.20 Uhr fragt eine ältere Dame, wie das Gebäude und seine Form zu verstehen sind. „Können Sie mir erklären, was dieses Kreuz in der Mitte zu bedeuten hat, hat das eine bestimmte Symbolik?“ – „Das dient zunächst mal der Stabilität. Hätten wir nur die Außenmauern, würde das „Haus des Friedens“ wohl beim kleinsten Windstoß Zusammenbrechen. Wir müssen ja alles uns Mögliche für den Frieden tun. Dazu gehört auch die maximale Stabilität bei größtmöglichem Gebäudemaß“, versuche ich etwas Licht in die Ahnungen der älteren Dame zu bringen. Die lässt ihrem Wissensdurst weiter freien Lauf und fragt nach der runden Form des Gebäudes: „Haben Sie da an Formen aus der Natur gedacht, an organisches Wachstum?“ – „Genau, dabei habe ich tatsächlich an meine Frau gedacht. Aber tatsächlich geht es um eine möglichst stabile Form, die sich selbst zusammenhalten kann. Dazu kommt der Aspekt, das die runde Form keine Ecken hat, so dass sich keine Spannungen innerhalb der Form und unterschiedlicher Längenmaße ergeben. Sie ist sozusagen die perfekte geometrische Form für Spannungslosigkeit und damit für die gebündelte Friedensabsicht unseres Gebäudes. Noch genauer hat es auch damit eine Ebene des Weiblichen. Frieden ist bestimmt eher in der Weiblichen Absicht zu verorten als in der Männlichen, wo das Erobern, das Erfolgsstreben und das Mammut am Horizont eher ein erfülltes Leben bedeuten. Am genauesten genommen sprechen ja manche Menschen von der heiligen Geometrie, das fängt bei Fibonacci an und hört bei spirituellen Aspekten auf. Dazu kommt noch eine formale Verwandtschaft zur Landeplatzmarkierung, hier darf der Frieden landen. Gleichzeitig darf sich der Frieden von hier aus überall hin ausbreiten, wir haben deswegen kein Dach. Darüber hinaus ist der Rathausplatz in Augsburg der wichtigste Platz in der Stadt, die Gesamtanstrengung von so vielen Menschen, die sich hier beteiligen und von uns als Team gehört dann auch zur Summe der Aspekte, die nötig sind, um ihre Wirkung in der Zukunft zu entfalten. Wir müssen hier alle schon ein bisschen über unsere Grenzen gehen, um das „Haus des Friedens“ bauen zu können. Die Beschäftigung mit all diesen Aspekten spielt eine Rolle bei der Entwicklung dieses Gebäudes und seiner Struktur. So ähnlich verhalte es sich wohl auch mit dem Friedensprozess. Zum Glück ziehen hier alle an einem Strang von Ordnungsamt bis den afghanischen Jungs dahinten, so kann das klappen mit dem Frieden. Wir zeigen nur auf, wie das gehen kann. Insofern war dieses Projekt irgendwie auch eine Prüfung für uns alle, ob wir das wirklich ernst meinen mit dem Frieden. Das Team des Friedensbüros arbeitet längst genauso über ihren eigentlichen Kapazitäten wie die Bevölkerung, die uns hier die meiste Zeit auf Trapp hält. Wir tun also alles für den Frieden, was wir können und machen das gern. Die Götter scheinen uns wohlgewonnen zu sein und haben uns eine sonnige Zeit geschenkt, um dieses Signal an die Welt zu senden. „Und wie ist das mit dem Längen- und Breitenmaß, also dem Durchmesser des Hauses?“, will die wissbegierige Dame auch noch wissen. „Wir haben einen Durchmesser von 26 Metern, das entspricht einer Quersumme von 8, damit haben wir die Referenzziffer zur liegenden Acht als Zeichen der Unendlichkeit. Damit haben wir das Gebäude auf spiritueller Ebene für alle Zeiten im Bewusstsein der Menschen verankert…“, werde ich auf der Suche nach fadenscheinigen Begründungen etwas zu ausführlich für die inzwischen leichte Ungeduld ausstrahlende Dame. Die fragt dann: „Zurück zur Natur, glauben Sie denn, ihre Absichten erreichen die Menschen?“ – „Zurück zu meiner Frau, zumindest habe ich ihre Absichten damit erreicht, die hat das nämlich alles vorgeschlagen“, gebe ich ihr zu verstehen. „Das Gebäude ist also quasi Ihrer Frau nachempfunden?“, schmunzelt die Dame amüsiert. „Ist bei Ihrer Frau denn auch alles rund?“, wird die sich selbst belustigende Dame ein bisschen zu privat. „Das können Sie am Freitag nachmittag selbst überprüfen, dann kommt sie nach Augsburg“, schlage ich vor. „Ich komme dann auch. Ich will die Frau, die so aussieht wie das „Haus des Friedens“, unbedingt mal sehen.

 

TAG 9: „Frieden ist wichtig“

Heute kein Text, nur soviel: Wir haben Überstunden machen müssen. Die Menschen wollen sich in einer Vielzahl beteiligen, das wir irgendwann die Übersicht verlieren, Loslassen ist das Gebot der Stunde, … äh, Stunden, … vielmehr seit über einer Woche. Wahrscheinlich werden wir anbauen müssen, oder einen Ableger irgendwo entstehen lassen. Vielleicht „kindelt“ das Haus des Friedens ja irgendwo in Augsburg. Wer weiß, wo – bitte melden. Wir haben heute Sockel für die Kinder gebaut und sie gleich drauf gesetzt, die einen sagen: „Kinderarbeit“, die anderen: „Endlich tut einer was für die Kinder“. So oder so. Ich muss jetzt Yoga machen, sonst komme ich morgen nicht mehr aus den Federn. Morgen kommt Astrid, sie hat Geburtstag. Ich will noch einen Tisch im Restaurant Dill bestellen und erstmal heiß duschen. Ist ein ganz schöner Kraftakt, wir sind glücklich und platt. Danke an Arik, Annika, Theresa, Susanne, Kathrin (mit „H“ eigentlich oder ohne?). Gute Nacht:)

 

TAG 10: Unisono – 2000 Stimmen, eine Absicht

5:25 Uhr Ich werde wach und bin sofort mit der Frage beschäftigt, wie es zu der Situation kommt, das wir alle dasselbe wollen, aber keine Macht haben, unsere Absichten zu verwirklichen. Unsere Stimmen werden offenbar nicht gehört, wir sind ohnmächtig. Wir haben dem Frieden ein Haus gebaut, einen Platz geschaffen, wo der Frieden auf die Erde kommen kann, ähnlich einem Landeplatz, vielleicht deswegen das Kreuz in der Mitte, ähnlich den Hubschrauberlandeplätzen. Manchmal haben diese das Andreaskreuz in der Mitte im Bewusstsein eines Notfalllandeplatzes. Der zweite Gedanke ist gebunden an die Frage: „Und jetzt? Was machen wir mit dem „Haus des Friedens“? Vielleicht brauchen wir ein Bild, um diesen Zustand der Gesellschaft, der Welt und der Menschheit zu sehen, um zu verstehen.
Gestern kam jemand zur „Haus des Friedens“ und sagte, das wunderbare an diesem Projekt sei einfach, dass es so unglaublich viele Ebenen habe, die alle zum Nachdenken und Einfühlen anregen. Er würde den „Tempel“ gern als Kulisse für einen Film benutzen, da wird es aber auch um das Gegenteil unserer Intentionen gehen. Kurz danach kam der ukrainische Familienvater zurück zur Baustelle und erklärt, er müsse mindestens einmal am Tag hierher kommen um wirklich zu fassen, was er hier erlebt hat. Ich kämpfe mit den Tränen, als er sagt, dass er mich bis an sein Lebensende nicht mehr vergessen wird. Noch schwieriger wird demzufolge der letzte Schritt dieses Projektes, der uns jetzt beim Richtfest und bei der Eröffnung des „Hauses des Friedens“ bevor steht: Der Frieden wird eingemauert und ab- und weggeschlossen, auf das er erhalten und hier bleibe und von keinem Menschen und von anderen Absichten gestört werden kann. Das „Haus des Friedens“ kann nicht mehr betreten werden, es sei denn, man wendet Gewalt an. Der Frieden darf als Ideal in Erinnerung bleiben, und als ein Platz der Reife, an der ich vielleicht selbst noch arbeiten muss, bevor ich ihn betreten kann. Ist Frieden etwa eine Idealvorstellung, an der es zunächst in aller Stille zu arbeiten gilt, und die man zunächst in sich selbst zu suchen hat, bevor im Außen Frieden herrschen kann? Erst im Innern muss ich Frieden mit mir selbst schließen, bevor ich im Außen Frieden mit anderen schließen kann, bevor ich erwarten kann, das irgendjemand für mich Frieden mit anderen schließt. Ein Stein stellte schließlich die Frage nach unserer „Friedenstüchtigkeit“. Ich muss also den Blick nach innen wenden, um mir selbst auf die Spur zu kommen, dazu braucht es Mut, allen Ablenkungen im Außen eine Absage zu erteilen, auch dem heute fertig zustellenden „Haus des Friedens“. Aber wie komme ich mir selbst auf die Spur?
Auf einem Stein ist ein Porträt der Margot Friedländer, die das KZ Theresienstadt überlebt hat und am 09. Mai 2025, zu Beginn unserer Bauphase 104-jährig verstorben ist. Auf dem Stein steht ihr Zitat: „Seid Menschen!“. Aber was ist mit: „Seid Menschen“ eigentlich gemeint? Was sind wir sonst, wenn wir keine Menschen sind? Ich darf ein bisschen spekulieren und interpretieren nach diesen Erfahrungen auf der Baustelle, wo sich so viele Leute als Menschen gezeigt haben, ich so viel Menschlichkeit und Hingabe jenseits von kulturellen Hintergründen, persönlichem Ausdrucksvermögen in Sprache, Text und Bild jenseits der Hautfarben erleben konnte. Menschen haben Gefühle. Gefühle aller Couleur, die in alle Richtungen gehen. Schmerz, Trauer, Wut und Lebesfreude, Gelassenheit und Liebe tauchen jeden Lebensmoment in eine Energie und sind verbunden mit jedem Ereignis. Gefühle geben uns Kraft und bringen mich auf die Fährte zur Frage, wer ich eigentlich bin? Sie machen das Leben erst lebenswert, manchmal liebevoll und insgesamt viel lebendiger. Aber auch das Gegenteil ist möglich, ich kann mich gegen die Lebendigkeit entscheiden. Wir haben damit die Wahl zwischen einem Leben als Mensch und dem in einer Rolle. Als Rollenspieler werde ich gelebt und bin der Erfüllungsgehilfe fremder Absichten, bin fremdgesteuert und diene jemand anderem oder etwas anderem. In diesem Zustand ist je nach Wirkungsgrad, Möglichkeiten und Macht alles möglich, im persönlichen Umfeld wie manchmal im gesellschaftlichen. Sie können ihre Kinder einfach nur übersehen oder einen Weltkrieg anzetteln, die Ursache ist immer dasselbe, Sie spielen eine Rolle, machen Ihr Ego über größer als das der anderen und haben sich gegen das Leben als Mensch entschieden. Sie haben den wollen der größte Pappstein in der Mauer sein und den besten Platz haben. Womöglich sind Sie sich auch viel zu schade, sich auf das Niveau der Straßenkunst herabzulassen. Das Problem zeigt sich im Großen wie im Kleinen. Der Unterschied liegt nur im Maßstab. Die Wahl zu haben zwischen einem Leben als Mensch und einem Leben in einer Rolle ist die wahre Macht, die Sie haben, die Sie zunächst mal nur über sich selbst haben, aber manchmal nicht vor dem Ausleben an anderen Halt macht –
Ich möchte Sie jetzt fragen, für welchen Weg Sie sich entscheiden? Sind Sie lebendig oder spielen Sie lieber eine Rolle? Sie können sich jetzt entscheiden, ihren Lebensweg als Mensch fortzusetzen. Nehmen Sie sich jetzt einen Moment der Stille und entscheiden Sie sich für ein Leben als Mensch. Es lohnt sich, das Leben als Mensch zu erleben, so wie ich es hier in Augsburg erleben durfte. Die Menschheit wird es Ihnen danken –

Ich bedanke mich für diese wertvollen Erfahrungen, die ich mit Euch beim Bau des “Hauses des Friedens“ machen durfte. Hier habe ich so viele Menschen gesehen, die alle dasselbe wollen: In Frieden leben. Es gibt Hoffnung.

 

TAG 11: „Nun ist es passiert!“

08.11 Uhr Kathrin schreibt in die Whattsapp-Gruppe, das es nun doch passiert sei: „Es wurden Steine zerstört und unsere schönen Mauern von gestern:(“
Nach kurzem internen Dialog einigt man sich nach kurzem Moment der Enttäuschung, die Mauer unbeirrt wieder aufzubauen, um dem Willen, Frieden herzustellen, Nachdruck zu verleihen und ein Gesicht zu geben, Entschlossen- und Ernsthaftigkeit unserer Absichten zu untermauern und Beharrlichkeit über das Bauwerk auszustrahlen.
11.12 Uhr Mit gemeinschaftlichen Kräften sind die Mauern und Objekte von gestern wieder hergestellt. Auf der Baustelle des Friedens kehrt eine Freude am gegenseitigen Helfen und Unterstützen ein, Felix baut eine Durchreiche für ein 1-Liter Maß, Eric behauptet, genau das hätte ihm gefehlt, Kathrin freut sich über das ungehinderte Engagement der Leute, die einfach nicht aufhören wollen, Pappsteine zu falten, zu bemalen und irgendwohin zu mauern. Ich brauche eine Pause und lege mich in den Liegestuhl und beobachte den Besucherstrom. Vor den Mauern des Friedens stellt sich eine junge Frau mit einem Schild um den Haus und der Aufschrift: „Free Hugs“, die Nähe scheint von vielen Menschen dringend gebraucht zu werden.

 

TAG 12: „Nun ist es schon wieder passiert!“

10.37 Uhr Felix schreibt, man hätte über Nacht die gestern in den Räumen aufgemauerten Friedensobjekte und -Nischen und „Rückzugsräume der Stille und des Privaten“ zerstört. Aber die ließen sich schnell wieder aufrichten und Reparieren. Der gestrige Trotz scheint sich in Selbstverständlichkeit zu verwandeln, in den „Haus des Friedens“-Aktivismus hinein und aus dem Trümmerhaufen von gestern heraus zu wachsen. Felix berichtet weiter, das die Leute inzwischen böse werden und Verlangen, den Schaden am „Haus des Friedens“ zur Anzeige zu bringen. Bevor noch mehr Schaden an der Fragilität des Friedens sichtbar werden und weitere Zweifel an den friedlichen Absichten aller Menschen aufkommen, schnell noch ein paar Abbildungen der „Dialoge in und an der Mauer“:)

11.48 Uhr Ich komme zu spät zur Baustelle. Alle werden schon da sein. Ich hoffe, man verzeiht mir das. Ich nutze die Verspätung für eine Einladung zur heutigen Eröffnung: https://www.instagram.com/reel/DJw_ubuNim3/?igsh=MWdwc3VhcDNraGltNA==

 

TAG 13: „Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein“

17 Uhr Wir treffen uns am „Haus des Friedens“ zur Eröffnung. Der Sicherheitsdienst bittet die zahlreichen Besucher, das „Haus des Friedens“ zu verlassen, das Museum schließe jetzt jeden Moment für immer. Nachdem der Eric Nikodym als künstlerischer Leiter ein paar freundliche Worte zur Eröffnung des Museums am heutigen internationalen Museumstag sagt, schicke ich mich an, den Eingang des Museum der Friedensbotschaften zu zu mauern. Als Erklärung liefere ich, das „Haus des Friedens“, seine vielfältigen Friedensbotschaften wie der Friede selbst müssten nach dem Vandalismus der letzten beiden Nächte geschützt und gesichert werden. Noch während das „Haus des Friedens“ verschlossen wird trägt eine junge Frau aus Ungarn namens Migena „the children of Eden“ auf deutsch vor, und Roman spricht über seinen persönlichen Frieden berichtet. Nach seinen Kriegserfahrungen an der ukrainisch-russischen Grenze kommt dem spürbar eine besondere Bedeutung zu. Als das Eingangsportal des Gebäudes verschlossen ist, wird auf die Eröffnung angestoßen.
18.37 Uhr Ich höre ein lautes Geräusch, als ich mich umdrehe, ist die obere Hälfte soeben fertig gestellten des Mauerwerks eingestürzt. Es spricht sich herum, dass sich drei junge Männer gemeinschaftlich gegen das Mauerwerk geworfen haben, um den Eingang wieder frei zu bekommen. Das gelingt nur zur Hälfte. Sie stehlen sich anschließend etwas unsicher davon. Das Bollwerk ist noch immer zu hoch, der Eingang bleibt versperrt. Niemand kommt hinein.

https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-auf-das-friedenshaus-duerfen-die-buerger-stolz-sein-109072339

 

TAG 14: „Davon stand aber nichts in der Zeitung“

10.47 Uhr Als ich mit gemischten Gefühlen, zur Schau getragener Entschlossenheit bei gehörigem inneren Zweifel, das richtige getan zu haben, letztmalig das „Haus des Friedens“ erreiche, kommen mir schon Kinder mit ihren Eltern entgegen, die unbedingt ihre Stein wiedersehen wollen. Meine Versuche der Erklärung, es sei notwendig, das gesamte Bild unserer aktuellen widersprüchlichen gesellschaftlichen Situation der Unsicherheit, gesellschaftlichen Dilemmas der Friedenssicherung durch Waffenlieferungen und dem Mangel an Vertrauen in die politischen Institutionen und seiner Vertreter in Form eines Denkmals des fragilen Friedens, der durch einen Gewaltakt geschützt wird, schlagen fehl, gehen ins Leere oder wollen nicht akzeptiert werden. „Wie sollen wir das unseren Kindern erklären?“, fragt mich verzweifelt die Mutter des 8-jährigen Seif. „Ich kann es auch nicht“, gestehe ich und bemerke, das der Zweifel in mir an der gestrigen Performance noch größer wird. Als ich das noch immer vorschlossene Portal erreiche, stehen viele Leute davor, recken sich, um über das Bollwerk hinüber zu schauen, fotografieren hinein, und unterhalten sich über die Situation: „Wieso ist das denn jetzt zugemauert? Davon stand aber nichts in der Zeitung.“

https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-das-friedenshaus-gibt-die-steine-fuer-die-kuenstler-frei-109077846

 

TAG 15: „Das Friedenshaus am Rathausplatz in Augsburg ist wieder geöffnet“

https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/das-friedenshaus-am-rathausplatz-in-augsburg-ist-wieder-geoeffnet-109092122

Ich erstatte Anzeige „gegen unbekannt“ und übergebe die Angelegenheit sicherheitshalber meinen Anwälten.

Auf großer Fahrt von Citeaux nach Gravenhorst

Performance – Temporäre Installation
Kloster Citeaux (Fr.), Canal de l’Est, Mosel, Rhein, Dortmund-Herne-Kanal, Kunsthaus Kloster Gravenhorst  | 2006

 

 

Auf großer Fahrt von Citeaux nach Gravenhorst ist das „Logbuch“ eines ca. 600 Seemeilen langen Reiseabenteuers. Der Kölner Künstler Frank Bölter fuhr im Jahr 2006 mit einem Riesenpapierschiffchen aus Tetra Pak entlang der europäischen Kultivierungs- und Kolonialisierungswasserwege Saône, Canal de l’Est, Moselle, Mosel, Rhein, Rhein-Herne-Kanal, Donau-Ems-Kanal. Die Reise begann mit einer gemeinschaftlichen Faltaktion mit Novizen des Ordens im Gründungskloster des Zisterzienserordens Citeaux und endete mit der Übergabe einer Botschaft des Abtes im ehemaligen Tochterkloster des Ordens, dem heutigen „Kunsthaus Kloster Gravenhorst“. Das Buch dokumentiert die Unwägbarkeiten des Projekts sowie die Hilfeleistungen freiwillig wie unfreiwillig in das Projekt eingebundener Personen in Text und Bild, lässt die im Mittelalter übliche Verbindung zwischen Kunst und Spiritualität wieder aufleben und erinnert an die „Missionsreisen“ früher Mönche (z.B. St. Brandanus, 5. Jh.). Festeinband aus dem als Bootsmaterial genutzten PE-Getränkefolienumschlag. Gefördert durch die Stiftung Kunstfonds mit Mitteln der VG Bild-Kunst.

 

Publikation „Auf großer Fahrt“, erschienen im Salon Verlag, Auflage 1000, 68 Seiten, Hardcover mit Umschlag aus Milchkarton, 21 x 16 cm
mit Texten Frank Bölter

Chronik von Que(e)rbeet, -feldein und -denken in Köln-Kalk

Temporäre Installation – Performance
Veedelsbüro Loéstraße 6, Brauwelt und Kalkberg, Köln-Kalk | 2023

 

Chronik „Que(e)rbeet, -feldein und -denken in Köln-Kalk

12.04.2023 Anruf von Tommi Grusch vom Stadtteilbüro Kalk-Nord und Veredle e.V. mit der Frage, wie die Welt in Kalk noch zu retten sei? Ich verspreche sofort nach Kalk zu kommen, um ein Loch in die Wand zu machen.

15.04.2023 Ortsbegehung und Besichtigung von Kalk und neuralgischen Punkten den öffentlichen Raum betreffend. Auf Nachfrage halten 50 % der Befragten die Parkplatzsituation für das größte Problem in Kalk, neben den Mietpreisen und den ansteigenden Lebenshaltungskosten. Als ich etwas zu spät zum meinem nur in Notfällen dieser Art zu fahrenden Auto zurückkomme, klebt ein Knötchen an der Windschutzscheibe. Die Parkzeit habe ich um 7 Minuten überzogen.

16.04.2023 Visualisierung des Projektvorhabens „Queerbet, -feldein und -denken in Kalk“ als zweiteiligem Workshop zur beispielhaften Transformation der gesamten Gesellschaft in Kalk in Form der gemeinschaftlichen Faltung des „SUV Kalk“ aus Karton zum Kalkfest am 19.08.2023 und der Transformation des Vehikels am 27.08.2023 in die „Rose of Kalk“. Tommi Grusch erklärt im Namen des Stadtteilbüros Kalk-Nord und des Veedel e.V. sein Einverständnis in den blumigen Worten: „is ok!“, warnt aber gleichzeigit vor zu hohen Parkgebühren, sollte der SUV Kalk die anvisierte Parkzeit von einer Woche überstehen.

19.08.2023
Ab 14 Uhr Fertigung des SUV Kalk mit tatkräftiger Unterstützung der Nachbarschaft der Loestraße unter Melonenspenden eines älteren türkischen Herrn und der Versorgung mit Kirschkuchen einer älteren „Urkalker Dame“, die das Geschehen von ihrem Balkon aus beobachtet und eine Stärkung verspricht: „Sie müssen doch was essen, bevor Sie damit losfahren! „Aber sagen Sie mal, wo wollen Sie denn damit eigentlich hin?“ Fragt Sie mit leicht besorgtem Unterton. Der 8-jährige Mohammed antwortet planvoll: „Erst auf den Kalkberg, dann parken wir falsch am Kalkar Stadtgarten!“. „Gute Idee“, meint die soeben die Bühne, die die Welt bedeutende und betretende Elke S., die mit ihrer gerade noch rechtzeitig entbundenen Tochter Lenja zur Jungfernfahrt des die Automobiltechnik womöglich weiter entwickelnden SUV Kalk erscheint, wie der frisch gebackene Opa Dirk S. Dazu meint, der dafür gesorgt hat, das die Kalker Bevölkerung einigermaßen Bescheid weiß, was sich Weltbewegendes im Hinterhof der Loestraße in Kalk abspielt. „Ich weiß noch nicht“, meint der frisch gebackene Projektbeauftragte des zivilen Ungehorsams in Kalk Tommi Grusch, „ob das hier gut geht.“ „Ich habe die Faltanleitung vergessen!“, fällt dem Künstler gerade noch rechtzeitig auf, damit Mohammed meint, er wisse, wie es weitergehe. Prompt wird dem 8-jährigen Mohammed der Führerschein gefaltet und ausgestellt, damit der Prototyp auf die Probe gestellt werden kann.

 

16 Uhr pünktlich wie die übrige lahmendere deutsche Autoindustrie läuft der Prototyp des SUV Kalk vom Band und kann seine Probefahrt antreten. Am Kalker Markt verlässt die eine Hälfte der Insassen das manövrierfähige Vehikel. Es fallen Sätze wie „Ich hätte ich gewusst, das ich selbst fahren muss, wär ich gar nicht erst gekommen!“, oder: „Danke fürs Mitnehmen.“, Andere meinen: „Das Lenken fällt ein bisschen schwer, ansonsten absolut verkehrstauglich!“. Mohammed fragt: „Ob er sofort einen Führerschein machen könne?“, der ihm prompt ausgestellt und gefaltet wird. „Man sieht ja drinnen gar nicht, was draußen los ist?“ Stellt Elke fest, damit Florian sagen kann: „Hier ist sohl der einzige Ort in Kalk, an dem man mal mit sich alleine ist.“ Als wir nur noch zu Dritt sind, fährt der heilige Geist in uns, mobilisiert unsere letzten Kräfte, die uns doch noch bis auf den Kalkberg führen. An der Pforte meint einer der das Areal bewachenden Feuerwehrmänner aufgeschlossen: „Eigentlich wollten wir keine Autos mehr auf den Berg rauf lassen.“ Bernd Giesecke kontert beflissen: „Der Wagen hat Brandschutzklasse 3, damit können wir überall hinfahren“. Das scheint die Feuerwehr zu überzeugen, die uns eine halbe Stunde Aufenthalt gewährt, die im Namen des Beauftragten des zivilen Ungehorsams in Kalk Tommi Grusch entsprechend überzogen werden muss. Zu unserem Glück fahren nach einer Stunde guter Aussicht vom Kalkberg über das Panorama von Köln ein paar Freiwillige den Wagen wieder hinunter. Der inzwischen von uns mehr als heilig gesprochene Fahrer Bernd Giesecke behauptet, das die Feuerwehr doch sowieso erst immer nach dem Brand, also eigentlich zu spät käme. Da können wir bestimmt mit Verständnis rechnen. „Kann ich mitfahren?“ schreit jemand von draussen im Vorbeifahren, was wir verneinen, da wir gerade so gut unterwegs sind, dass uns beinah die Arme abfallen. Als von hinten gehupt wird, scheint mir, das Tommi Gruschs rechter Arm durch das zu tragende Gewicht des Fahrzeugs bereits länger geworden ist als sein Linker. Auf Nachfrage antwortet der neue Karosseriebauer, das er gerade keine Zeit hätte, das zu überprüfen. Außerdem könne er nicht loslassen, ohne einen Unfall zu verursachen. Nach länger Probefahrt endlich zurück auf der Kalker Hauptstraße wird gezielt der Kalker Stadtgarten angesteuert, das Auto schnell falsch geparkt, ausgestiegen und sich in alle Winde zerstreut, bevor das Ordnungsamt um die bestimmt nächste Ecke kommt. Wir können in der vorbeikommenden Demo gegen zuviel CO2-Ausstoss und zu vielen Autos Kalk untertauchen. Außerdem (Achtung schlechter Witz:) fehlt zudem das Nummernschild!

 


27.08.2023 immer noch unversehrt, zwar mit ein paar kleinformatigen Grafittis und Plakaten, die auf das heutige Vorhaben werbend hinweisen, geschmückt, wird um 14 Uhr wie geplant der SUV Kalk zur Sünder Brauerei zur Kalk-Kunst gefahren, wo das Fahrzeug in „the Rose of Kalk“ umgefaltet werden soll. „Ob das gut geht?“ werden laute Zweifel von vorbeifahrenden und -hupenden Augenzeugen des immer noch fahrtüchtigen Vehikels vorgebracht. „Habt Vertrauen in die Deutsche Automobilindustrie“, ermuntert Bernd Giesecke die anderen zumeist schnelleren Verkehrsteilnehmer. Um 14.30 Uhr wird der SUV Kalk wieder entfaltet und einer gemeinschaftlichen Hau-Ruck-Kunstkation nach allen Regeln der partizipativen Künste mit Besuchern der Kalk-Kunst basisdemokratisch in „the rose of Kalk“ transformiert. Vollkommen klar, das „the rose of Kalk“ im Bezirksrathaus von Köln-Kalk landet.

Der Weg des geringsten Widerstandes

Happening – Walk
Köln bis Berlin | 2024

 

-5301102345192584987_121

 

… war der ca. 650 Kilometer langer Fußmarsch von meiner Haustür am Rolshover Kirchweg 82 in Köln quer durchs Land, über Berg und Tal, Stock und Stein zu Mann und Maus bis in den Reichstag nach Berlin mit einem geschulterten Straßennamenschild mit der Aufschrift „Weg des geringsten Widerstandes“.
Während des etwa 4-wöchigen Fußmarsches im September 2021 in Anzug, Krawatte und Lackschuhen, mit dem Rohrpfosten und installiertem Schriftzug auf der Schulter wurde auf dem „Weg des geringsten Widerstandes“ der Frage nachgegangen, ob und warum der Mensch einen leichten, bequemen und möglichst geraden Lebensweg einem unbequemen, umständlichen und komplizierten Lebensweg vorzieht? …
Dieser Weg des vielleicht größten Widerstandes samt abschließendem „Besuch des Reichstages“ endete mit der Konfrontation der politischen Elite mit dieser lebenswichtigen Fragestellung exakt am Tag der Bundestagswahl am 26. September 2021 …
Die Darstellung der Frage, ob ein gradliniger, schnörkel- wie um- und auswegloser Karriere-, Bildungs- und Lebensweg auch wirklich der Richtige ist, konnte über die Internetseite http://www.wegdesgeringstenwiderstandes.de in Form von täglichen Berichten und Wasserstandsmeldungen aus den Schuhen des Wanderers mitverfolgt werden. Neben allen Stationen dieses „Kreuzweges“ zeigte die tägliche Dokumentation dieser Tortour die exemplarischen, allegorischen wie bestimmt unbequemen Schritte dieses Weges mit all seinen Abzweigungen, Umleitungen, Sackgassen und Absperrungen, Irrungen wie Wirrungen, unsagbaren Mühen mit unerklärlichen Begegnungen, allen Hilfestellungen der Bevölkerung samt Gesprächen über Lebensmut, -glück und -müdigkeit wie Kommentaren in Reisetagebuchform mit Text und Bild.
Diese humorvolle Infragestellung von Bequemlichkeit und den Schattenseiten dieses bestimmt freud- wie leidvollen Marsches quer durch die Republik ins Parlament zum Dialog mit der politischen Elite samt Schenkungen und Unterstützungsleistungen von Übernachtungsmöglichkeiten, Lunchpaketen und Lackschuhspenden in der Größe 44 für das formvollendete Erscheinungsbild des Akteurs dieser Langzeitperformance und -studie fanden im Internettagebuch Erwähnung, genau wie alle angenehmen Begleiterscheinungen und unliebsamen Begegnungen auf dem langen Weg vom Westen des Landes durch Westfalen und Niedersachsen durch den Osten nach Sachsen, durch Brandenburg bis nach Berlin.
Wer mithalf, diesen charmanten „Schildbürgerstreich“ als Version historischer Ablasswanderungen, traditioneller Protestmärsche und zeitgemäß bewegter Verbindung mit Mutter Natur Wirklichkeit werden zu lassen oder zu begleiten, sollte nach Vollendung des Projektes zum Dank ein handsigniertes Buch und eine Grafik des „Wegs des geringsten Widerstandes“ überreicht bekommen, deren Auflage exakt der Summe der Unterstützenden entspricht. Eine Dokumentation erscheint in Kürze im Verlag für Moderne Kunst, Wien.

Der Weg des geringsten Widerstandes
Vernissage Mittwoch, 01.09.2021 um 8.30 Uhr, Rolshover Kirchweg 82, 51105 Köln
Finissage Sonntag, 26.09.2021 um 18 Uhr im Reichstag, Platz der Republik, 10557 Berlin

Wandertagebuch:
www.wegdesgeringstenwiderstandes.de

 

Publikation „Weg des geringsten Widerstandes“

erschienen im
Verlag für moderne Kunst, Wien

298 Seiten, Hardcover mit Banderole, 21, 14,4 cm
mit Texten von Dr. Katja Blomberg, Frank Bölter
Buchgestaltung Julia Majewski
Fotografie/Film Frauke Schumann und Achim Köhler
ISBN 978-3-903439-84-9
Auflage 500, Preis 34,90 €

https://www.vfmk.org/books/frank-boelter-der-weg-des-geringsten-widerstandes

Bestellungen über den Verlag für moderne Kunst oder per mail an:
Mail an Studio Frank Bölter

 

Sonderedition „Weg des geringsten Widerstandes“,
298 Seiten, Hardcover mit Originalanzug und Banderole, 21, 14,4 cm
mit Texten von Dr. Katja Blomberg, Frank Bölter
Buchgestaltung Julia Majewski
Fotografie/Film Frauke Schumann und Achim Köhler
Auflage 20, Preis auf Anfrage

Bestellungen per mail mit Betreff „Sonderedition“ an:
wegdesgeringstenwiderstandes@gmx.net

Frank_Buch_Rhenania-session0207

 
Frank_Buch_Rhenania-session0262

 
Frank_Buch_Rhenania-session0282

Fotograf Edition: Jens Pussel, www.jenspussel.de

Eine Gans ist ein Turm ist eine Rose ist …

Performance – Temporäre Installation
Monheim am Rhein, Kunstwerkstatt | 2022

 

Eine Gans ist ein Turm ist eine Rose …
war eine dreiteilige Performance im öffentlichen Raum von Monheim. So wurde aus demselben Blatt Papier an drei aufeinander folgenden Sonntagen im Juni 2022 zunächst das Wappentier der Stadt Monheim am Rhein, eine Gans, gefaltet, die am darauffolgenden Sonntag in das Wahrzeichen der Stadt, der Schelmenturm, umgefaltet wurde, um schießlich als Seerose auf dem das Stadtbild prägenden Rhein ins Ungewisse zu driften …

Veranstaltungen jeweils Sonntags am 05.06.22, 12.06.22 und am 26.06.22 von 14 bis 17 Uhr

 

bettelCOLOGNE

Performance
Kölner Ringe, Köln | 2017

Die uns allseitig versprochenen und doch nicht eintretenden Bedürfnisbefriedigungen durch Konsum unserer „Einkaufs- und Shoppingerlebnisse“ führt zu den immer gleich aussehenden Filialen der Konzernketten und Multistores – nicht nur auf den Kölner Ringen. BettelCologne überträgt das ökonomische Phänomen des Franchising und andere uns vertraute Marketingkonzepte auf das Bettelgewerbe.

11 Bettler ab 11 Uhr 11 alle 111 Schritte auf den 1111 von Konsum und Kommerz geprägten Metern der Kölner Ringe 11111 Sekunden lang am Tag des Sommerkarnevals „Jeck im Sunnesching“. „Das ist das seltsamste Déjà-Vu-Erlebnis, das ich je hatte“, so ein Passant im Vorbei gehen …

The satisfaction of our needs through the consumption of our „buy and shopping experiences“, which is promised to us on all sides and yet does not materialise, leads to the branches of the corporate chains and multistores that always look the same – not only on Cologne’s rings. BettelCologne transfers the economic phenomenon of franchising and other marketing concepts familiar to us to the begging trade.

11 beggars from 11 o’clock 11 every 111 steps on the 1111 metres of the Cologne Rings marked by consumption and commerce for 11111 seconds on the day of the summer carnival „Jeck im Sunnesching“. „This is the strangest déjà vu experience I’ve ever had,“ said a passer-by as he walked past …

https://vimeo.com/237897414

UMTaufen der Kölner Ringe

Performance – Temporäre Installation
Kölner Ringe, Köln | 2017

 

Das Herz der Stadt Köln ist fest umklammert von Dt. Herrscher- und Adelsdynastien (Hohenstaufen- Habsburger- und Hohenzollernring) und lenkt unseren Blick auf Historisches (Ubier-, Karolinger-, Salier- , Sachsenring etc.). Unser Verhalten beim Orientieren ist geprägt vom Aufschauen zu Macht und Historie. Warum?

Wie können wir den Menschen Aufmerksamkeit schenken, die sich gegenwärtig, auf Augenhöhe und jenseits von Kommerz, Verkehr und Amüsierbetrieb auf den Kölner Ringen für Lebensqualität, Flair, Atmosphäre und Wärme einsetzen? Ein Projekt zur Erforschung alternativer Möglichkeiten zur Beschilderung der Stadt.

Ringabschnitt für Ringabschnitt wird umgetauft, Schritt für Schritt werden bis dahin unbekannte BürgerInnen für ihren eigenmächtigen, oft unauffälligen Einsatz im Schatten der lauten und hektischen Kölner Ringstraßen mit einem Straßennamenschild geehrt. Zu Beginn wurde der Hohenstaufenring in Dietlinde-Schumacher-Ring umgetauft. Dietlinde Schumacher führt den ältesten Kiosk Kölns seit Jahrzehnten mit Herz und Seele. Die Nachbarschaft weiß dies zu schätzen …

mehr unter:

http://www.koelnerringe.de

http://www.stadtlabor-koeln2017.de

Refugee Origami Camp Detmold

Performance – Temporäre Installation
Café Welcome, Schlossplatz, Detmold | 2016

 

Wie sieht die Gesellschaft von morgen aus? Und wie können wir gemeinschaftlich zum Gelingen der großen Aufgabe ‘Integration’ beitragen?
Geben wir diesen großen Fragen mal anders Gewicht und ihnen in Form eines Camps aus überdimensionierten, recyblebaren, gefalteten Papierhäusern, an dem jeder mitarbeiten kann, ein entsprechendes Gesicht.

Refugee Origami Camp Detmold (ROCD) wird ab Montag, dem 9. Mai gemeinschaftlich im Zentrum von Detmold von seinen Bewohnern selbst und anderen Freiwilligen errichtet – Im weiteren Verlauf finden diverse Workshops und Labore zur Herstellung von Lebensmitteln im Bierbrauen, Brotbacken und im Backen von Schwarzwälderkirschtorte etc wie zur Eigenproduktion von Kleidung und Möbelbau statt.
Die hergestellten Produkte werden am Camp “direktverkauft”, die Einnahmen werden zum weiteren Aufbau eines Programms der Refugee – Selbstversorgung und Eigenproduktion in Detmold verwendet.

Wir suchen Hobbybrauer zum Brauen von Refugeebeer und Feinbrötchenbäcker zum Backen von Brot aus echtem Flüchtlingsschrot und -korn, Nählaien und Lakaien zur Produktion von Allwetterhosen und Starkregenjacken, die jedem Wetter trotzen.
Spenden von Mehl, Salz, Wasser und anderen Grundnahrungsmitteln sind genauso erwünscht, wie bürgerschaftliches Engagement zum Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung, die jeden mit Freiheit zur Selbstentfaltung und Hilfsbereitschaft versorgt.
Freiwilliges Engagement, zur Verfügung stellen von Know-how, wie Spenden von Lebensmitteln und Stühlen, Tischen und Matratzen werden gerne genommen.

Refugee Origami Camp Detmold ist der Modellversuch einer selbstvermächtigten und ethnienübergreifenden Selbstversorger- wie Solidargemeinschaft und erprobt das fragile wie notwendige Gesellschaftsbild der natürlichen wie selbstverständlichen integration einer Gesellschaft im Wandel.

 

Chronik Refugee Origami Camp DETMOLD 

Montag, 09.05.2016

11.30 Uhr Vorbereiten der 8 x 8 Meter großen Papierfläche im „Café Welcome“ des Flüchtlingsheims in der Adenauerstraße. Sofort kommen Mischa und Farouk und viele andere Kinder. Sie fragen: „Was Du machen?“ Ich erkläre mit „Händen und Füßen“, dass ich gerne mit Ihnen ein lebensgroßes Origami-Haus falten möchte. Das wird nicht verstanden, daher zeige ich Ihnen eine Faltanleitung eines Origami-Modells. Auch das ist anscheinend zu abstrakt für die kleinen Kinder. Ich versuche Ihnen mit einer auf der Theke des Cafés herumliegenden Serviette zu erläutern, wie man ein Haus faltet. „Ich helfen“, „ich helfen“, „ich helfen“, „nein, ich helfen“, ruft es vor lauter Begeisterung aus vielen Mündern.

13.22 Uhr Die große Papierfläche ist geklebt. Um etwas zu verschnaufen, setze ich mich auf den einzigen noch freien Stuhl im Hof des „Café Welcome“. Ich stelle mich meinen Sitznachbarn vor. Hassan erzählt, dass er in Aserbaidschan als Architekt und Designer gearbeitet hat. Ich frage ihn, ob er sich vorstellen könnte, beim gemeinschaftlichen Hausfalten mitzuarbeiten. Er fordert Holz und Schrauben. Der Baumarkt sei nicht weit. Ich fahre sofort los, um das angeforderte Material zu besorgen.

Als ich nach 20 Minuten zurückkomme, haben die vielen Kinder – die allermeisten aus arabischen Ländern, bereits etliche Falten und Knicke in das Papier gemacht. Auf meine Frage: „Was ist das?“, antworten sie einstimmig und voller Lebensfreude: „Da Haus“. Den Impuls der Kinder aufnehmend wird mit allen Kindern und dem großen Papierknäuel einfach weiter gefaltet. Es ist kaum vorstellbar, dass aus diesem Papierhaufen noch ein Haus werden soll. Aber was sollen wir tun? „Falten Haus!“ ruft Mischa. Das Haus wird wohl krumm und schief werden, wenn es überhaupt nach einem Haus aussieht. Ich muss mir klar machen, das es weniger um das Objekt „Haus“ geht, als um das Gründen einer Gemeinschaft, die das Unmögliche möglich macht: Ohne sich mündlich verständlich machen zu können, können wir jedoch zumindest versuchen, die gemeinsame Sprache „Origami“ zu sprechen. Hassan macht sich sofort an den Gerüstbau. Die Kinder fragen nach Stiften zum Bemalen der Hauswände. Ich fahre sofort los, um das angeforderte Werkzeug zu besorgen.

17.10 Uhr Als das Haus tatsächlich fertig vor uns steht, kann ich kaum glauben, was wir da gemeinsam geschafft haben. Das Gerüst, das der unermüdliche Hassan schnell und stabil aus Dachlatten gebaut hat, passt auch noch so dermaßen exakt in das Papierhaus, das es sich fast wie ein Wunder anfühlt. Die Kinder wollen sofort Fenster und Türen hineinschneiden. Der Cutter ist allerdings verschwunden. Alle Stifte sind auch weg.

Als Mischa, Farouk und die vielen andere Kinder in das Papierhaus krabbeln, werden sie von einem uniformierten Securityguard angeherrscht und zurecht gewiesen. Ich bremse den Aufseher und behaupte, es sei doch schön, wenn die Kinder mit und in dem Haus spielen – es sei ja schließlich ihr Haus.

18.52 Uhr Man verabredet für morgen, ein weiteres Haus zu falten. Abends kann ich vor Freude über die kindliche Begeisterung kaum einschlafen.

 

 

Dienstag, 10.05.2016

11.30 Uhr Es wird erneut eine den gesamten Platz vor dem Café Welcome füllende Papierfläche geklebt. Die Kinder haben schon gewartet, nehmen sich sofort der Heißluftpistolen an, um die Papierbahnen aneinander zu schweißen. Ich befürchte, dass sich die Kinder dabei verletzen; ist die Luft zum Verschweißen der einzelnen Milchkartonbahnen doch sehr heiß. Allerdings gehen sie so geschickt und sicher mit dem Werkzeug um, das jeder sowieso unmögliche Versuch, den Umgang mit dem Werkzeug mündlich zu erklären, überflüssig erscheint. „Ich“, „Ich“, „Ich“, „Ich“ schallt es aus allen Mündern, um dem Wunsch, den Heißluftfön zu übernehmen, Ausdruck zu verleihen.

12.18 Uhr Farouk hat sich am Papier geschnitten. Er blutet am Zeigefinger. Ich gehe mit ihm zum Sanitäter des Arbeiter Samariter Bundes. Der Finger wird mit einem Pflaster geschützt. Farouk lächelt wieder.

13.47 Uhr Hassan nimmt sich wie selbstverständlich des Gerüstbaus an. In Windeseile steht das Gerüst, nur die Kinder sind mit dem Hausfalten schneller. Um sie zu beschäftigen, verteile ich Stifte, sie bemalen hochkonzentriert und in stiller Versunkenheit die Papierwände. Herzen und Blumen sind die Lieblingsmotive. Ich bin gerührt von soviel Herzlichkeit und Zuversicht. Die Erwachsenen sitzen am Rand und schauen den Kindern dabei zu.

18.40 Uhr Abtransport des zweiten Hauses. Die Kinder wollen es behalten und geben es nur unter der Bedingung heraus, dass morgen ein neues Haus gefaltet wird. Hassan erwähnt, dass er sich ein Fahrrad wünsche, mit dem er die Gegend erkunden kann.

 

Mittwoch, 11.05.2016

10.27 Uhr Falten des nächsten Papierhauses. Alles wie immer. Die Kinder wieder nicht zu bremsen und versprühen pure Lebensfreude. Die Erwachsenen schauen dabei allerdings nur zu. Außer Hassan, der unermüdlich mit Gerüstbau beschäftig ist, ist nur gelegentlich jemand bereit, mal eine Dachlatte zu halten. Als ich frage, warum er soviel Leistungsbereitschaft zeigt, sagt er, dass er die Langeweile im Flüchtlingsheim kaum aushält. Auf meine Frage, warum die anderen Erwachsenen, seiner Meinung nach, nicht mithelfen, weiß er zunächst auch keine Antwort. Dann erklärt er, dass Kriegs- und Fluchterfahrungen eine Beteiligung bestimmt schwierig machen. Es trübe die Freude am Leben. Außerdem sei man hier in einer schwierigen Situation: „Alle warten darauf, dass das Leben anfängt.“

12.35 Uhr Einige Erwachsene Geflüchtete laden uns zum Essen ein. Sie bestehen darauf, das wir die lange Schlange der Wartenden vor der Essensausgabe überholen – alle wollen uns vorlassen. Wir lehnen dankend ab. Auch die Security will uns an der Schlange vorbei „schleusen“. Wir bestehen auf das Warten.

12.55 Uhr Als wir zum Essen Platz nehmen, nehmen unsere Nachbarn unseren Getränkebecher und wollen uns Orangensaft holen. Alle 2 Minuten werden Assistant Pauli und ich mit Händen, Füßen und sehr freundlichen Gesten gefragt, ob wir noch etwas zu trinken wollen. Wir lehnen dankend ab und fragen, ob wir unsererseits ihnen noch Getränke holen können. Man lehnt ebenfalls dankend ab.

13.20 Uhr Ich fahre mit Hassen sämtliche Fahrradläden in Detmold ab, um ein „second hand-Bike“ zu besorgen. Wir finden schließlich eines in der Fundgrube. Ich hoffe, Hassan eine Freude gemacht zu haben.

16.10 Uhr Es tauchen Probleme auf beim Versuch, das Gerüst unter die gefaltete Papierhülle zu klemmen. Ahmed, Sherwan, Mohammed und drei weitere Erwachsene Männer packen schließlich doch mit an.

18.56 Uhr Das Papierhaus wird gemeinschaftlich geschultert und in einer Prozession durch das Stadtzentrum von Detmold zum Theaterplatz getragen.

 

Donnerstag, 12.05.2016

10.12 Uhr Aufhängen von Plakaten im Café Welcome und im Kindergarten des Flüchtlingsheims: Einladung zum Hausfalten auf dem Theaterplatz ab 14 Uhr.

Wird jemand um 14 Uhr zum Theaterplatz kommen? In Gesprächen mit Mitarbeitern des Arbeiter Samariter Bundes, die den Geflüchteten in der Adenauerstraße betreuen, erklärt man, man freue sich über das Angebot im Rahmen des Straßentheaterfestivals, vor allem die Kinder hätten ihre Freude gehabt. Man glaube allerdings nicht daran, das es gelänge, die Bewohner des Heimes in die Stadt zu locken.

14.27 Uhr 45 Kinder des Kindergartens des Flüchtlingsheimes kommen mit ihren ErzieherInnen Ellina, Anna und Joelle zum Theaterplatz und wollen sofort anfangen, kleine Papierhäuser zu falten. Völlig überfordert von so vielen Stimmen und Sprachen fordere ich Verstärkung beim Festivalteam an. Sofort kommen Marvin und Pirko, schneiden Papier, um die Kinder damit zu versorgen.

16.08 Uhr Der Prinz Stephan zur Lippe lässt über die Mitarbeiterin des Bauamtes, Frau Reue, ausrichten, das die Kinder von der Grünfläche des Schlossparks verschwinden müssen: „Also mit dem Camp auf dem benachbarten Theaterplatz hat der Prinz ja keine Probleme. Das aber jetzt auf dem Teil des Parks, der zum Schloss gehöre, die Aktion mit den Flüchtlingskindern stattfindet, das stößt auf und kommt nicht gut an.“ Ich erkläre, ich könne leider nicht auf jeden dahergelaufenen Prinzen Rücksicht nehmen. Es gäbe hier mit der aktiven Integrationsarbeit gerade Wichtigeres zu tun.

Nach 3 Stunden gehen alle Kinder mit einem Papierhaus auf dem Kopf nach Hause. Ob morgen die Erwachsenen kommen?

17.35 Uhr Hassan kommt mit seiner Freundin Jewgenia zum Theaterplatz. Er bittet um Unterstützung beim Versuch, einen „Transfer“ in ein Flüchtlingsheim nach Bielefeld zu bekommen, da Jewgenia dort lebe. Wir verabreden uns für einen Besuch bei der Heimleitung für morgen, 9 Uhr.

 

Freitag, 13.05.2016

Ich spreche mit Ali im Büro der Heimleitung über Hasan und Möglichkeiten eines Transfers nach Bielefeld. Dort erklärt man, das Flüchtlingsheim in Bielefeld sei derzeit voll. Sobald dort ein Platz frei werde, werde man Hassan dort hin vermitteln.

Jürgen Niestrath spendet ein Fahrrad für das Flüchtlingsheim und bietet einen Trommel-workshop an. Ich verspreche, mich darum zu kümmern.

12.10 Uhr Verabredung mit Jürgen Niestrath, dass Hassan sein second-hand-Fahrrad zu ihm in die Werkstatt bringt, um es dort reparieren zu lassen.

Installation der Fotos des Origami-workshops in den Falthäusern auf dem Theaterplatz. Etliche Gespräche mit Passanten über den Sinn und Unsinn der Faltübungen mit den vielen geflüchteten Kindern im Detmolder Flüchtlingsheim. Überwiegend große Anteilnahme und Unterstützung dieser Art der Gründung von Gemeinschaften und der Verknüpfung der unterschiedlichen Lebenswelten. Wenige Flaneure fragen, wann das RefugeeOrigamiCampDetmold endlich beginne. Es wird jeweils geantwortet, dass entscheide jeder selbst mit einem Beitrag zur Bewältigung der großen Aufgabe, die da allgemein „Integration“ genannt werde. Das Projekt „RefugeeOrigamiCamp“ sei damit jeder selbst.

19.22 Uhr Einige der am Origami-workshop beteiligten Kinder kommen zum Theaterplatz. Wir betreten die seid heute geöffneten Papierhäuser. Sie freuen sich sichtlich, sich auf den Fotos wieder zu erkennen und fotografieren sich mit den Handys ihrer Eltern, die ebenfalls fröhlich und ein bisschen stolz auf ihre Kinder zu sein scheinen. Wir verabreden uns für morgen gegen 14 Uhr zum Falten eines weiteren Papierhauses.

19.47 Uhr Bakhary kommt zum Camp und fragt nach, ob er morgen für das Camp kochen könne? Ich behaupte hocherfreut, man habe nur auf ihn gewartet.

19.53 Uhr Anruf von Jana Erlenkamp. Sie habe von dem Projekt gehört und würde gerne „RefugeeMet“ brauen. Ich behaupte, man habe nur auf sie gewartet.

20.09 Uhr Dietmar kommt zum Camp. Er erklärt, er sei unter dem Namen LamaSan ambitionierter Hobbybrauer und habe gerade Maische angesetzt. Es sei doch eine gute Idee, morgen hier einen Biersud anzusetzen. Ich behaupte, man habe nur auf ihn gewartet.

 

Samstag, 14.05.2016

Es befindet sich ein neues Sofa im RefugeeOrigamiCamp. Frank Kirschlager hat ein Sofa gespendet. Uwe Windmeier bringt drei Klappfahrräder für das Flüchtlingsheim.

9.40 Uhr Aufbau des Gasgrills für Bakhary.

10.46 Uhr Aufstellen des Zeltes wegen der schlechten Wetterprognose.

10.52 Uhr Sarah aus Syrien bringt ein Rezept für Fladenbrot zum Camp.

11.00 Uhr Mike Biere bringt den Backofen wie verabredet, erklärt kurz dessen Bedienung und erzählt, dass er einem Geflüchteten aus der Adenauerstraße vor einigen Monaten einen Praktikumsplatz in seiner Bäckerei verschafft hat, der nun aufgrund der guten Erfahrungen und der guten Zusammenarbeit tatsächlich bei ihm eine Ausbildung zum Bäcker beginne. Es entwickelt sich ein sensibles Gespräch die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik und die Flüchtlingspolitik ihrer Regierung betreffend. Gemeinsam vermissen wir ein vollständiges Übertragen der Verantwortung von der politischen Elite auf die Bevölkerung. Von der politischen Klasse werde an der Verantwortung festgehalten, anstatt offen der Gesellschaft und Einzelpersonen die Verantwortung komplett zu übertragen. So entstünden Ohnmacht und Verantwortungslosigkeit bei Personen, die sich sonst aktiver zeigen würden. Die Regierung ermächtige sich damit ausschließlich selbst und niemanden sonst.

12.18 Uhr Erda aus Bielefeld kommt zum Camp. Sie habe im Internet von diesem Projekt erfahren und wolle sich engagieren. Sie könne sich vorstellen, Brot zu backen. Wir holen die gestern gespendeten Zutaten: Mehl, Salz, Gewürze etc.

12.24 Uhr Weitere Zutaten werden zum Camp gebracht. Man versorgt uns mit weiteren 2,5 Kg Mehl und etlichen Hefewürfel.

13.05 Uhr Bakhary kommt zum Camp, er freue sich über die rege Beteiligung und erzählt, er könne heute leider nicht bleiben, da die Mutter seiner beiden Kinder erkrankt sei. Er würde morgen kommen und afrikanisch kochen.

13.38 Uhr Jana Erlenkamp kommt mit einem Met-Braukitt zum Camp, fragt nach einem Gasofen und nach 6 KG Honig, zum Ansetzen des Medsuds. Ich fahre schnell zum nächsten Markt, bezahle von eingegangenen Spendengeldern den Honig, als die Kassiererin viel Erfolg beim RefugeeOrigamiCamp wünscht, sie habe mich in der Zeitung gesehen und sei gerührt von dem Vorhaben. Ich bedanke mich für die guten Wünsche. Wieder im Camp angekommen hat bereits jemand einen 20 Liter Kochtopf zum Ansetzen des Metsuds gespendet.

14.12 Uhr Viele Leute kümmern sich selbständig um das Backen des Fladenbrotes, auch die Bedienung des Ofens scheint kein Problem zu sein. Ebenso viele Leute beteiligen sich am Zubereiten des Brotteigs. Ich freue mich darüber, überflüssig zu sein und bereite mit Pauli und Hassan die große Papierfläche zum Falten eines Riesenpapierschiffes vor.

14.15 Uhr Dietmar kommt zum Theaterplatz. Er habe alles zum Bierbrauen einer „Großen imperialistischen Suppe“ dabei und macht sich sogleich ans Werk. Schnell wird ein Tisch besorgt, Strom für das Erhitzen des Biersuds gelegt und los geht’s.

14.28 Uhr Einige Leute fragen, wann endlich das große Papierschiff gefaltet werde. Ich vertröste sie auf später, bis der Regen aufhört. Als ich kurz in die Stadthalle gehe, höre ich das Gerücht, dass der Bürgermeister Detmolds womöglich Interesse an einer Papierschifffahrt haben könne. Wenn Prinz zu Lippe kein Interesse habe, könne man doch Bürgermeister Rainer Heller fragen, gebe ich zurück.

14.58 Uhr Falten des Riesenpapierschiffes. Mit jedem Faltschritt wird die Gruppe der Beteiligten größer. Sara kennt jeden Faltschritt und weiß immer, was als nächstes zu tun ist. Bernhard hat eine gute Idee beim Auseinanderziehen des Schiffes – ein sensibler Moment, in dem auch schon mal das Papier reißen kann. Es klappt aber problemlos. Schließlich sind viele Kinder begeistert damit beschäftigt, den Schiffsrumpf zu bemalen, während die Erwachsenen versuchen, das fragile Vehikel in Form zu bringen.

16.17 Uhr Es beginnt heftig zu regnen. Eine 20 cm tiefe Pfütze steht im Papierboot. Es scheint dicht zu sein!

17.40 Uhr Bürgermeister Rainer Heller erscheint zum verabredeten Stapellauf. Das schlechte Wetter hat die Anzahl der beteiligten Menschen etwa halbiert. Als wir das Papierschiff zum Schlossteich bringen, schließen sich doch wieder viele an. Manche kommen neu hinzu. Sie hätten von der Idee des untergehenden Bürgermeisters gehört, geben sie schmunzelnd vor.

17.48 Uhr Stapellauf. Alles läuft wie geplant. Allerdings geht Bürgermeister Rainer Heller, nicht wie verabredet mit dem Papierschiff unter. Dafür scheint es zu stabil und wasserdicht zu sein.

18.43 Uhr Das Papierschiff wird nach der Fahrt auf dem Schlossteich neben diesem platziert.

 

Sonntag, 15.05.2016

8.40 Uhr Anruf. Im Gespräch mit Prinz Stephan zur Lippe schlägt dieser vor, eine Gruppe von Flüchtlingen aus der Einrichtung an der Adenauerstraße durch sein Schloss zu führen. Ein Termin müsse noch vereinbart werden. Im Gegenzug wird ihm eine Führung durch das Flüchtlingsheim Adenauerstraße angeboten.

9.20 Uhr Eines der gestern gespendeten Klappfahrräder fehlt…

11.05 Uhr Bakhary kommt mit Freunden zum Camp. Er fragt nach einem weiteren Gaskocher. Der wird schnell von Carsten gebracht, der seine Telefonnummer hinterlassen für den Fall, dass es irgendwo brennt.

12.38 Uhr Die Afrikanische Küche ist eingerichtet. Das RefugeeOrigamiCampDetmold füllt sich zusehens. Die Gäste machen es sich mit ihrem Essen in den Papierhäusern gemütlich, damit es regnen kann.

13.05 Uhr Erda kommt zum Camp, sie möchte weiter syrisches Fladenbrot, heute allerdings in westfälischer Brötchenform backen. Hocherfreut über die interessante Mischung von Menschen unterschiedlichster Herkunft mach sie sich ans Werk.

13.57 Uhr Viele Leute fragen nach Stiften, um die wenigen noch freien Stellen auf und in den Papierhäusern mit politischen Botschaften und anderen Anliegen zu füllen, unter anderem steht auf einem der ganz kleinen Häuser: „God bless everyone, who goes in and out of this house“. Immer wieder sieht man jemanden, der ein Papierhaus auf dem Kopf durch die Stadt trägt.

14.17 Uhr Pedro kommt zum Camp. Er habe früher ein Fahrradgeschäft hier in Detmold gehabt, möglicherweise ließe sich nach dem Camp mal über eine Möglichkeit der Einrichtung einer Reparaturwerkstatt sprechen.

15.32 Uhr Wir beginnen mit dem Falten eines lebensgroßen Papierpanzers, werden immer wieder zu einer Regenpause, die mit afrikanischem Essen und Gunpowder tea gefüllt wird, gezwungen

17.28 Uhr Der Papierpanzer ist fertig. Es versammeln sich schnell Passanten und Flaneure um das Vehikel, als ein Sanitätswagen des roten Kreuzes bittet, mal eben den Papierpanzer weg zu fahren, da man damit die Feuerwehreinfahrt zum Festivalgelände blockiere. Der Panzer wird daraufhin gemeinschaftlich im Schlosspark vor dem Schloss des Prinzen zur Lippe installiert. Jemand dreht den Geschoßlauf weg vom Portal des Schlosses zur Lippe, ein anderer dreht es wieder an die ursprüngliche Stelle.

17.34 Uhr Jemand berichtet von der aktuellen Ausstellung des Künstlers Christoph Brech im Schloss, in der sich zwei Panzer Rohr an Rohr gegenüber stehen. Diese werden nun vom einem Papiertieger bedroht…

 

Montag, 16.05.2016

10.07 Uhr Mir kommt der Gedanke, Hassan mit der Leitung des RefugeeOrigamiCampDetmold zu betrauen…

12.13 Uhr Die Köche aus dem Senegal, Gambia und Kongo treffen ein. Sie bereiten in Windeseile den Gunpowder tea zu. Die Gaskocher werden angeworfen, die Zutaten geschnitten und zubereitet. Viele Altdetmolder nehmen das exotische kulinarische Angebot an und spenden Geld für die Köche. Mich beschleicht zum wiederholten Male das Gefühl, überflüssig zu sein.

12.41 Uhr Erda kommt erneut zum Camp, ernimmt sofort das Zubereiten Fladenbrotteiges. Erneut werde ich nicht gebraucht.

14.38 Uhr Ich stelle dem Kulturteam Detmold als Veranstalter des Festivals „Bildstörung“ Hassan Soleymani als neuen Leiter des RefugeeOrigamiCampDetmold vor. Man gratuliert ihm allseits erfreut, ist aber wenig überrascht, hat Hassan doch bereits durch seinen Einsatz die heimliche Leitung des Camps übernommen.

15.18 Uhr Ich verabschiede mich von Hassan. Jeder bedankt sich beim anderen für dieses so ungewöhnliche wie einfache Gründen einer Gemeinschaft, die weit über das Flüchtlingsheim Adenauerstraße hinaus Menschen mit ange- wie einbezogen hat. Bei uns beiden kullern ein paar Tränen die kuturell, religiös und zivilisatorisch so unterschiedlich geprägten Wangen hinunter …

Sachsenberger Tor

Performance – dauerhafte Installation
Orker Straße, Sachsenberg | 2013

 

Das Sachsenberger Tor wurde von der Bevölkerung Sachsenbergs gemeinschaftlich aus recycelten Ziegeln der lokalen ehemaligen Ziegelei errichtet, um den schönsten Blick auf das nordhessische Dorf zu „rahmen“. Beim partizipatorischen Bau des Monumentes wurden Wasserwaagen, Maurerschnüre und Zollstöcke entwendet, nur so konnte krumm und schief gemauert werden. Noch heute wollen manche Ortsansässige die Skulptur deswegen abreissen lassen, andere schützen das Bauwerk aus diesem Grund…

Das Sachsenberger Tor steht für den Befreiungsakt des kleinen nordhessischen Dorfes Sachsenbergs. Nachdem ich mich in den ersten Wochen nach meiner Ankunft in meiner neuen Heimat Sachsenberg umgeschaut habe, musste ich feststellen, dass die Menschen, die mich gerufen haben, nicht diejenigen sind, die mich brauchen. So haben genau diese handvoll Menschen bei der StiftungLandschafft für ein halbes Jahr „einen Künstler gewonnen“, die die anderen 850 Einwohner des nordhessischen Dorfes bevormunden – Manchmal macht das Beherrschen einiger Fremdworte, manchmal macht ein Doktortitel oder das Herausgeben eines Buches den Unterschied zwischen dem Recht auf Bevormundung und dem auf Entmündigung aus – So sah ich mich mit dem Auftrag ausgestattet, die informelle Hierarchie samt Unterschieden zwischen den selbsternannten Herrschern und dem Volk Sachsenbergs zu bestätigen, zu vergrößern und die Macht der Meinungsführer weiter ausbauen. Das geht natürlich nicht. So kam es schließlich zu unterschiedlichsten Übungen zur Ermächtigung der lokalen Bevölkerung: Von einer Postwurfsendung zur basisdemokratischen Abstimmung über „ein Kunstwerk für Sachsenberg“ zu für die selbsternannte Oberschicht Sachsenbergs anstößigen Skulpturen, die mehrfach umgebaut, zerstört und abgetragen wurden, wie zu Schreikursen zum Umschreien unliebsamer Nachbarn und zum Sachsenberger Tor, dem Symbol zur Befreiung Sachsenbergs von seinen, den größten Teil der Bevölkerung bevormundenden Schreihälsen.

Dokumentionen von „Kunst fürs Dorf/Dörfer für Kunst“, produziert von ARTE:

https://www.dailymotion.com/video/x7n05dk

https://www.dailymotion.com/video/x7n08vl

https://www.dailymotion.com/video/x7n0cu2

https://www.dailymotion.com/video/x7n03c5

https://www.dailymotion.com/video/x7n2bnk

https://www.dailymotion.com/video/x7n2bni

HOrigamiUSE

Performance – Installation
Kunst am Moltkeplatz, Moltkeplatz, Essen | 2014

 

Am 22.06.2013 wurde auf dem Essener Moltkeplatz in Anlehnung an die besondere architektonische wie städtebauliche Bedeutung des gleichnamigen Viertels das lebensgroße Papierhaus „HOrigamiUSE“ von Nachbarn, Anwohnern des Skulpturenparks und Mitgliedern des Vereins Kunst am Moltkeplatz e.V., der sich um die permanent installierten Skulpturen des Parks kümmert, gemeinschaftlich aus Karton gefaltet. Die fragile und ephemere Objekt stand ein Jahr lang im Dialog mit den permanent im Skulpturenpark platzierten Skulpturen von Künstlern wie Ulrich Rückriehm, Heinz Breloh u. a., wurde mit der Fertigstellung der Öffentlichkeit übergeben und damit allen äußeren Umständen überlassen. Mit dem Einsetzen der Verwitterung des Papiers und den Spuren von Passanten und Flaneuren entstand ein exemplarischer und am HOrigamiUSE öffentlich ablesbarer Dialog zwischen der Position der Konservierung und Instandsetzung des lebensgroßen Papierhauses und einer dem Material Papier angemessenen öffentlichen Veranschaulichung von Alterungsprozessen und Vergänglichkeit …

IMG_0101

500 x 354 x 426 cm, Karton, Juni 2013 – Mai 2014

 

HOrigamiUSE, 132 Seiten, 14,8 x 21 cm

Herausgeber: Kunst am Moltkeplatz KaM e.V. 

Texte: Dr. Sabine Maria Schmidt, Lisa Lambrecht-Wagenitz, Frank Bölter

HOrigamiUSEBuchklein

Weg der pol. Verfehlungen, der pers. Bereicherungen und des Machtmissbrauchs

Performance – temporäre Installation
DST-Galerie, Atelierhaus Münster | 2011

 

Nachdem das Straßenschild „Weg der pol. Verfehlungen, der pers. Bereicherungen und des Machtmissbrauchs“ am Sonntag, den 18.12.2011 installiert wurde, ging das Eigentum an diesem Objekt per Schenkungsurkunde über auf den Bürgermeister der Stadt Münster:
SchenkungOberbürgermeisterStadtMünster
Nachdem diverse Zeitungen über das längste Straßenschild der Welt berichtet hatten, zahlreiche Besucher nach Münster reisten, um sich vor und mit diesem fotografieren zu lassen, wurde das Kunstwerk am 17.01.2012 von unbekannt entwendet. Gerüchten zufolge soll sich der „Weg der pol. Verfehlungen, der pers. Bereicherungen und des Machtmissbrauchs“ im Partykeller des Oberbürgermeisters der Stadt Münster, Herrn Markus Lewe, befinden.

 

 

Nimm die Abkürzung!

That‘s the way, aha, aha, I like it

KC and the Sunshine Band

 

Vereinfachend spricht der Volksmund von jeder Namensgebungszeremonie als von einer Taufe; wir wollen nicht abseits stehen und schließen uns dem Sprachgebrauch an, gratulieren also dem kurzen Stück Weg, das unweit des wassergefüllten Grabens rings des Schloßparks von der Münsterschen Hüfferstraße abzweigt, zur Taufe und dem Paten, Frank Bölter, zur Namensfindung. Fürderhin soll dieser erst gepflasterte, dann im Sande verlaufende Fußweg also heißen:

„Weg der pol. Verfehlungen, der pers. Bereicherungen und des Machtmissbrauchs“

So steht es auf dem am 4. Adventssonntag des Jahres 2011 feierlich errichteten Straßenschild.

Das in jedweder Hinsicht äußerst bemerkenswert ist.

Was als erstes auffällt: Der Pfosten steckt nicht senkrecht im Boden, sondern ist kräftig zur Seite geneigt. Dadurch weist das ganz korrekt in rechten Winkel dazu angebrachte Namensschild steil nach oben. Man ist geneigt, das reflexartig inhaltlich zu deuten, dass nämlich die Wege nach oben, insbesondere die ganz steilen Karrieren, mit dem Straßennamen auffallende Kongruenzen besitzen.

Das Raffinierte daran ist natürlich, dass die Betrachtung des Schildes von der anderen Seite – wiewohl sie durch die Positionierung so dicht vor der Hauswand rein imaginär bleiben muß – die umgekehrte Erkenntnis mit sich bringt. Der steile Abstieg ist also vorprogrammiert, wenn auch zunächst nicht sichtbar.

Aber auch auf der formalen Ebene ist diese seitliche Neigung des haltenden Pfostens von Belang: Sie stellt nicht nur statisch, sondern auch optisch ein Gleichgewicht her zur enormen Längenausdehnung des Straßenschildes: Trotz der verwendeten Abkürzungen erreicht es das stolze Maß von 2,40 Metern.

Dass das scheinbar zufällige Resultat, sowohl der gekippten Positionierung als auch des nur mit Mühe und Not auf das Schild gezwängten Bandwurmnamens, Ergebnis sorgfältiger Planung ist, belegen des Künstlers Vorstudien in Photomontagen und aquarellierten Zeichnungen.

Die Abkürzungen auf dem Straßenschild kann man zwar mutwillig missdeuten, aber   eigentlich liest sie in diesem Zusammenhang jeder sofort richtig. Was offenbleibt, ist, an was oder wen man dabei denkt. Klar jedoch auch, dass sich der Mittelteil des Namens, also die „persönliche Bereicherung“, auf alle möglichen Menschen, Teil eins und drei des Namens aber ausschließlich auf die Würdenträger der politischen Kaste beziehen lassen. Alle Jahre wieder ein paar neue.

Politische Verfehlungen und Machtmissbrauch sind in der Regel genau die richtigen Methoden, um seinen Namen auf Straßenschilder einschreiben zu dürfen. Denn die Geschichtsschreibung ist schon immer die der Sieger gewesen und sie spiegelt sich in der Benennung von Straßen und Plätzen; da die Namensgebung aber auch von der aktuellen politischen Großwetterlage abhängt (also der jeweils gegenwärtigen Bewertung der geschriebenen Geschichte) und bekanntermaßen nichts so unvorhersehbar ist wie das Wetter, ändern sich diese Benennungen auch von Zeit zu Zeit.

Gerade Münster hat mit seinem riesigen Areal des Schloßvorplatzes, der auf den Namen „Hindenburgplatz“ hört, ein Paradebeispiel hierfür. Denn erst vor kurzem wurde eine Kommission berufen, die untersuchen sollte, ob der immer wieder gerne als „Steigbügelhalter Hitlers“ apostrophierte Generalfeldmarschall und Reichspräsident Hindenburg als Namensgeber eines Platzes nach 1945 überhaupt noch tragbar sei. Oder ob er nicht endlich umgetauft gehört. Die Kommission kam zu letzterem Ergebnis. Aber noch zu keinem neuen Namen.

Nicht zuletzt das ist ja eine der herausragenden Qualitäten von Frank Bölters Straßenschild: Es könnte viel länger Bestand haben als die meisten anderen, deren man sich ganz schnell wieder so sehr schämt, dass sie eilends umbenannt werden (spätestens nach dem nächsten Kriegsende).

Der „Weg der pol. Verfehlungen, der pers. Bereicherungen und des Machtmissbrauchs“ wird bleiben. Dass der Name einen solch mickrigen, man könnte auch sagen: idyllischen Weg bezeichnet, schmal, gepflastert und wiesengesäumt, bevor er durch ein schmiedeeisernes Tor in ein Parkgelände führt, paßt nicht so recht. Eigentlich müßte, der Länge des Schildes und der Gewichtigkeit seiner Aussage entsprechend, mindestens eine vierspurige Prachtallee so benannt sein. Aber alle haben einmal klein angefangen, auch die Hitlerstraßen und Hindenburgplätze.

Dennoch bleibt natürlich die Frage: Bedarf ein solches Schild nicht unbedingt einer behördlichen Genehmigung? Ist das erlaubt, so öffentlich und unverblümt ein Mahnmal aufzustellen, das sich als harmloses Straßenschild tarnt? Das hinterrücks jeden harmlosen Passanten zum wiedererkennenden Kopfnicken oder Kopfschütteln, zu hämischem Lachen oder tiefem Nachdenken veranlassen wird?

Ein großes Kunstereignis, wie die Einweihung von Frank Bölters „Weg der pol. Verfehlungen, der pers. Bereicherungen und des Machtmissbrauchs“ eines war, hat am vierten Adventssonntag in der Provinzmetropole Münster naturgemäß einen überschaubaren Zuschauerkreis. Es fehlten jedoch auch die eigentlich notwendigen, unausgesprochen eingeladenen Festredner, die zu diesem besonderen Zeitpunkt des Jahres 2011 unbedingt Christian Wulff und Dr. plag. Karl-Theodor zu Guttenberg hätten sein müssen, die aber ebenso plötzlich wie vorhersehbar leider verhindert waren.

Aber wenn Frank Bölters Idee sich erst einmal durchsetzt (und auf lange Sicht wird sie das ob ihrer Qualität sicher tun), dann kommen besagte Herren bestimmt gerne doch noch einmal zur nächsten festlichen Straßentaufe oder zur Umbenennung der Stalin-, ach nein, der Frankfurter Allee nach Berlin – mit entsprechend viel Schampus und Pressefotografen im Gefolge. Wahrscheinlich werden dazu weder der Künstler noch ich eingeladen. Wir freuen uns trotzdem darauf.

 

Stephan Trescher

Limes Tower Bad Ems/ Limesturm Bad Ems

Performance – Installation
Kurpark, Bad Ems | 2011

 

2011, Pappe/cardboard, 11,5 x 5,5 x 5,5 m

Im August 2011 wurde im Kurpark in Bad Ems von Hartz IV-Empfängern gemeinschaftlich eine Kopie eines römischen Limesturmes, des lokalen Wahrzeichens wie UNESCO-Welterbes aus Pappe gebaut. Der Limesturm Bad Ems diente wie andere Wahrzeichen, Denkmäler und den öffentlichen Raum bestimmende Setzungen für 2 Monate lokalen Hochzeitspaaren und Limes-Touristen als Anlaufstelle und Fotohintergrund wie Limesvereinen als Treffpunkt.

FORigamiMEL 1/FORigamiMULAR 1

Performance – Installation
Kunsthalle Mainz | 2012
Schloss Morsbroich, Leverkusen | 2013
Schlossmediale Schloss Werdenberg, Schweiz | 2019

 

Als Michael Schumacher am 03.08.2012 einen Brief mit der Bitte um Kooperation zur Faltung eines Origami-Boliden nach Konstruktionsplänen seines letzten Formel 1-Modells erhielt, erklärte dieser daraufhin Anfang Oktober 2012 seinen Rücktritt von der Formel 1. Dennoch erklärte er sich bereit, gemeinsam mit mir das langsamste Formular 1-racecar aus Rettungsdecken zu falten. Dieses Objekt wurde daraufhin in der Kunsthalle Mainz, auf dem Parkplatz des Direktors des Museums Schloss Morsbroich, im Künstlerdorf Schöppingen und im Kunstmuseum Bonn präsentiert.


Boxenstopp im Museum Schloss Werdenberg/pit stops in Museum Schloss Werdenberg, 2019, Switzerland

https://www.youtube.com/watch?v=iLZTEm8JcKk

PlaygroundMARSEILLE

Performance – Temporäre Installation
Lieux public, Marseille | 2016

 

Es war der 11. September 2016, als die Festivalbesucher des Festivals Travellings in Marseille die Anweisungen des Künstlers, lebensgroße Papierflieger zum 15. Jahrestag von 9/11 in riesige Origamitürme fliegen zu lassen, ignorierten. Das Publikum entschied sich stattdessen, lieber Himmel und Hölle, Schiffe, Autos und ein Swimming Pool als Symbole des friedlichen urbanen Zusammenlebens zu falten. Sie brachten eigene Vorstellungen und Origami-Faltanleitungen in lebensgroße Modelle, die Handlungsanweisungen des Künstlers permanent missachtend. Nur eine Gruppe von Origamisachverständigen Besuchern faltete am Ende des Festivals einen lebensgroßen Papierpanzer, um den Künstler damit in die Flucht zu jagen…

 

yoUFO

Temporäre Installation – Performance
Ausstellungsraum Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft, Bonn | 2016

 

Anlässlich der Buchpräsentation „Über die Teilhabe in der Kunst – zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ landete am 10. März 2016 um 18 Uhr im Gesellschaftsraum der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft ein Ufo.

Über die Teilhabe in der Kunst

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft (Hg.)
Bonn, 2016
136 S.
ISBN 978-3-00-052296-3
mit Beiträgen von Ruth Gilberger, Gabriele Oberreuter, Isabel Rith-Magni, Thomas Egelkamp, Guido Meinke und Volker Pohlüke, Olek Witt, Teresa Grünhage, Dorothea Eitel, Reinigungsgesellschaft, Susanne Bosch, Rolf Dennemann, Angela Ljiljanic, André Koernig, Michaela Englert, Amanda Bailey, Anneliese Ostertag, Aude Bertrand, Anne-Katrin Bicher, Gerhard Wolf und Frank Bölter

flyingsaucer
diagram by John Szinger

Unsern täglichen Biersud gib uns heute

Performance, Edition, kleiner Borsigplatz, Dortmund | 2014/2015
 
„Unsern täglichen Biersud gib uns heute ist eine illegale Bierbrauaktion zur Herstellung von ‚Dortmunder Schwarzbräu Premium – Selbstgebraut‘ zur Wiedererlangung von an die Droge Alkohol abgetretener Verantwortung über die eigene Person“

 
Tagebucheintrag Notiz 37:
Als am Samstag, den 01.03.2015 um 9.17 Uhr mit Volker, Guido und André die nötigen 30 Liter Wasser, zwei Hocker und das Braurezept auf dem kleinen Borsigplatz eintreffen, die zwei Braubottiche und der Gasbrenner aufgestellt und in präsentabler Manier zentral auf dem Platz platziert sind, fallen die ersten Sonnenstrahlen aus heiterem Himmel aus allen Wolken. Als dann auch noch Orhan auftaucht, scheint der Tag einen perfekten Verlauf zu nehmen:
Orhan: Ich bin gekommen, um mich zu beschweren.
Frank: Aha?
Orhan: Ich war letzte Woche schon mal beim Verein Machbarschaft Borsig11, da waren Sie aber nicht da. Die haben gesagt, ich soll heute wieder kommen, da könnte ich mich direkt an Sie wenden.
Frank: Ja?
Orhan: Ich habe vor einigen Tagen dieses Plakat hier gesehen und frage mich, wie kann man bloß diesen Leuten hier eine solche Aktion zumuten? Das ist doch zynisch.
Frank: Meinen Sie das Selberbrauen?
Orhan: Ja, wissen Sie denn, wo genau wir hier sind?
Frank: Ziemlich genau. Ich habe da drüben bis vor einigen Wochen gewohnt.
Orhan: Ich wohne auch da drüben die Straße rein.
Frank: Wie schön, dann waren wir ja fast Nachbarn.
Orhan: Ja, aber ich bin ja wegen der Beschwerde hier. Meine Frau war übrigens der gleichen Meinung. Sie arbeitet in der Suchthilfe.
Frank: Welcher Meinung nochmal?
Orhan: Das man so eine Aktion hier auf keinen Fall machen darf.
Frank: Aber warum denn nicht?
Orhan: Weil das völlig falsch ist.
Frank: Was genau?
Orhan: Hier auf dem kleinen Borsigplatz trinken so viele Alkoholiker den ganzen Tag lang ihr Bier. Die liegen dann hier manchmal sogar auf der Erde rum. Da fragen Sie sich, ob die noch leben. Das ist doch tragisch genug. Wissen Sie, wieviel Tragik dahinter steckt? Hinter jedem einzelnen, der hier den ganzen Tag rumsitzt und säuft, stecken Suchtkrankenakten, kaputte Familiengeschichten, gescheiterte Laufbahnen und Offenbarungseide. Und jetzt kommen Sie und wollen denen zeigen, wie man selber Bier braut.
Frank: Genau.
Orhan: Warum denn?
Frank: Ich sehe keinen Unterschied zwischen den Borsigplatz-Leuten und mir. Außer dass ich mich vielleicht mehr fürs Selbermachen interessiere. Also habe ich die Zutaten und ein paar Pötte besorgt und habe ein paar Plakate aufgehängt. Ich hätte auch eine Frage, warum machen Sie das eigentlich nicht? Hier halten Sie kurz die Gerste, ich muss eben …
Orhan: Ich bin hier Lokalpolitiker und habe genug zu tun.
Frank: Ach so!
Orhan: Ja. Und als Politiker muss ich ihnen auch sagen, also so eine Aktion. Ich bin schon jetzt seit Tagen dermaßen wütend und bin froh, dass ich das jetzt loswerden kann. Und meine Frau ist der gleichen Meinung. Ich muss schon sagen, wir haben uns wirklich sehr gewundert über so eine Aktion.
Frank: Hm. Wunder ist schon die passende Bezeichnung für das, was hier stattfindet, würde ich sagen. Aber sagen Sie mal, als Lokalpolitiker suchen Sie doch bestimmt den Kontakt zu den Leuten, damit Sie Gelegenheit bekommen, überhaupt bemerken zu können, was die Leute so umtreibt?
Orhan: Ja, das ist total wichtig. Sonst sind Sie da im falschen Beruf.
Frank: Sind Sie eigentlich nur wegen dieser Aktion heute hier auf den kleinen Borsigplatz gekommen?
Orhan: Ja, ich mache sonst immer einen großen Bogen um diesen Platz.
Frank: Sehen Sie, genau dafür mache ich diese Aktion.
Orhan: Wie meinen Sie das?
Frank: Damit Sie hier mal hinkommen. Genau Sie.
Orhan: Ich. Wieso?
Frank: Meine Aufgabe ist es, Leute zusammenzubringen, die sich sonst niemals begegnen würden. Ich versuche, Situationen wie diese, des gemeinschaftlichen Bierbrauens, zu schaffen, wo Leute zusammenkommen können, die sich sonst eher aus dem Weg gehen. Kommen Sie, ich stelle ihnen mal die Hansa-Export-Truppe da hinten vor.
Orhan: Moment mal. Wissen Sie, auf diesem Plakat, da sind ja zwei Trinker abgebildet. Das ist doch die pure Lust am Saufen, die Sie da abbilden. Da vermitteln Sie doch etwas ganz anderes. Damit erreichen Sie doch nicht die Leute, und mich schon gar nicht.
Frank: Täusche ich mich, oder sind Sie gerade hier?
Orhan: Äh… Ja, stimmt schon, aber…. Meine Frau kommt übrigens auch gerade. Hallo!
Frank: Hallo.
Frau: Hallo.
Orhan: Wir sprechen gerade darüber.
Frau: Ja.
Orhan: Dieser Mann ist der Veranstalter des Bierbrauens.
Frau: Ja. Und was haben Sie sich dabei gedacht?
Frank: Dass man ein Stück weit die an die Sucht abgegebene Verantwortung für die eigenen Person durch die beim Selberbrauen gewonnene Portion Selbstermächtigung zurück gewinnt.
Frau: Aha,… sehr konfrontationstherapeutisch gedacht.
Frank: Sie blicken dem Feind ins Auge.
Frau: Ja.
Frank: Ja.
Frau: Ja.
Frank: Ja.
Frau: Ich hole mal Zigaretten.
Orhan: Ich sehe das Plakat ja immer noch als Aufruf zum Trinken, und weiter nichts.
Frank: Aber wir trinken ja nicht. Wir brauen. Wir sind die einzige Gruppe hier auf dem Borsigplatz, die nicht trinkt.
Orhan: Ja, aber wenn Sie das Plakat betrachten, dann fühlen Sie sich doch zum Trinken ermutigt.
Frank: Ich fühle mich zunächst mal zum Schmunzeln ermutigt.
Orhan: Aber auch durch die Aktion bringen Sie den Leuten den Alkohol nahe.
Frank: Beim Brauen entsteht noch kein Alkohol, erstmal bringe ich den Leuten eine Zuckerlösung nahe. Ist natürlich auch nicht gesund.
Orhan: Aber Sie werben für das freie Trinken.
Frank: Durch das Selberbrauen? Das ist ja erst mal ziemlich unfrei, weil Sie was tun müssen.
Orhan: Ich glaube nicht, dass Ihr Vorhaben funktioniert, die Leute vom Alkohol weg zu bringen, indem Sie ihnen zeigen, wie schön das Selbermachen ist.
Frank: Warum nicht?
Orhan: Kann ich mir einfach nicht vorstellen.
Frank: Da haben Sie etwas mit dem Leiter einer Suchtberatungsstelle in Dortmund gemeinsam. Der konnte sich das auch nicht vorstellen.
Orhan: Sehen Sie!
Frank: Naja, der glaubt das auch nicht – er weiß es aber genauso wenig wie Sie und ich. Er sagt, als Mensch könne er diese Herangehensweise verstehen, durchaus sogar unterstützen. Allerdings als Politiker, der er in seiner Position als Leiter der Suchtberatung auch sein müsse, könne er das nicht unterstützen.
Orhan: Ach so.
Frank: Und genau deswegen gibt’s mich. Ich mache das dann für ihn und für Sie. Als Künstler hat man den schlechten Ruf ja schon verloren, bevor Sie den überhaupt angehängt bekommen. Da lebt es sich bekanntermaßen ganz ungeniert. Dann können Sie auch solche Aktionen machen. Ich betrachte das übrigens als praktische Politik. Ich finde nämlich heraus, ob es nicht doch geht, anstatt zu glauben, es ginge nicht.
Orhan: Ich habe ja den Verdacht, dass es Ihnen nur um die Publicity geht und nichts weiter. Sie benutzen die Schicksale der Schwachen für Ihren persönlichen Gewinn.
Frank: Persönlicher Gewinn? Wenn ich an Publicity interessiert wäre, hätte ich diese Aktion viel größer beworben. Die Presse kommt übrigens auch nicht. Es hängen ausschließlich hier auf dem Platz Plakate, wie Sie vielleicht gesehen haben. Das heißt, ich bin nur an den Leuten hier selbst interessiert und mache mir sogar die Mühe, bei den Adressaten der Aktion ins Wohnzimmer zu klettern. Genau da befinden wir uns nämlich hier. Außerdem bezahle ich diese Aktion selbst bzw. mit Mitteln des Vereins Machbarschaft Borsig11, muss hier den ganzen Tag rumstehen, und bekomme keinen Cent dafür. Dazu kommen noch allerlei interessante Gespräche wie dieses hier. Das meine ich übrigens ernst. Mir gefällt, dass Sie öffentlich aussprechen, was so mancher denkt.
Orhan: Ich muss sagen, diese Aktion ist für mich ein bisschen zu weit links.
Frank: Für welche Partei engagieren Sie sich noch gleich.
Orhan: Die Linke.
Frank: Alles Gute.

Als das Wasser vom Gasbrenner endlich auf 55 °C Wasser erhitzt ist, betritt endlich Braumeisterin Jana Erlenkamp den kleinen Borsigplatz und kann die geschrotete Gerste in das Wasser einrühren, bevor Wolfgang auftauchen und behaupten kann, im Knast habe er siebeneinhalb Jahre lang auch immer Bier selber gebraut. Er habe zuhause noch das Rezept. Man fragt nach der Möglichkeit, nach seinem Rezept und unter seiner Anleitung gemeinschaftlich das Dortmunder „Knast-Bier-vom Borsigplatz“ zu brauen. Er zeigt sich einverstanden und verspricht, das Rezept vorbeizubringen.
Als der Biersud 70 °C erreicht hat, erscheint Klaus und behauptet, von dieser Aktion des „Dortmunder Schwarzbräu – Selber Brauens“ noch nichts gehört zu haben, allerdings wohne seine Tochter um die Ecke. „Ach?“, staunt Guido Meinke vom Verein Borsig11, um umgehend mit den einladenden Worten: „Dann kannste ja mitbrauen“, zum Mitbrauen einzuladen. Möglicherweise seine Tochter auch?, versucht Guido Meincke mit Geschicklichkeit den Kreis der Brautümler zu vergrößern. „Die mag kein Bier“, stellt Klaus heraus, um sich als Maler und Schauspieler für verschiedene Projekte und Kooperationen ins Gespräch zu bringen. Wir danken für die Information, buchen ihn direkt für die Teilnahme am Bierbrauen und reichen ihm den Braulöffel zum Umrühren des Biersuds. Er beginnt umgehend. Von der Bank gegenüber schallt in leicht bierseliger Manier die Frage: „Wie sieht deine Tochter denn aus?“ an die ungläubigen Ohren der um den heiligen Braualtar versammelten Gemeinde.
Als um 10.27 Uhr Katja und Matthes die Braubühne Borsigplatz betreten, scheint sich jemand aus einer Gruppe Hansa Export trinkender Männer daran zu erinnern, dass Katja und Matthes beim letztmaligen Bierbrauen Brötchen, Griebenschmalz und Butter mitbrachten und macht lauthals seinem Glauben an eine baldige Speisung mit den Worten: „Gleich gibt’s watt zu Essen!“ Luft.
„Erst später“, antwortet Matthes, bevor Unbekannt erwidert: „Später bin ich vielleicht schon tot“. „Das kommt davon, wenn man sein Bier nicht selber braut!“, bricht es aus dem ehemaligen und überraschend unbekümmert den Borsigplatz betretenden Grundschulkameraden des Künstlers, Jürgen Rump heraus. „Ein Wunder“, behauptet der Künstler, der vorgibt, seinen ehemaligen Schulkameraden seit jener Zeit nicht mehr gesehen zu haben. Jürgen Rump zeigt zum Beweis seiner Existenz seinen Ausweis und behauptet als Bauingenieur in der Gegend gerade eine Baustelle zu betreuen. Von der Bau- sei es ja nicht weit zur Braustelle, erklärt dieser, was dem soeben Erschienenen einen großen Lacherfolg beschert. Er wolle also sein Pausenbier hier abholen, fragt Matthes, um sogleich darauf hinzuweisen, dass hier ja nur gebraut und nicht getrunken werde.
Endlich fährt das Ordnungsamt in seinem polizeifarbenen Sprintermodell mit zwei uniformierten Beamten nicht vor, sondern im Schritttempo zweimal um den Borsigplatz herum und in die Wambeler Straße abbiegend langsam am Epizentrum der Weltverbesserungs- und Bekehrungsmaßnahmen, an dem kleinen Borsigplatz vorbei. „Da haben wir ja mal Glück gehabt!“, behauptet jemand der um den heißen Biersud Versammelten. „Warum?“, fragt Vorbrauerin Jana: „Wir brauen doch nur.“ Außerdem sei es schließlich eine Kunstaktion, da sei doch zunächst mal alles erlaubt. Zudem würde man doch brauen – und nicht trinken. „Da haben WIR ja mal Glück gehabt!“, wird von der Gruppe Hansa-Export-Gläubiger mutmaßend korrigiert. Nach diesem Moment größter Erleichterung betreten plötzlich zwei uniformierte Ordnungsbeamte den Bierbrauplatz. Der mit der größten Knasterfahrung und mit einem Ausweis gesegnete Wolfgang zückt diesen reflexartig, um von den staatlichen Autoritäten stehen gelassen und übergangen zu werden.
Ordnungsamt: Was machen Sie hier?
Klaus: Bier.
Ordnungsamt: Warum?
Klaus: Ist billiger.
Frank: Stimmt nicht. Hansa Export gibt’s da drüben im Kiosk für 32 Cent. Das schaffen wir leider nicht. Hier auf der Rechnung stehen 36, 28 €, wenn man die Lieferkosten von 5,10 € noch dazu nimmt und alles durch die 30 Liter Bier teilt, die es mal werden sollen, kommen wir auf 1,38 € pro Liter. Das sind 46 Cent für 0,3 Liter Bier gegenüber den 32 Cent des Hansa Export. Ich habe aber schon bei der Hansa Brauerei angerufen und nach deren Rezept gefragt, damit wir hier demnächst…
Ordnungsamt: Leiten Sie diese Aktion hier?
Frank: Ich habe die Plakate aufgehängt, um zu dieser Aktion hier einzuladen.
Ordnungsamt: Wie heißen Sie?
Frank: Frank.
Ordnungsamt: Nachname?
Frank: Bölter, aber Sie können mich ruhig duzen.
Ordnungsamt: Haben Sie einen Ausweis dabei?
Frank: Den habe ich in Sri Lanka im Hotel abgeben müssen, da wir auch Bier ge….
Ordnungsamt: Ist jetzt nicht so wichtig. Können Sie sich irgendwie ausweisen.
Frank: Nein. Sie?
Ordnungsamt: Wir haben hier unsere Dienstausweise.
Frank: Ich habe hier meinen Arbeitsvertrag. Ich arbeite für den Verein Machbarschaft Borsig11, der diverse Kunstaktionen hier im Viertel zum Wiedererwecken des entschlafenen Nachbarschaftsgeistes unternimmt. In diesem Rahmen ist das Bierbrauen eine Aktion. Wie finden Sie die Plakate, die ich aufgehängt habe? Eine andere Aktion machen wir nächste Wo…
Ordnungsamt: Trinken Sie denn auch Bier während dieser Aktion?
Frank: Nein. Wir brauen nur. Getrunken wird gerade dahinten auf der Bank. Die haben aber mit dieser Aktion hier nichts zu tun. Aber sagen Sie mal, auf dem Borsigplatz wird doch seit über 50 Jahren Bier getrunken. Da kommt das Ordnungsamt doch sonst auch nicht zu Besuch. Warum sind Sie denn ausgerechnet heute hier?
Ordnungsamt: Weil zum ersten Mal jemand angekündigt hat, dass er hier Bier trinken will.
Frank: ☺
Ordnungsamt: Können Sie hier bitte mal Ihre Adresse und Ihre Telefonnummer eintragen. Auf Wiedersehen, wir überprüfen das dann mal.
Volker Pohlüke vom Verein Machbarschaft Borsig11 entgleist mit der Bemerkung, dass man vor lauter interessanten Besuchern gar nicht zur eigentlichen Aufgabe der regionalen Versorgung mit illegalen Kunstaktionen komme. Guido Meinke gleich mit, indem er seine unangebrachte Hoffnung, mit einer Anzeige vom Ordnungsamt viel Publicity erzeugen zu können, in unangemessene Worte kleidet. In diesem Moment brennt der Biersud an und kann nur mühsam rührend vor weiteren Folgeschäden und Anbrennaromen bewahrt werden.
Da kommt Elena zum Borsigplatz und fragt interessiert nach unserer Tätigkeit des unorthodoxen Rumlungerns und seinen Beweggründen. Ihr wird kurzerhand die konsumkritische und gemeinsinnstiftende Bedeutung des Selberbrauens in Zeiten des Massenkonsums, der industriellen Massenproduktion und des Umweltkollapses auf zentralen Plätzen dieser unbewussten Menschenmassensteuerung erklärt.
Sie zählt kurzerhand, dass offenbar lokal nur acht Personen zu dieser weltanschaulichen Weltbewegung bereit wären, um schließlich festzustellen, dass es sich trotzdem lohnen würde, auch wenn die Aktion 200.000,- € koste, da es sich dabei schließlich um eine fundamentale Veränderung im Bewusstsein des Menschen, im Selbstverständnis, und eben nicht nur auf der Handlungsebene, handeln würde. Der Grundschulkollege Jürgen Rump macht die abschließende Abrechnung mit allem auf und behauptet: „Wenn die Veränderung des Bewusstseins von acht Menschen 200.000,- € kostet bei einer Bevölkerungszahl von knapp 55.000 Menschen in der Dortmunder Nordstadt, würde die Bewusstseinsveränderung der gesamten Dortmunder Nordstadt exakt 11 Milliarden € kosten. Das entspräche doch exakt dem Betrag der EU-Finanzspritzen, die Griechenland in den letzten Jahren erhalten habe. Da könne man doch besser die Dortmunder Nordstadt verändern als Griechenland, so der ehemalige Grundschüler Rump in seiner mehr als anschaulichen Analyse. Elena beendet diesen völlig wirklichkeitsnahen und deswegen komplett uninteressanten Dialog mit der erbosten Bemerkung: „Ich bin Griechin!“.

Rezept Dortmunder Schwarzbräu Premium – Selber Brauen:
Zutaten für 27-28 Liter
Malz
5,5 kg Malz
0,65 kg Dortmunder Malz Typ I
0,21 kg Röstmalz Typ II
Hopfen
Bitterhopfen 15%
12 gr Northern Brewer
18 gr Tettnanger 4,4 % Ako
12 gr Tettnanger MA Hopfen
Hefe
11,5 gr Hefe W3470
Wasser
25 l Hauptguss
15 l Nachguss

DortmunderSchwarzbräuPremiumPlakat

Wir sind das Brot

Performance – Temporäre Installation
Ausstellungsraum St. Paul-Kirche und DG-Galerie, München | 2015

– Eine Achtsamkeitsübung gegenüber Lebensmitteln, unserer Umwelt, der Gemeinschaft und uns selbst –

DieGabeModellsw
 

Innerhalb eines workshops in der St. Paul-Kirche in München wurden von Kindern und Jugendlichen des Viertels gemeinschaftlich 2 überlebensgroße Brote aus Papier gefaltet und in einer „Prozession“ von der St. Paul-Kirche ausgehend durch die Ludwigsvorstadt über die Theresienwiese getragen, um anschließend in der St. Paul-Kirche ab- und zusammen mit einer Videodokumentation der Gemeinschaftsaktion im Rahmen der Ausstellung „Die Gabe“ ausgestellt zu werden.

 

 


 


 


 

Wir sind das Brot, 2015, Papier, je 720 x 150 x 140 cm, St. Paul München

To the world´s End

Performance – Temporäre Installation
Hikkaduwa und Colombo, Sri Lanka | 2015
Hastings, GB | 2014
Galoshan’s, Grennock, Scottland | 2016

 

(…) Als ich am 14.01.2015 in Sri Lanka mit meinem Papierschiff in einem Haufen Plastikmüll an den Strand gespült wurde, musste ich mir überlegen wie die Reise weitergehen sollte. An einem Strand, der inzwischen den westlichen Surfern gehört, die dort ihre Wintermonate auf einem Surfbrett verbringen, trifft man nur in den frühen Morgenstunden auf die Fischer, denen der Strand wohl ursprünglich gehörte. So saß ich jeden morgen ab 4.30 Uhr in der Fischerhütte und versuchte den Fischern mit Händen und Füßen und einem kleinen Modell eines Papierschiffes zu erklären, dass sie mir helfen müssen, ein weiteres Papierschiff zu falten, damit ich meine Rückreise nach Deutschland antreten könne. Am 4. Tag holten sie endlich einen Cousin von Babbi, einem der Fischer von Hikkaduwa, der ein bisschen english spricht. Nach weiteren 3 Tagen in der Fischerhütte erklärten sie sich bereit, mir zu helfen. So falteten wir am nächsten Sonntag gemeinsam mit Fischern und Surfern ein 9 m langes Papierschiff. Die Fischer sorgten sich gemeinsam mit den Surfern um die Stabilität des fragilen Vehikels. Damit das Schiff die 8 m hohen Wellen am Strand von Hikkaduwa übersteht, schickten sie einen von ihnen in den Dschungel, um Bambusstäbe zu schlagen, die anschließend in die Bordwände eingefaltet wurden. Jemand anderes brachte Styropor zu Stabilisierung des Bodens. Ein Dritter besorgte ein paar Latten und Sisalseile, um ein Gerüst in die Faltungen einzuschlagen. So konnte die Reise weitergehen (…)

 

 

Refugee Origami Camp Brussels

Performance – Temporäre Installation
Place du Beguinage/le petit Château | Festival Signal, Cifas Institut und Festival Kanal, KAAI-Theater, Brüssel | 2014

 

Belgrade Wall

Performance – temporäre Installation
Trg Republike (Platz der Republik), Belgrad | 2009

 

Zum 20-jährigen Jubiläum des Mauerfalls in Berlin wurde Belgrad durch eine „über Nacht“ erstellte, monumentale Pappkopie des eisernen Vorhangs auf dem Platz der Republik in Belgrads geteilt. Der Grenzwall, der den nördlichen Teil der Stadt entlang der Mauerachse vom südlichen Teil isolierte, wurde von Bürgern der Stadt aus faltbaren Pappziegeln und Leim errichtet – andere Bürger beteiligten sich, indem sie die Mauer wieder abbauten, Material entwendeten oder anderweitig zu verhindern suchten. Der politischen Situation Deutschlands vor dem Mauerfall am 9.11.1989 entsprechend trennte die Stadt Belgrad das Bollwerk symbolisch in zwei Sektoren. Mit der Fertigstellung des Schutzwalls wurde die Grenze geschlossen, Grenzpolizisten sicherten die Staatsgrenze und informierten über die neue politische Situation Serbiens. Über die Stadt verteilt entstanden von Bürgern der Stadt erbaute weitere Grenzwälle, die von anderen Bürgern wieder abgebaut wurden. An der Mauer kam es zu Demonstrationen der lokalen ANTIFA-Bewegung, zu nationalistischen Versammlungen, Treffen der Kriegsveteranen und Demonstrationen für einen Wiederaufbau der DDR. In den Medien wurde ein Diskurs über weiterhin präsente „Mauern in den Köpfen“ der Bevölkerung im Schmelztiegel des Balkans angestoßen. Die Belgrader Mauer fiel in der Nacht zum 10.11.2009 angeblich durch einen Schneesturm.

Tagebuch Der Fall der Belgrader Mauer
Grenztagebuch, 158 Seiten, mit Texten von Jutta Gehrig, Dr. Dorothee Bauerle-Willert und Frank Bölter

Frank-Bölter-Weg

Performance – Temporäre Installation
öffentlicher Stadtraum und Schlossplatz, Münster | 2012

 

 

Um 11:22 Uhr kam Frank Bölter auf Gleis 17 mit dem Regionalexpress aus Köln in Münster an. Er schulterte sein Schild, das fachgerecht an seiner Schilderstange hing und promenierte die Windhorststrasse hoch, kreuzte die Promenade, den Domplatz, die Frauenstraße, nur um am Schlossplatz einen Weg links vorm Schloss neu zu bezeichnen. Den Frank Bölter Weg.

Auf einem Video von Konrad Abeln festgehalten war Bölters Schilderweg in einem beiläufigen Monitor bei Foto Köster zwischen neuen Kameras präsentiert. Es zeigte die freundliche Beihilfe beim Schildergang durch die Punks, die man geläufig auf den Mauern vorm Lackmuseum antrifft, und die ihm das Schild für ein paar Schritte abnahmen. Und sichtbar werden dort die Passanten, die den Weg mitverfolgten und eben das hochselbstverständliche Geschehen einer künstlerischen Aneignung begleiteten.

Wem der öffentliche Raum gehört, wird hier unzweifelhaft geklärt – der Kunst im Allgemeinen und Bölter im Speziellen. Seinem eigenen Ruhm voraus eilt die Bezeichnung auf der münsterschen Kartografie. Dass es in Köln bereits einen Bölter Park gibt, soll nur anmerkende und anerkennende Erwähnung finden. Doch weit mehr als die selbstreferentielle Bedeutung der zeichenhaften Intervention in das vorliegende Straßenkataster wiegt das Gewicht, der selbstbeauftragten Handlung. Das sich selbst zugesprochene Recht auf offizielle Bezeichnung wird ent-demokratisiert und radikal individualisiert. Ein Konflikt mit der amtlichen Registratur ist augenfällig und wird von Bölter höflich in Kauf genommen.
Frank Bölter gelingt mit seinem Bölter-Weg ein humorvoller Kommentar auf die gerade durch Volksentscheid herbeigeführte Entscheidung zur Umbenennung des Hindenburgplatzes in den Schlossplatz. Er bezieht Stellung, ohne sich politisch zu kaprizieren und ohne das verbal anzuführen. Er stellt den formaljuristischen und demokratischen Weg der Bezeichnungsfindung in Abrede und mit seinem performativen Schildergang durch die Stadt erinnert seine Schulterlast en passant an den Weg Christi nach Golgatha ebenso wie es den aufmerksamen Beobachtern einen freundlichen Anreiz zum Nachdenken gibt.

Text: Ruppe Koselleck

 

LeORIGAMIpard 3 : peacemaker

Performance – Temporäre Installation
Julius-Leber-Kaserne, Berlin-Reinickendorf | 2011                                                                                       Militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Dresden | 2012

 

 

Im Februar 2011 erhielten Unicef, ProAsyl, der deutsche Flüchtlingsrat, The Voice, Karawane und andere öffentliche Flüchtlingsorganisationen eine Einladung zur Teilnahme an einem Kunstprojekt, um auf die immer dringlicher werdende Lage von Flüchtlingen jenseits der üblichen politischen Diskussionsfelder durch die Kunst aufmerksam zu machen.
Im Dezember 2010 erhielt der Kommandeur 1. PzDiv. der Bundeswehr in Hannover einen Brief mit der Frage nach dem Interesse einer Kollaboration zwischen Kunst und Militär zur Herstellung des lebensgroßen Faltpanzers „LEOrigamiPARD 3“ im fernöstlichen Kunsthandwerk Origami.

Anfrage-1.Panzerdivision-Hannover

Im Januar 2011 erklärte sich das Bundesministerium der Verteidigung nach einer Einladung zur Projektvorstellung im Bendlerblock in Berlin bereit, das Projekt zu unterstützen und erließ im Anschluss einen Befehl zur Durchführung der Faltübung mit Soldaten der Bundeswehr.

BefehlBundesministeriumDerVerteidigung

Zunächst wurde nach Möglichkeiten gesucht, das Projekt möglichst öffentlichkeitswirksam durch eine Faltübung von Soldaten vor dem Reichstag zu inszenieren, nachdem in den Medien über eine bevorstehende Leopard 2-Lieferung nach Saudi-Arabien berichtet wurde, verlagerte man den Origami-workshop der Soldaten in die Julius-Leber-Kaserne nach Berlin-Reinickendorf, wo unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Faltungen durchgeführt wurden. Am 9. Juli 2012 wird der LEOrigamiPARD III durch Soldaten der Bundeswehr vor dem Militärhistorischen Museum aufgestellt, wo er im Rahmen der Museumsnacht Dresden am 14. Juli der Öffentlichkeit präsentiert und übergeben wird. Während „LEOrigamiPARd 3“ Teil der Sammlung des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden wird, wird der von Kriesgsflüchtlingen aus Somalia, Afghanistan und Irak in der alten Desinfectionsanstalt in Berlin-Kreuzberg gefaltete lebensgroße Papierpanzer „Peacemaker“ nach Beschwerden der Nachbarn von der Berliner Stadtreinigung entsorgt.

 

 

Tagebuch LEOrigamiPARD3-Peacemaker
Tagebuch, 138 Seiten, mit Texten von Frank Pergande für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, Britta Senn und Denis Bury für „Das Magazin“ und Frank Bölter

AcropoLinz

Performance – Temporäre Installation
Festival der Regionen, Linz – Kulturhauptstadt Europas | 2009

 

‚AkropoLinz‘ kopiert, die Bevölkerung des Linzer Stadtteils Auwiesen involvierend, den Bau der Akropolis von Athen als Meisterwerk der griechischen Antike aus Pappe samt der intellektuellen und kulturellen Entfaltungswirkung des fundamentalen europäischen Kulturerbes auf die Bevölkerung des in Verruf geratenen Linzer Stadtteils Auwiesen. Gemäß dem historischen Vorbild wird durch das gemeinschaftliche Errichten der monumentalen Skulptur einerseits versucht, an andere Stadtteile verlorenes städtebauliches wie gesamtkulturelles Terrain durch die Form eines identitätsstiftenden Weltkulturerbes zurückzugewinnen. Linz – Kulturhauptstadt Europas 2009 ist Ausgangspunkt für den Bau der ‚AkropoLinz’ im Rahmen des partizipatorischen Kunst“- Festivals der Regionen 2009, zu dem das Denkmal der Kultivierung und Kolonialisierung Europas mit Hilfe der Bevölkerung geschaffen wird. Demgegenüber steht das beinah widerstandslose Ausliefern des städtebaulichen wie historischen Monuments samt seiner Entstehung und Bedeutung durch die Wahl des fragilen Baumaterials Pappe. So wird die ‚AkropoLinz’ nach seiner Fertigstellung im Erscheinungsbild der beengten 80er Jahre Reihenhaussiedlung von Anwiesen der Öffentlichkeit übergeben und äußeren Einflüssen wie Verwitterung, Vandalismus etc. ausgesetzt. Exemplarisch steht dem kollektiven Kraftakt des Erschaffens einer Riesenskulptur und des kopierten Denkmals die Verwitterung und Ruinierung im Zeitraffer gegenüber.

 

Bautagebuch
———————————-

05. Mai 2009: Vorbereitungen
Verlegen eines Festzeltparkettbodens als Fundament für die ‚Akropo-
Linz‘. Aufstellen eines Bauschildes auf der Baustelle. Bauplatz: Indianerpark an der Bowlinghalle.

———————————-
07. Mai 2009: Der erste Tag
‚Linz 2009 – Kulturhauptstadt Europas‘, baut sein temporäres Weltkulturerbe.
Idee und Entwicklung: Frank Bölter und die Bürger von Auwiesen, Linz
Realisation: Bürger von Auwiesen, Linz
Ort: Tornado Bowlinghalle, Karl-Steiger-Straße
Arbeitsbeginn: 7. Mai, 9 Uhr
Richtfest: 21. Mai, 16:00 Uhr

Mit dem Arbeitsbeginn am Papierbauwerk ‚AkropoLinz‘ an der Karl-Steiger-Straße wird nebenan eine weitere Baustelle eröffnet: ein Basketball- und Fußballplatz inklusive Bandengitterelementen aus Stahl. Auf Nachfrage erklären die dort beschäftigten Bauarbeiter, dass die Vorgängervariante aus Holz selbstverständlich angezündet worden ist.

———————————
08. Mai 2009: Baustelle ‚AkropoLinz‘ eröffnet
Anliefern der ersten Pappkartons auf der Baustelle an der Karl-Steiger-Straße. Gegen 10 Uhr, unmittelbar nachdem die ersten Steine gefaltet worden sind, erscheinen die ersten Auwiesener Kinder und fragen, ob sie mithelfen könnten.
Sie werden eingeladen, beim Bau der ‚AkropoLinz‘ mitzuwirken. Nach kurzer Einführung in das Pappsteinfalten und der Frage: „Wos is e Akropolis?“, gehen sie engagiert zu werke. „Des is ja Leiwand!“ meint Luigi zu seinen ersten gefalteten Pappsteinen.
Es kommen immer mehr Kinder zwischen 7 und 11 Jahren zum Bauplatz und unterweisen sich gegenseitig im Falten der Pappelemente. Dominic, Amel und Mero erweisen sich als besonders geschickt im Umgang mit der Pappe und den anderen Kindern und werden zu Vorarbeitern ernannt. Einige Passanten behaupten, das man ein Pappgebäude im Stadtteil Auwiesen besser nicht errichten sollte, da es sowieso angezündet werden würde. Wahrscheinlich noch heute nacht. Gegen 16.30 Uhr setzt sich ein Mann mit Cowboyhut und Sohn an den Rand der Baustelle und ruft den Mitarbeitern Unverständliches zu. Mit zunehmendem Alkoholgenuss wird seine Sprache für die Zuhörer verständlicher: „Ride on, ride on!“ schallt es aus ihm heraus in Richtung Bauhelferteam. „Keep on watchin‘!“ wird von einem der jungen Bauhelfer auf den Zurufer reagiert. Kurz darauf verschwinden die beiden, um mit einigen Dosen Bier wieder auf dem Baugelände zu erscheinen. Sie werden gebeten, den Tempel zu betreten, Eintrittsgelder wären die soeben erstandenen Naturalien. Wir stoßen an. Eine Unterhalten über die Brennbarkeit von Pappe schließt sich an, immer wieder beendet von einem betrunkenen „Es wird brennen! Brennen wird des! (I woiß es genau.)

———————————-
09. Mai 2009: Playground AkropoLinz
Es ist sehr warm heute. Die Baustelle scheint unversehrt. Morgens werden gestanzte Pappsteine auf die Baustelle transportiert. Gegen 10.30 Uhr erscheinen Erhart und Daniel auf der Baustelle: „Geht‘s jetzt weiter?“, wird voller Tatendrang gefragt. Um 11:05 Uhr betreten die gestern zu Vorarbeitern beförderten Mero, Amel und Dominic die Baustelle und entschuldigen sich für das späte Erscheinen, gefolgt von weiteren 5 Kindern, die auch zu Vorarbeitern ernannt werden möchten und umgehend beginnen, Steine zu falten. Sedat, einer der fünf stellt sich und die anderen als tschetschenische Kinder aus dem Haus gegenüber der Straße vor, „Wir wohnen hinter der Akropolis!“ Gegen 15.30 Uhr kommen Ratman und seine Gang auf die Akropolis. Sie nutzen die herumliegenden und soeben von anderen Kindern gefalteten Säulensteine, um damit aufeinander einzuschlagen. Als hätten wir sie gerufen, erreichen plötzlich zwei Polizisten das Akropolisflachplateau. Da die Außenwände bereits relativ hoch aufgemauert sind, können sie jedoch kaum Zeuge des griechischen Dramas auf der ‚AkropoLinz‘ geworden sein. Als jemand ruft: „Fuck, Polizei!“ sind alle ganz schnell verschwunden. Zurück bleiben versehrte Pappsäulenreste. Die Polizei wird auf der Baustelle begrüßt und zeigt sich dem Projekt sehr zugetan: „Was für ein großartiges Projekt, so etwas brauchen wir genau hier in Auwiesen!“ behauptet der männliche Beamte gegenüber seiner Kollegin. Ein Passant, der der Unterhaltung unscheinbar lauscht, gibt später zu Bedenken, dass am Vortag der Rektor der Linzer Kunstuniversität beim Versuch, während einer Demonstration einer der Polizeigewalt gerade zum Opfer fallenden Studentin zu helfen, verhaftet worden sei. „Die müssen jetzt gute Stimmung machen!“. ergänzt er. „Heute Nacht wird‘s bestimmt brennen!“ ruft ein Mann im Vorübergehen einigen Bauhelfern zu.

———————————-
10. Mai 2009: Der Ansturm
Vormittag: Es bricht erneut ein sonniger, heißer Tag an. Auf der Baustelle ist alles ruhig. Warten auf Mitarbeiter. Gedanken keimen auf, ob die Auwiesener ihre Akropolis überhaupt wollen. Bisher ist es ein Auwiesener Kinderbauwerk, kein Stadtteilbauwerk. Nach dem gestrigen Stimmungstief tut eine Erholungspause gut.
Nachmittag: Nach einigen Versuchen, ein praktikableres Verhüllen der Pappbaustelle bei Regen zu ermöglichen, geben Georg Mitteregger und Johann Waldegger auf. Wir bleiben bei der bisherigen Variante des einfachen Folien-über-alle-Mauern-Werfens.
Gegen 16 Uhr kommt plötzlich ein Schaar 14-16jähriger Jugendlicher, die alle mithelfen und in Windeseile 150 Steine falten und den hinteren Tempelbereich aufmauern. Es handelt sich um eine Gruppe regionaler Breakdancer, die sich zum Richtfest einen Auftritt vorstellen kann. Gegen 18.00 Uhr ist der Ansturm vorbei. Wir decken ab.

———————————-
11. Mai 2009: Ice & HipHop in der Akropolis
Erneut sehr warm. Vormittags ist wenig los auf der Baustelle. Gegen 15 Uhr kommen ca. 20 Jugendliche in Begleitung dreier junger Erwachsener. Sie stellen sich als Teilnehmer bzw. Veranstalter eines HipHop-workshops vor. Sie erkundigen sich nach dem Bauprojekt und einer möglichen Kooperation und der Perspektive auf der ‚AkropoLinz‘ zu performen. Eine der Teilnehmerinnen erkundigt sich mit einem Eis in der Hand nach dem Sinn der ‚AkropoLinz‘: „Und was macht‘s, wenn‘s regnet?“ Auf die Antwort: „Nichts!“ reagiert sie fragend: „Aber warum macht man dann so etwas überhaupt, wenn es beim ersten großen Unwetter schon wieder zerfällt?“ Die Bemerkung, dass von der Akropolis in Athen schließlich auch nicht viel mehr übrig sei, als man in Linz bereits gebaut hätte, wird mit: „Das ist ja wohl was ganz anderes!“ quittiert. Auf die Frage, was denn von ihrem Eis noch übrig wäre, nachdem sie es aufgegessen hätte, antwortet sie: „Nichts!“. Auf die Bemerkung, dass man vermuten dürfe, dass sie sich sicherlich noch an das Vergnügen beim Eis essen erinnern könne, und dass es sich mit dem Bau der Linzer Akropolis genauso verhielte, kontert sie, sie sei sehr vergesslich.
Um 18:00 Uhr kommt der LA-Crime-Gangnachwuchs auf die Baustelle. Anführer Batman wirft die soeben erstellte Pappsäule um. Seine Lakaien folgen ihm, sodass in wenigen Minuten das Tagwerk dem Erdboden gleich gemacht ist. Auf die Frage: „Warum eigentlich?“ antwortet ein Kleingangster: „Weiß i ah nit.“ Auf den Kommentar, dass wir das total super fänden, was sie hier machten, und uns für ihren Beitrag zum Projekt bedanken, schaut er etwas verunsichert. Inzwischen sind alle Säulen zerstört und die Zerstörungslust scheint abgeklungen. „Morgen kommen wir wieder!“ schallt eine Drohgebärde in Richtung Bauhelfergruppe. „Es gibt do nix mehr zum duan!“ schallt es zurück.
———————————-

12. Mai 2009: Moses & Frau Schmidt
10:20 Uhr Es regnet. Frau Schmidt kommt mit ihrem Hund Moses zum Bauplatz. „Darf ich Ihnen einen Rat geben? Sie müssen die Akropolis einmal richtig nass regnen lassen, dann brennt sie nicht mehr so gut!“ Der Einwand, dass darunter die Stabilität des Bauwerks leiden würde, wird kommentiert: „Jaja, immer diese Stabilität, aber es gibt ja immer 10% der Jugendlichen, die irgendetwas anzünden, und die anderen 90% kommen bestimmt nicht zum Löschen her!“. Moses bellt. Es regnet weiter. Wo bleiben eigentlich die Eltern? Tag für Tag betreten die Kinder den Akropolisspielplatz, manche jeden Tag. Bis auf die Großeltern von Polier Erhart haben sich noch keine erwachsenen Verwandten sehen lassen. Wieder und wieder wird man mit der Frage konfrontiert, was man machte, wenn‘s regnet? Die Antwort: „Pause“, ruft meist Unverständnis hervor. Herr Kürtl bemerkt schlau, dass man in Athen einen klimatisch günstigeren Standort für die Akropolis und damit für das Fundament unserer Kultur gewählt hätte. In Athen eine Akropolis zu bauen, sei allerdings genau deshalb keine Kunst, korrigiert er sich im nächsten Augenblick selbst. „Und aus Stein, wie langweilig!“ wirft Sascha, 11 Jahre, hinterher.
———————————-

13. Mai 2009: Wer soll das denn anstecken?
Abendlicher Besuch einer Gruppe Jugendlicher, ca. 17 Jahre alt. „Wer seids denn Ihr?“ wird offensiv das Gespräch eröffnet. Mit „Und was macht’s, wenn’s brennen duat?“ und „Was soll des überhaupt?“ wird das Projekt weiter interessiert untersucht. „Aber im ernst, wenn’s brennt, was mocht’s do?“ wird weiter auf die Beantwortung der scheinbar brisanten Frage bestanden. „Wer soll das denn anstecken? Wir kennen doch mittlerweile jeden Jugendlichen hier. Die haben doch alle schon geholfen, die Akropolis zu bauen.“, geben wir zurück. „Naa!“, erwidert Stephan, „Nit die Jugendlichen, die Erwochsenen stecken’s ohh.“ Nachdem die Akropolis plötzlich von einer Gruppe rauchender Männern bei Mondlicht betreten wird, verlassen die Jugendlichen schnell das Gelände.

13.15 Uhr Frau Magerts nähert sich mit ihrem Hund und zwei Enkeln der Baustelle und verbietet am Zaun stehend den Kindern das Herumlaufen auf der Akropolis. „Das ist a Baustelle! Da dürfens nit sahh. Kommt’s her, sofort!“ ermahnt Fau Magerts.
Wir kommen ins Gespräch über Sinn und noch mehr Unsinn des Projekts. Es wird ausgiebig über Brennbarkeit des Materials und die Gefährdung der Jugendlichen und Kinder beim Spiel mit dem Feuer diskutiert. Sie gibt sich erstaunt über den hohen Anteil an hilfsbereiten ‚Ausländern‘ auf der Akropolisbaustelle und berichtet ausgedehnt über die Verhältnisse zwischen Einheimischen und ‚Ausländern’ im Allgemeinen und in Auwiesen im Speziellen. „I konn Ihnen sogn. I bin a oalde Auwies’nerin und bin do geboren. Was sich hier ols verändert hat. Da war einem früher wohler in Auwiesen. Heit wirst nur no beschimpft von die Kinder, vor Allem von die Ausländischen!“, behauptet Sie. Andererseits, so Frau Magerts weiter: „I hob Bosnische Nachbarn. Oslo, die Lait, a Traum!, kann I Ihnen song. Besser als manche Österreicher!“
14.03 Uhr Die Klasse 1e der Hauptschule Kleinmünchen erscheint geschlossen auf dem Bauplatz Nach kurzer Einführung beginnen alle, Pappsteine zu falten. Vom Klassenleiter Herrn Egger werden Achmat und Sedat zum Mauern auf das Gerüst geschickt. Sehr schnell sind im hinteren Tempelbereich des Pantheons zwei Steinreihen an Höhe gewonnen. Sie arbeiten schnell und präzise.
15:37 Uhr Es schließt sich die Klasse 3a von Frau Mittelböck an und übernimmt die Baustelle. Die älteren Schüler benötigen keine Einführung, wenden sich sofort dem fragilen Material zu und falten Pappsteine. Wenige andere Bauhelfer werden von der Baustelle verdrängt. Nach etwa 1,5 Stunden ist das Mauerwerk um einiges in die Höhe gewachsen. in der Höhe geht die Arbeit auf Kosten von Präzision und Stabilität. Bisher ist niemand von den Behörden zur Kontrolle auf der Baustelle erschienen. Am Bauzaun werden Wetten abgeschlossen, wie lange das schiefe Mauerwerk Wind und Wetter trotzen wird.
———————————

17. Mai 2009 Säulenhalle
Es wird begonnen, Säulensteine zu falten und zu verkleben. Es geht schneller als erwartet. Als Herr Egger mit einer Kolonne der Klasse 4d der Hauptschule Kleinmünchen erscheint, sind sehr schnell 20 Säulen errichtet und mit dem Dachgebälk des Akropolisportals verbunden. Um 20.30 Uhr bricht ein Hagelsturm über Linz herein. Erfreulicherweise haben wir rechtzeitig die Folien über das Mauerwerk gezogen. Allerdings sind die gerade aufgestellten Säulen gegenüber dem Originalmodell in Athen noch sehr fragil. Der Sturm hält die ganze Nacht über an. Bisher gab es jede Nacht heftige Regenschauer.
———————————-

18. Mai 2009 Portal zerstört
Die rechte Hälfte des Säulenportals ist vom Hagelsturm zerstört, nur Bruchteile der ehemaligen Säulen sind wieder zu verwenden. Die linke Hälfte hängt durch die Dachverschränkungen schief nach rechts und senkt sich immer weiter ab. Es scheint nur eine Frage der Zeit, wann auch sie zusammenbricht. Jedoch wird, als wäre nichts passiert, im hinteren Teil der ‚AkropoLinz‘ munter weiter gebaut. Der vordere Teil wird abgedeckt gelassen bis zum nächsten sonnigen Tag und dann komplett erneuert, so die Vorgabe der Baumeister Mero und Sedat.
Es fehlt wieder Holz. Außerdem ist erneut Werkzeug verschwunden.
———————————-

19. Mai 2009 Richtfest vor der Tür
Das Wetter scheint stabil. Die linke Hälfte des Säulenportals der Akropolis kann durch den stabilen Neubau der rechten Hälfte mit vereinten Kräften wieder an seine alte Position geschoben werden und steht durch den Zusammenhalt der Dachelemente wieder senkrecht. Es scheinen permanent genügend freiwillige Bauhelfer anwesend zu sein, um die Akropolis bis auf das Dach fertig zu stellen. Es haben sich noch immer keine freiwilligen Erwachsenen oder ältere Jugendliche gemeldet, die wir auf den Rollgerüsten arbeiten lassen können, gemäß den arbeitsschutzrechtlichen Auflagen der Baubehörde der Stadt Linz. Man erzählt sich, die Jugendlichen hätten unweit der Akropolis ein Baumhaus errichtet aus Materialien, aus denen die AkropoLinz gebaut werden sollte – angeblich der erste von Kindern und Jugendlichen selbst und eigenhändig errichtete Spielplatz und Aufenthaltsort im gesamten Stadtraum von Linz. Gegen Abend fehlt Folie zum Abdecken der Akropolis. Diese muss nun unabgedeckt die Nacht überdauern.
———————————-

20. Mai 2009 Giebelportal
Es sind immer noch genügend engagiert wirkende Bauhelfer damit beschäftigt, weitere Säulen zu bauen, um die Dachkonstruktion darauf zu setzen. Pavel, Mero und Luigi kümmern sich um das Giebelportal. Einige andere am Festival der Regionen 2009 beteiligten Künstler erklären sich bereit, an der ‚AkropoLinz‘ mit zu bauen. Am Ende des Tages sind der separat gebaute Giebel für das Akropolisportal und die Säulenhalle fertig gestellt.
———————————-

21. Mai 2009 Richtfest und Ruine
Am Vormittag wird der Giebel auf das Akropolissäulenportal gehoben. Anschließend wird das Baumhaus der Jugendlichen besichtigt. Es haben ausschließlich die Jugendlichen gebaut, die die anderen Kinder und Jugendlichen beim Bau der ‚AkropoLinz‘ gestört oder verschreckt haben. Wir erkennen das von der Akropolisbaustelle entwendete Material, das fehlende Werkzeug liegt im Baumhaus. Den Jugendlichen wird zum ersten selbst errichteten Baumhaus in Linz gratuliert, diese schauen nicht länger ertappt – sondern überrascht. Es wird im Namen der Stadt Linz zur Fortsetzung ähnlicher Bauvorhaben ermutigt und das Werkzeug hergeschenkt. Danach beginnen die Vorbereitungen für das Richtfest. Es wird ein privater MacDonald‘s eingerichtet, der selbstgemachte MacRopolis-Burger für die Kinder und jugendlichen Bauhelfer anbietet.
16:00 Uhr Richtfest: Nach typisch österreichischer Tradition wird am Giebel der richtfesttauglichen Akropolis ein Baum angebracht: „Auf das dieses Gebäude den nächsten Sturm überstehe!“ lautet der Richtspruch. Anschließend wird das Gebäude zur Besichtigung freigegeben.
22:12 Uhr Gewitter: Die letzten Richtfestgäste sind noch nicht verschwunden, als aus heiterem Himmel ein Gewitter mit Sturmböen von 110 Km/h über der ‚AkropoLinz‘ hereinbricht. Es grollt, blitzt und donnert, Sturmböen erfassen die am Boden befestigten Schutzfolien und reißen sie mit der Akropolis wie ein Segel in die Höhe, die Säulenhalle wird zusammengedrückt, der Giebel stürzt vom Säulenportal, die vom Orkan überraschten letzten Gäste bringen sich in Sicherheit. Die noch anwesenden Bauhelfer versuchen, zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Das Gewitter legt sich nach 3 Minuten, unmittelbar nachdem die letzte Säule des temporären Weltkulturerbes gefallen ist. Der Rest ist Regen.
———————————-

22. Mai 2009
Ruine

———————————-
25. Mai 2009
Abtragen der ‚AkropoLinz‘-ruine und Recycling der Pappe.